© GRS
Messgerät

Endlagerforschung: Studien zur Einwirkung von Wärme auf Tongestein

Tongestein, Salzgestein oder Granit – in einem dieser drei Wirtsgesteine soll in Deutschland ein Endlager für hochradioaktive Abfälle errichtet werden. Eine Million Jahre sollen die Abfälle dort sicher eingeschlossen werden. Im geowissenschaftlichen Labor der GRS wird in einem aktuellen Projekt erforscht, wie die eingelagerten Abfälle die Eigenschaften von Gesteinsformationen aus Ton verändern.

Hochradioaktive Abfälle entwickeln Wärme. Zurückzuführen ist das auf den Zerfall radioaktiver Atomkerne und kernphysikalische Prozesse, bei denen die durch den Zerfall freigesetzte Energie in Wärme umgewandelt wird. In einem Endlager wird diese Nachzerfallswärme durch Wärmeübertragung von den Behältern an das umgebende Tongestein übertragen, wodurch sich dieses ebenfalls mit der Zeit erwärmt. Die maximale Temperatur wird dabei etwa 1.000 Jahre nach der Einlagerung erreicht. Nach den aktuellen Vorgaben des Standortauswahlgesetzes soll an der Oberfläche der Abfalllagerbehälter eine Temperatur von 100 Grad Celsius nicht überschritten werden. Der Gesetzgeber hat diesen Grenzwert vorsorglich festgelegt, bis hierzu weitere Forschungsergebnisse vorliegen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Endlagerforschungszentrums der GRS untersuchen nun in einem ihrer aktuellen Forschungsprojekte, wie Tongestein durch die Wärmeentwicklung in einem Endlager beeinflusst wird. In dem von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) finanzierten Projekt wollen sich die Forscherinnen und Forscher dem Thema sowohl über Experimente im Labor als auch über numerische Simulationen nähern.

Warum eignet sich Tongestein für ein Endlager?

Tongestein kommt aus verschiedenen Gründen als Wirtsgestein für ein Endlager in Frage. Es zeichnet sich dadurch aus, dass Radionuklide an ihm haften bleiben. Fachleute sprechen dabei von Sorption, die auf die elektrisch geladenen Oberflächen der Tonminerale zurückzuführen ist. Außerdem besitzt Ton eine sehr geringe Durchlässigkeit. Nicht zuletzt wegen dieser Eigenschaften planen Länder wie die Schweiz oder Frankreich, Endlager für hochradioaktive Abfälle in Tongestein zu errichten. Auch im Norden und im Süden Deutschlands existieren nach Untersuchungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) potenziell geeignete Gesteinsformationen aus Tongestein.

Konzepte für generische Endlagerstandorte in Tongestein sehen eine Lagerung der Abfälle in einer Tiefe von etwa 700 bis 800 Metern vor. Demnach könnten die Lagerbehälter mit den radioaktiven Abfällen in Strecken oder in Bohrlöchern in einer rund 110 bis 130 Meter (Süddeutschland) oder 500 bis 600 Meter (Norddeutschland) mächtigen Schicht aus Tongestein eingelagert werden. Der Hohlraum zwischen Endlagerbehälter und Tongestein bzw. dem Streckenausbau würde nach heutigen Überlegungen mit Bentonit verfüllt werden. Bentonit ist eine spezielle Art von Tongestein mit einem besonders hohen Anteil an quellenden und sorbierenden Mineralen.

1. Schritt: Im Labor Prozesse im Endlager in Experimenten nachbilden

Aus vorangegangenen Forschungsprojekten wissen die Fachleute bereits einiges über die Prozesse im Tongestein. So löst die von den Abfällen entwickelte Wärme verschiedene Entwicklungen aus: Unter anderem dehnt sich der Ton stark aus, was die Poren im Tongestein verkleinert und den Durchfluss von Flüssigkeiten verringert. Gleichzeitig erhöht sich der Druck in der Gesteinsformation. Fachsprachlich werden alle diese Prozesse, die sich wechselseitig beeinflussen, als „thermisch-hydraulisch-mechanisch-chemische Prozesse“ – kurz: THMC – bezeichnet.

In dem aktuellen Projekt wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun noch genauer ermitteln, wie sich das Tongestein bei unterschiedlichen Temperaturen in einem Bereich zwischen 25 und 200 Grad verhält. Dabei untersuchen sie sowohl das Tongestein als auch das zum Abdichten eingesetzte Bentonit. Ziel ist es herauszufinden, ob die Veränderungen im Tongestein eine Rolle für die sogenannte „Integrität“ des Wirtsgesteins spielen. Damit ist gemeint, dass sich das Tongestein durch die verschiedenen Prozesse im Endlager nicht dahingehend verändert, dass es seine abdichtenden und rückhaltenden Eigenschaften verliert. Zum Verlust der Integrität könnte es beispielsweise kommen, wenn die Behälter nach einigen Tausend bis Zehntausend Jahren undicht werden und sich im Tongestein wegen eines ggf. vorhandenen Überdrucks eine Wegsamkeit bildet, durch die radioaktive Stoffe aus den Abfällen in die darüberliegenden wasserleitenden Gesteinsschichten gelangen könnten.

Dazu untersuchen die Forschenden die thermisch-hydraulisch-mechanisch gekoppelten Prozesse, indem sie im Labor in speziellen Behältern messen, wie sich die Durchlässigkeit und der Druck durch das Aufquellen des Tons bei steigenden Temperaturen verändert. Die Gerätschaften, die sie hierfür benötigen, stellen sie selbst in einem 3D-Drucker her oder lassen sie eigens für ein einzelnes Experiment anfertigen.

2. Schritt: Experimente mit Simulationscodes nachrechnen

Die Endlagerforschenden der GRS nutzen die Ergebnisse aus den Experimenten anschließend für die Entwicklung von Simulationscodes. Erst wenn ein Prozess vollständig verstanden ist, kann aus ihm ein Modell für einen Code abgeleitet werden.

Während im Labor nur punktuell untersucht werden kann, erlaubt die Simulation einen Einblick in alle möglichen Zustände (z.B. bei unterschiedlichen Temperaturen und zu verschiedenen Zeitpunkten). Im Projekt kommt dabei der Open-Source-Code Phreeq zum Einsatz. Als Datenbasis für die geochemische Modellrechnungen wird auf die thermodynamische Referenzdatenbasis THEREDA zurückgegriffen. THEREDA wird gemeinsam von verschiedenen Forschungsinstitutionen entwickelt und gepflegt. Auch dieses Projekt wird von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) finanziert.

Das Forschungsprojekt läuft noch bis Mitte 2021. Die Ergebnisse des Projekts werden anschließend veröffentlicht.

Weitere Informationen

>> GRS entwickelt Konzept für Sicherheitsnachweis für ein Endlager in Tonstein
>> Endlager in Tongestein: GRS entwickelt Modell zur Prognose von Gastransport
>> GRS-Bericht 525: Szenarienentwicklung für verschiedene Wirtsgesteine und Konzepte
>> GRS-Bericht 338: Methodik und Anwendungsbezug eines Sicherheits- und Nachweiskonzeptes für ein HAW-Endlager im Tonstein – Sicherheitskonzept und Nachweisstrategie
>> GRS-Bericht 306: Modelling Gas and Water Flow through Dilating Pathways in Opalinus Clay - The HG-C and HG-D Experiments

Projektinformationen

Titel: "Thermische Integrität von Ton und Tongesteinen – Experiment und gekoppelte THMC-Simulationen"
Zeitraum: 2020–2021
Laufzeit: 18 Monate
Auftraggeber: Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE)