Radon-Messstation in Bruchsal
Umwelt und Energie

ANEMONA - Anlagenmonitoring als Schlüsseltechnologie für Geothermiekraftwerken

Forscher der GRS haben gemeinsam mit der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) und dem Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen (GZG) im Projekt ANEMONA neue Methoden und Techniken entwickelt und erprobt, mit denen die Wirtschaftlichkeit von Geothermieanlagen verbessern lässt.

Bei der Nutzung der sogenannten tiefen Geothermie wird heißes Thermalwasser aus mehreren Tausend Metern Tiefe an die Erdoberfläche transportiert. Im oberirdischen Teil einer Geothermieanlage wird das Wasser über einen Wärmetauscher geführt. Anschließend wird das Thermalwasser über eine Reinjektionsbohrung wieder in den Untergrund geleitet. Die im Wärmetauscher übertragene Energie wird zur Stromerzeugung oder zur Versorgung mit Fernwärme genutzt.

Beim Betrieb von Geothermieanlagen stellen sich einige technische Herausforderungen. Zum einen gelangen in den geförderten Thermalwässern gelöste Stoffe mit an die Oberfläche, wie zum Beispiel Magnesium und Kalzium. Diese Minerale können ausfallen und sich in Anlagenteilen wie etwa Rohrleitungen und im Wärmetauscher ablagern. Treten die Ablagerungen, fachsprachlich auch als Scale bezeichnet, in größerem Umfang auf, wirkt sich das auf die Leistungsfähigkeit der Anlage aus. So kann beispielsweise die Wärmeübertragung weniger effektiv sein oder die Reinjektion des Thermalwassers gefährdet werden. Zum anderen können sich natürlicherweise im Untergrund vorkommende Radionuklide in den Scale anreichern. Dies führt dazu, dass im Betrieb der Anlage Anlagenteile eventuell kontaminiert werden. Diese müssen dann unter Aspekten des Strahlenschutzes und im Hinblick auf die spätere Entsorgung überwacht werden.


Bildung von Scale prognostizieren

In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Forschungsprojekt ANEMONA haben die Fachleute Methoden und technische Systeme entwickelt, mit denen diesen Herausforderungen wirksam begegnet werden kann. Damit wird es möglich, Geothermieanlagen künftig effizienter und sicherer zu betreiben.
Maßgeblich für die Bildung von Scale sind die chemischen Eigenschaften des Thermalwassers. Insbesondere der pH-Wert und das Redoxpotenzial haben einen Einfluss auf die Löslichkeit von Stoffen.

Die Erfassung dieser Daten ist jedoch technisch anspruchsvoll. So müssen die hierbei eingesetzten Messgeräte korrosionsbeständig gegenüber salinaren Lösungen und unempfindlich gegenüber hohen Temperaturen und Drücken sein. Die GRS hat deshalb neue Verfahren entwickelt, um diese Parameter in den Thermalwässern zuverlässiger ermitteln zu können. Nach einer ersten Erprobung unter Laborbedingungen wurden die neuen Verfahren auch in einer Geothermieanlage während des Betriebs getestet. Mithilfe des neuen Monitorings lässt sich die tatsächliche Wasserstoffionenkonzentration und somit die Entstehung von Scale vom Betreiber noch genauer prognostizieren.


Monitoring von NORM-Stoffen in Geothermieanlagen

Ob bzw. in welchem Umfang sich in Geothermieanlagen Scale bilden, spielt auch unter Strahlenschutzgesichtspunkten eine wichtige Rolle. Aus diesem Grund haben sich die GRS-Forscherinnen und Forscher auch mit der Messung von Strahlung beziehungsweise natürlicher radioaktiver Stoffe in der Geothermieanlage befasst. Die sogenannte Dosisleistung – diese gibt die Intensität ionisierender Strahlung an – ist zum einen für den betrieblichen Strahlenschutz relevant. Zum anderen erlaubt sie Rückschlüsse darauf, welche Mengen natürlicher Radionuklide sich an welchen Teilen der Anlage angereichert haben. Diese auch als NORM (Naturally Occuring Radioactive Materials) bezeichneten Ablagerungen in Komponenten der Anlage bestimmen, wie diese Komponenten nach ihrer Nutzung entsorgt werden müssen.

Die Forscher der GRS haben deshalb ein Messsystem entwickelt, mit dem das Auftreten von inwandigen Ablagerungen durch eine Ermittlung der Dosisleistung bereits während des Betriebs der Anlage dokumentiert werden kann. Die zerstörungsfreie Messung der Dosisleistung kann als neues Element des Anlagenmonitorings in Echtzeit die Prozesse der Ablagerung von Scale, aber auch die Wirksamkeit von Gegenmaßnahmen nachweisen. „Wir waren selbst überrascht, wie rasch und sensitiv die von uns entwickelten Messysteme auf Änderungen in der Betriebsweise reagieren. Dabei freut uns auch, wie zuverlässig die Systeme gearbeitet haben. Jetzt sind wir auf der Suche nach einer weiteren Anlage, in der wir die Systeme testen können – zumal sie ohne viel Aufwand in Betrieb genommen werden können“, so Dr. Henrich Meyering, Mitarbeiter des Fachgebietes Umweltradioaktivität bei der GRS.

Als Ergänzung zur Messung der Dosisleitungen haben die Fachleute auch den Einsatz sogenannter Gammakameras getestet. Derartige Kameras kombinieren herkömmliche Bildaufnahmen mit einer Messung von Gammastrahlung. Die Messergebnisse werden dabei in Form farbiger Überlagerungen in dem Foto des gemessenen Gegenstands dargestellt. In zahlreichen Tests an Anlagenteilen und Abfallgebinden konnte gezeigt werden, dass vor allem punktuelle Ablagerungen in den zum Teil komplexen Leitungssystemen durch den Einsatz von Gammakameras leichter identifiziert werden können. In Verbindung mit der vergleichsweise einfachen Bedienung stellen die Kameras damit eine sinnvolle Ergänzung zu den bisher eingesetzten Messmethoden dar.


Radongehalt in Thermalwasser ermitteln

Neben der Entwicklung von Methoden zur Bestimmung relevanter chemischer Eigenschaften des Thermalwassers haben sich die GRS-Forscher auch mit der Messung von Radon befasst. Das radioaktive Edelgas entsteht beim Zerfall von Uran, welches, abhängig von der Region in unterschiedlicher Menge im geologischen Untergrund vorkommt. Bislang standen keine geeigneten Verfahren zur Verfügung, um den Radonwert in Geothermieanlagen kontinuierlich zu überwachen. 

Das liegt unter anderem an den Bedingungen, unter denen die Messungen dort stattfinden müssen: Im Rohrleitungssystem herrscht eine Temperatur von etwa 120 Grad Celsius und ein Druck von rund 20 bar. Im Rahmen von ANEMONA hat die GRS nun zwei Verfahren kombiniert, mit denen kurz hinter der Förderbohrung die Radonkonzentration fortlaufend ermittelt werden kann. Beim Praxistest am Standort in Bruchsal konnten mit dem neuen System entsprechende Messdaten erstmals während des laufenden Betriebs einer Geothermieanlage aufgezeichnet werden. Diese Daten tragen dazu bei, ein besseres Verständnis der geochemischen Eigenschaften des Thermalwasser-Reservoirs in einigen Tausend Metern Tiefe zu gewinnen.
 

Projekt-Highlights Umwelt und Energie