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Mit ARTM berechnetes Strömungsfeld
Strahlenschutz

Das atmosphärische Radionuklid Transportmodell ARTM

Die GRS hat für das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Strahlenschutz das atmosphärische Ausbreitungsprogramm ARTM entwickelt. ARTM simuliert, wie sich freigesetzte radioaktive Stoffe mit der Luft ausbreiten und am Boden ablagern.

Atmosphärische Ausbreitungsmodelle werden heute vielseitig eingesetzt. Meteorologen oder Verkehrsplaner nutzen sie beispielsweise, um die Verbreitung von Schadstoffen in der Luft zu bestimmten. Der Einsatz von Simulationen hat dabei verschiedene Vorteile. Mit der Simulation können unterschiedliche Szenarien getestet werden. Dabei können beliebige Wetterlagen oder Mengen von Schadstoffen unterstellt werden. Der räumliche Maßstab oder der zeitliche Ablauf lässt sich entsprechend der Fragestellung anpassen. Die Simulationen der Ausbreitungsprogramme ergänzen die Messungen vor Ort und ermöglichen Prognosen und Analysen.

Ausbreitungsmodellierung für luftgetragene radioaktive Partikel oder Gase 

Atmosphärische Ausbreitungsmodelle werden auch dafür benutzt, die Ausbreitung von sehr kleinen, luftgetragenen Partikeln oder Gasen zu simulieren. Beispielsweise können in Kernkraftwerken, Industrie, Forschung oder Medizin radioaktive Stoffe geplant oder versehentlich in die Atmosphäre gelangen. Die radioaktiven Partikel verbreiten sich nach der Freisetzung mit dem Wind, unterliegen dem radioaktiven Zerfall und können sich teilweise - je nach physikalischer und chemischer Form - auch am Boden ablagern. Ein atmosphärisches Ausbreitungsmodell für Radionuklide erlaubt es, diese Prozesse zu simulieren und damit Aussagen über die Konzentration von Radionukliden in der Atemluft und auf dem Boden oder über die Gammawolkenstrahlung durch die Radionuklide in einer Abgaswolke zu machen.

AUSTAL2000 und GO-ARTM

In der GRS wird seit 2004 das atmosphärische Radionuklid Transportmodell ARTM im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU) entwickelt. Es basiert auf dem Programmpaket AUSTAL2000 für konventionelle Luftschadstoffe (z.B. Stickoxide, Schwefeldioxid, PM10), das durch das Ingenieurbüro Janicke Anfang der 2000er Jahre im Auftrag des Umweltbundesamtes entwickelt wurde. ARTM wurde in Folgeprojekten validiert und weiterentwickelt. Unter anderem erhielt es die graphische Benutzeroberfläche GO-ARTM. 

Lagrangesches Partikelmodell

Bei ARTM handelt es sich um ein Lagrangesches Partikelmodell. Die Simulationspartikel repräsentieren dabei Radionuklide. Mit ARTM lässt sich nicht nur die Menge an Schadstoffen an einem bestimmten Punkt analysieren. Es ist auch eine räumliche und zeitabhängige Erfassung der Ausbreitung möglich. Das Verhalten von radioaktiven Stoffen hängt dabei von unterschiedlichen Faktoren ab. ARTM berücksichtigt deshalb nicht nur, wann, wo wie viele radioaktive Stoffe freigesetzt wurden. Das Programm bezieht neben meteorologischen Daten wie Windrichtung, Windgeschwindigkeit und Niederschlag auch Parameter wie die Geländeform (Ebene oder Gebirge) und die Oberflächenstruktur (Wasseroberfläche, Bebauungsgebiet, Wald) in die Berechnung mit ein. Verschiedene Grenzschichtmodelle sowie das diagnostische Windfeldmodell TALdia sind dabei standardmäßig im ARTM Programmpaket zur Simulation der Wind- und Turbulenzverhältnisse verfügbar.

Da auch die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Stoffe bei der Ausbreitung eine wichtige Rolle spielen, werden auch diese bei der Modellierung berücksichtigt. Neben der Konzentration der Radionuklide in der Luft und am Boden simuliert ARTM auch die Gammawolkenstrahlung.

Aufbauend auf den Ergebnissen einer ARTM-Simulation lassen sich mittels des vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) entwickelten Dosis-Moduls DARTM die Organdosen und die effektive Dosis für Personen im Simulationsgebiet berechnen. Seit Juni 2020 gelten dabei die Berechnungsvorschriften der AVV-Tätigkeiten. Sie schreiben für Ausbreitungsrechnungen die Verwendung eines Lagrangeschen Partikelmodells vor, wie es ARTM darstellt.

ARTM ist als OpenSource-Programm inklusive Quellcode verfügbar. Das Bundesamt für Strahlenschutz stellt das Download-Paket mitzahlreichen Hilfsprogramme zur Verfügung.
 

Projekt-Highlights Strahlenschutz

Virus fliegt in einem Aerosol-Tröpfchen durch die Luft
AeroCoV - Ausbreitung von SARS-CoV-2-Aerosolen simulieren
2020 - 2021

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der GRS haben im Rahmen des Forschungsprojekts AeroCoV das für die Analyse von Stör- und Unfällen in Containments von Kernkraftwerken entwickelte und validierte Simulationsprogramm COCOSYS erstmals für die Berechnung der Ausbreitung von SARS-CoV-2-Aerosolen angewendet.

Umwelt und Energie