Fusion - was steckt dahinter?
Weltweit wird an Möglichkeiten gearbeitet, diese Vision umzusetzen. Doch die Liste der technischen Herausforderungen, bis die Fusion in industriellem Maßstab nutzbar sein wird, ist lang. Bislang werden lediglich Großforschungsanlagen betrieben, die noch weit entfernt vom Ziel einer Nettoenergiegewinnung sind – noch verbrauchen sie beim Betrieb mehr Energie, als durch die Fusion entsteht.
Das Grundprinzip der Fusion: Was steckt dahinter?
Anders als bei der Kernspaltung (Fission) werden bei der Fusion leichte Atomkerne (z. B. Wasserstoff) unter Einsatz von Energie dazu gebracht, miteinander zu schwereren Atomkernen (z. B. Helium) zu verschmelzen. Beim Prozess des Verschmelzens wird eine große Menge Energie frei. Zum Beispiel gewinnen Sterne wie die Sonne ihre Energie aus Kernfusion. Bei der Reaktion von Deuterium mit Tritium (beides Wasserstoff-Isotope) werden beispielsweise ein Alpha-Teilchen (Heliumkern) und ein Neutron mit großer kinetischer Energie frei. Die Deuterium-Tritium-Reaktion ist von besonderem Interesse, da die Voraussetzungen für diese Reaktion technologisch in einer technischen Anlage am ehesten umsetzbar sind. Sie wird daher für den Fusionsprozess favorisiert.
Von der Fusionsenergie zum Strom aus der Steckdose
Das beim Fusionsprozess freiwerdende Neutron trägt den größten Anteil der entstehenden Energie (etwa 80 Prozent). Diese Energie soll im sogenannten Blanket (innere Auskleidung der Vakuumkammer) weitgehend in Wärme umgesetzt werden, welche dann mit Hilfe eines konventionellen Wasser-Dampf-Kreislaufs mit angehängtem Generator in elektrische Energie umgewandelt wird. Laut Angaben des Max-Planck Instituts für Plasmaphysik könnte ein Gramm Brennstoff etwa 90.000 Kilowattstunden (kWh) Energie erzeugen. Das entspricht der Verbrennungswärme von 11 Tonnen Steinkohle.
Bedingungen für die Fusion
Die sogenannte Coulomb-Kraft sorgt dafür, dass sich zwei positiv geladene Atomkerne abstoßen. Dies stellt für den Prozess der Fusion eine Barriere dar, die überwunden werden muss. In Fusionskraftwerken werden mit Hilfe von Druck und Temperatur Bedingungen geschaffen, dass die Kerne sich trotz dieser Abstoßung so weit annähern, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verschmelzung steigt. Beispielsweise verschmilzt Wasserstoff im Zentrum der Sonne bei einem Druck von 200 Milliarden bar und 15 Millionen Kelvin zu Helium. Ein Maß für diese Wahrscheinlichkeit ist der sogenannte Wirkungsquerschnitt. Dieser ist abhängig von der Energie der Teilchen, die aufeinanderprallen. Sobald diese Abstoßung überwunden ist, sorgt die starke Wechselwirkung zwischen den Kernen dafür, dass die Kerne verschmelzen, also fusionieren.
Plasma
Der Zustand, in dem sich die Materie unter den Bedingungen, die für die Fusion notwendig sind, befindet, nennt sich „Plasma“. Er wird auch als vierter Aggregatszustand bezeichnet. Hierbei ist ein gewisser Anteil der Atome (bei dem hier betrachteten Brennstoffgemisch sind dies Wasserstoffisotope) ionisiert, also positiv geladen, wobei einige Elektronen (im Falle von Wasserstoffisotopen ist es nur ein einziges) nicht mehr an die Atomhülle gebunden sind.
Lawson-Kriterium
Insbesondere im Hinblick auf eine industrielle Nutzung gilt das sogenannte Lawson-Kriterium als entscheidende Richtgröße für eine sich selbst erhaltende Fusionsreaktion. Ob das Lawson-Kriterium erfüllt wird, hängt von der Temperatur, der Dichte und der Einschlusszeit des Plasmas ab. Die Einschlusszeit ist die spezifische Zeit, nach der die Wärme im Plasma verloren geht. Erst dann kann sich die Fusionsreaktion von selbst erhalten.
Die Erfüllung des Lawson-Kriteriums lässt sich prinzipiell auf zwei Arten realisieren: zum einen durch eine möglichst lange Einschlusszeit bei relativ geringer Dichte, zum anderen durch eine möglichst große Dichte und eher kurzer Einschlusszeit.
Magnetfusion und Trägheitsfusion – die zwei wesentlichen Konzepte
Der erste Ansatz wird durch den Einschluss des Plasmas in einem Magnetfeld erreicht. Hierbei kann die Dichte vergleichsweise geringe Werte annehmen, die Einschlusszeit lässt sich jedoch, wenngleich auch mit erheblichem Aufwand, verlängern. Dabei handelt es sich um sogenannte magnetisch eingeschlossene Fusionsplasmen, die unter dem Konzept magnetic fusion energy (MFE) firmieren.
Die zweite Idee besteht darin, eine Brennstoffkapsel mit hoher Brennstoffdichte, aber kurzer Einschlusszeit, auf die Fusionsbedingungen zu erhitzen. Die meisten Konzepte zu diesem sogenannten Trägheitseinschluss basieren auf dem Beschuss einer Brennstoffkapsel mit Laserstrahlen, wobei die äußersten Schichten der Kapsel sehr schnell verdampfen. Die daraus resultierende Reaktionskraft bringt die Brennstoffpille zur Implosion, so dass im Zentrum die Fusionsbedingungen erreicht werden. Dieser Ansatz wird unter dem Begriff inertial fusion energy (IFE) oder inertial confinement fusion (ICF) gefasst.
In der Fusionsforschung gilt die MFE grundsätzlich als deutlich weiterentwickelt, wenngleich auch die aktuellen Fortschritte in der IFE es jüngst vermehrt in die Schlagzeilen geschafft haben.
Magnetisch eingeschlossene Fusionsplasmen – Magnetfusion
Bei der MFE geht es darum, ein ionisiertes Gas in einen Magnetfeldkäfig einzusperren. Geladene Teilchen können jedoch nur senkrecht zu den Magnetfeldlinien eingefangen werden, längs zu ihnen können sie sich weiterhin frei bewegen. Für einen vollständigen Einschluss werden bei den gängigsten Konzepten der Magnetfusion (siehe Abbildung 1) beide Enden einer Anordnung zusammengeführt, so dass eine ringförmige Anordnung entsteht, ähnlich der Form eines Donuts.
Die Teilchen bewegen sich innerhalb dieser kreisförmigen Apparatur und werden aufgrund der Magnetfeldlinien von den Wänden weitgehend ferngehalten. Ein Kontakt des Plasmas mit den Behälterwänden würde zum sofortigen Abkühlen des Plasmas und somit zum Ende des Fusionsprozesses führen.
Der Einschluss des ionisierten Gases in einem Magnetfeldkäfig ist möglich, weil die Geschwindigkeitskomponente geladener Teilchen senkrecht zum Magnetfeld der sogenannten Lorentzkraft unterliegt, sodass dort eine Ablenkung erfolgt. Letztlich bewegen sich die Teilchen in Spiralbahnen (fachsprachlich: gyrieren) um die Magnetfeldlinien herum. Dabei können sie sich, vereinfacht gesagt, parallel, nicht aber senkrecht zum Magnetfeld bewegen. Um diese einzuschließen, sind die Teilchen am Ende einer Apparatur mit Hilfe sogenannter Spiegelmaschinen zu reflektieren oder man führt beide Enden einer Anordnung wieder zusammen, sodass eine torusförmige Anordnung entsteht – vergleichbar mit einem Rettungsring oder Donut. Somit würden sich die Teilchen zwar immer noch entlang der Magnetfeldlinien bewegen, jedoch tun sie dies innerhalb der kreisförmigen Apparatur und werden von den kalten Wänden ferngehalten. Ein Kontakt des Plasmas mit den Behälterwänden würde zum sofortigen Abkühlen des Plasmas und somit zu einem Zusammenbruch des Fusionsprozesses führen.
Bei genauerer Betrachtung vollführen Teilchen tatsächlich jedoch auch senkrecht zu den Magnetfeldlinien eine Bewegung, die man Drift nennt. Hierbei gibt es verschiedene Arten von Driften, die meist nach ihrer Ursache benannt sind. So gibt es eine ExB-Drift, die auf die Existenz von elektrischen Feldern (E) zurückzuführen ist, oder eine diamagnetische Drift, die von einem Druckgradienten (Ñp) herrührt. Genau diese führt zu einer Ladungstrennung, die ein elektrisches Feld erzeugt, das wiederum zu einer ExB-Drift der Teilchen führt, sodass das Plasma aus dem Einschlussbereich zu verschwinden droht. Um dies auszugleichen, sind die Magnetfeldlinien in einer torusähnlichen Plasmakammer entlang der Kammer schraubenförmig verdrillt, so dass sich die Ladungstrennung über sogenannte Pfirsch-Schlüter-Ströme abbauen können.
Es gibt zwei wesentliche Ansätze, um die MFE technisch umzusetzen: den von I. E. Tamm und A. D. Sacharov konzipierten Tokamak und den von Lyman Spizer in den USA erdachten Stellarator.
Tokamak
Der erste Tokamak (russ. Akronym für toroidale Kammer in Magnetspulen) wurde in der ehemaligen Sowjetunion umgesetzt. Das Charakteristische eines Tokamaks ist seine ringförmige Vakuumkammer, (siehe Abbildung 1) die von kreisförmigen (toroidalen) Magentfeldspulen eingefasst ist.
Die Verdrillung der Magnetfeldlinien wird im Tokamak dadurch bewerkstelligt, dass in der Kammer ein Plasmastrom getrieben wird, dessen eigenes Magnetfeld (poloidal) sich mit dem Magnetfeld der Spulen (toroidal) überlagert. Der Plasmastrom wiederum wird durch den zentralen Transformator getrieben, der über eine sich zeitlich verändernde Magnetfeldstärke eine Spannung induziert. Dieses zeitlich veränderliche Magnetfeld wird durch einen Strom im Transformator erzeugt, welcher in seiner Stärke begrenzt ist. Ist die höchste Stromstärke erreicht, muss der Transformator abgeschaltet werden und von Neuem mit dem Stromhub beginnen. Diesem Umstand ist es geschuldet, dass ein Tokamak nicht durchgehend Strom erzeugt, sondern „gepulst“, jeweils immer nur für mehrere Minuten. Aktuell widmet sich die Forschung deshalb insbesondere der Frage, wie sich diese Pulssequenzen verlängern lassen oder sich sogar ein Dauerbetrieb umsetzen lässt, um eine kontinuierliche Stromerzeugung zu erhalten.
ITER
Ein bekanntes Beispiel für ein Tokamak-Konzept ist das Fusionsprojekt ITER (ursprünglich für: International Thermonuclear Experimental Reactor), in dem sich 35 Länder zu Forschungszwecken zusammengeschlossen haben. Die gleichnamige experimentelle Fusionsanlage befindet sich seit 2007 in Cadarache in Südfrankreich im Bau. Das erste Fusionsplasma ist 2035 geplant.
Parallel zu ITER wird bereits intensiv an Konzepten für eine Nachfolge-Demonstrationsanlage (kurz: DEMO) gearbeitet. Mit deren Hilfe soll sowohl die Wirtschaftlichkeit der Anlage demonstriert werden als auch die Funktion des geschlossenen Brennstoffkreislaufs (in Form des Erbrütens der Brennstoffkomponente Tritium) nachgewiesen werden. DEMO-Anlagen sind bis zum „Nachweis“ der kommerziellen Nutzung üblicherweise in öffentlicher Hand.
JET
JET (Joint European Torus) war das größte Tokamak-Experiment der Welt und befindet sich in Culham im Vereinigten Königreich. Unter der Leitung von EUROfusion wurde JET von mehr als 31 europäischen Forschungseinrichtungen gemeinsam genutzt. Der JET war eine der wenigen Anlagen, die dafür geeignet war, die favorisierte Brennstoffpaarung Deuterium-Tritium aufzunehmen, sodass Fusionsplasmen erzeugt werden können. Am 9. November 1991 konnte so erstmalig kurzzeitig ein Fusionsplasma mit einer Leistung von 1,7 Megawatt (MW) erreicht werden. In mehreren Versuchskampagnen konnte die Leistung auf 16 MW gesteigert werden. Die Anlage ist nach 40 Jahren und mehreren Rekorden hinsichtlich der Fusionsleistung und der Pulsdauer Ende 2023 außer Betrieb gegangen.
ASDEX-Upgrade
In Deutschland wird die Großforschungsanlage ASDEX-Upgrade vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik betrieben. Sie ist eine ertüchtigte Variante des Tokamak ASDEX (axialsymmetrisches Divertor-Experiment), die 1991 in Betrieb gegangen ist. Mit ASDEX-Upgrade sollen grundlegende Fragen der Fusion unter kraftwerksähnlichen Bedingungen (u. a. hinsichtlich Plasmaeigenschaften, Belastungen der Wände) untersucht werden und auf diese Weise die physikalischen Grundlagen für ITER und DEMO erarbeitet werden.
Weitere Tokamak-Konzepte
Auch bei JT-60SA (J: Japan, T: Tokamak) handelt es sich um eine Tokamak-Forschungsanlage. Sie wird von einem Zusammenschluss japanischer und europäischer Organisationen im japanischen Naka betrieben. Bis zur Fertigstellung des ITER ist der JT-60SA der weltweit größte Tokamak, mit dem im Oktober 2023 erstmals Plasma erzeugt werden konnte. Im Gegensatz zum ITER kommt beim JT-60SA leichter Wasserstoff und Deuterium anstelle eines Tritium-Deuterium-Gemisches zum Einsatz. Die Forschung konzentriert sich hierbei auf die Plasmaphysik. Ein weiteres Tokamak-Experiment wird mit KSTAR (Korea Superconducting Tokamak Advanced Research) in Südkorea betrieben.
Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA entwickelt zusammen mit dem Startup Commonwealth Fusion Systems (CFS) die Fusionsdemonstrationsanlage SPARC (soonest/smallest private-funded, affordable, robust, compact). Er basiert auf Hochtemperatur-Supraleitermagneten (HTC, hight temperature superconductor). Diese ermöglichen einen höheren Grenzstrom und damit ein höheres Magnetfeld, welches dazu führen soll, zukünftige Anlagen kleiner und preiswerter bauen zu können.
Der sogenannte spherical Tokamak ist eine weitere Variante des Tokamak. Er weist annähernd Kugelsymmetrie auf und ist bei ähnlicher Leistung insgesamt kleiner als andere Tokamak-Anlagen. Zu diesem Typ zählen die Experimentalanlagen MAST (mega ampere spherical Tokamak) beziehungsweise MAST-Upgrade in Großbritannien. Für den spherical Tokamak wird derzeit ein Demonstrationskraftwerk konzipiert (STEP – spherical Tokamak for Energy Production), das in den 2040ern ans Netz gehen soll.
China meldete im Sommer 2023, dass der Forschungsreaktor HL-3 (mit sogenanntem Hocheinschlussmodus, kurz: H-Modus) erstmals mit einem Plasmastrom von 1 Million Ampere arbeitete – was einen Rekord für Chinas Kernfusionsanlagen mit magnetischem Einschluss darstellte. Der H-Modus gewährleistet im Vergleich zum „Vorgänger“ L-Modus (Low-Confinement Mode) einen besseren Einschluss des Plasmas und ist damit energetisch günstiger. Er wird auch der Standardbetriebsmodus für den in Bau befindlichen ITER sein.
Stellarator
Stellaratoren unterscheiden sich von den Tokamaks im Wesentlichen durch die Anordnung und Form der Magnetspulen (siehe Abbildung 1), die für die Verdrillung der Magnetfeldlinien sorgt. So wird beim Projekt Wendelstein 7-X in Greifswald – der weltweit größten Fusionsanlage vom Typ Stellarator – das Magnetfeld von 50 speziell geformten, supraleitenden Magnetspulen erzeugt. „In einem Stellarator wird die schraubenförmige Verdrillung der magnetischen Feldlinien ausschließlich durch äußere Spulen erzeugt. Ein Stellarator kommt also ohne einen Längsstrom im Plasma und damit ohne Transformator aus,“ beschreibt das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) auf seiner Webseite die Besonderheiten. Anders als beim Tokamak soll dadurch der Dauerbetrieb einer Fusionsanlage ermöglicht werden.
Proxima Fusion, eine Ausgründung des IPP, plant Fusionskraftwerke zu bauen, die auf quasi-isodynamischen (QI) Stellaratoren mit Hochtemperatur-Supraleitern basieren. Ausgangslage bilden demnach die „bahnbrechenden“ Ergebnisse an der Anlage Wendelstein 7-X.
Trägheits-/Laserfusion
Im Gegensatz zu den Magnetkonfigurationen, wie sie beim Tokamak und Stellarator zum Einsatz kommen, wirken bei der Laserfusion starke Laserpulse auf eine kleine Kapsel, die mit Fusionsbrennstoff gefüllt ist (z. B. Deuterium und Tritium), ein. Dadurch verdampft die Oberfläche und löst sich ab, wodurch eine Reaktionskraft erzeugt wird, die das Pellet so stark komprimiert, dass in seinem Inneren die Bedingungen für eine Fusionszündung erreicht werden. Der dadurch entstehende „hot spot“ verbreitet sich in die noch unverbrannten Bereiche der Brennstoffkapsel, so dass der weitere Abbrand ohne zusätzliche Energiezufuhr von außen erfolgen kann.
Unterschieden wird hierbei zwischen dem direkten und indirekten Antrieb. Ersterer funktioniert über einen direkten Beschuss der Brennstoffkapsel mit Laserpulsen. Beim indirekten Antrieb hingegen befindet sich die Brennstoffkapsel in einem Hohlraum. Die Laserstrahlen treffen zunächst auf die Innenseite dieses Hohlraums und erzeugen dort Röntgenstrahlen, von denen die Brennstoffkapsel dann homogen von allen Seiten bestrahlt wird. In diesem sogenannten Strahlungsbad kommt es ebenfalls zu einer Verdampfung der Oberfläche der Brennstoffkapsel (Ablation). Dieser indirekte Prozess ist mit relativ großen Verlusten behaftet. Eine Kraftwerksanlage könnte wirtschaftlich betrieben werden, wenn dieser Implosionsprozess im Bereich einer Frequenz von 10 Hertz (entspricht 10 Implosionen pro Sekunde) stattfinden würde. Eine solche Frequenz bedeutete einen quasi-kontinuierlichen Betrieb. Bisherige Anlagen sind jedoch reine „Einzelschussanlagen“ (single shot), bei denen die Brennstoffkapsel sich an einem Probenhalter befindet, wohingegen die Kapseln in einem Kraftwerk mit der genannten Frequenz in die Reaktionskammer eingeschossen werden müssten.
Ein Beispiel für eine solche single shot Anlage ist die National Ignition Facility (NIF) des Lawrence Livermore National Laboratory in den USA (siehe Abbildung 4). Die Anlage wird hauptsächlich zur Kernwaffenforschung betrieben.
Ende 2022 vermeldete das Lawrence Livermore National Laboratory, dass sie in einem ihrer Experimente zur Trägheitsfusion erstmals mehr Energie erzeugen konnten (3 Megajoule, MJ), als sie zum Start der Reaktion mittels Laserimpulse (2 MJ) einbringen mussten (siehe: Lawrence Livermore National Laboratory). Bezogen auf den Gesamtenergiebedarf, den die Anlage zum Betrieb allerdings benötigt, handelt es sich bei dieser Menge an erzeugter Fusionsenergie jedoch nach wie vor nur um einen Bruchteil (etwa ein Prozent).
Ebenfalls für den Zweck der Kernwaffenforschung wird die Anlage Laser Mégajoule (LMJ) in Frankreich betrieben. Dort sollen aber auch Aspekte untersucht werden, die für ein Fusionskraftwerk relevant sind, zum Beispiel die Demonstration von direktem und indirektem Antrieb der Fusionsreaktionen.
Herausforderungen der Fusion
Die Entwicklung von Fusionsanlagen im großen industriellen Maßstab wird einerseits angetrieben vom Wunsch nach mehr Unabhängigkeit von den konventionellen Energieträgern – insbesondere Kohle, Gas und Kernenergie aus Kernspaltung – und andererseits von dem nahezu unerschöpflichen Energiepotenzial dieser Technologie, das dazu beitragen kann, dem weltweit steigenden Energiebedarf gerecht zu werden. Dennoch zeigen die bisherigen Forschungsarbeiten zur Fusion, dass es bis zur kommerziellen Nutzung der Technologie noch ein weiter Weg ist. Die Herausforderungen liegen hierbei jedoch vornehmlich auf technischen Aspekten, zum Beispiel was die Alterung des Materials betrifft. Das physikalische Prozessverständnis hingegen gilt für den Einsatz der Technologie als ausreichend erforscht.
Zu den Herausforderungen zählt etwa die Beherrschung der zahlreichen Plasmainstabilitäten – vereinfacht gesagt Störungen –, die den magnetischen Käfig zunächst verformen und bis zum Abbruch der Plasmaentladung und damit der Energieerzeugung führen können. Eine weitere Herausforderung ist es, einen möglichst kontinuierlichen Betrieb eines Fusionskraftwerks zu erreichen.
Tritium, welches Brennstoffbestandteil ist, erfordert besondere Vorsichtsmaßnahmen bei der Handhabung und Lagerung. Hinzu kommt, dass der Nachweis effizienter Methoden zur Herstellung von Tritium erst noch erbracht werden muss: Das Tritium muss in einer Fusionsanlage kontinuierlich neu erbrütet werden (sog. geschlossener Brennstoffkreislauf), wohingegen Deuterium aus Wasser gewonnen werden kann.
Ein weiterer Aspekt ist die Neutronenstrahlung, die beim Prozess der Kernfusion emittiert wird (siehe auch erster Abschnitt zu Stromgewinnung). Die beim Fusionsprozess freiwerdenden Neutronen werden im Blanket von Atomkernen der Strukturmaterialien eingefangen. Dies ist einerseits gewünscht, da über den Neutroneneinfang die Brennstoffkomponente Tritium erbrütet werden soll, jedoch führt der Einfang an Strukturmaterialien auch zur Alterung und zur Aktivierung dieser Materialien (vgl. Aktivierung). Die eingesetzten Materialien müssen deshalb so gestaltet sein, dass sie der Neutronenstrahlung standhalten und diese bestenfalls abschirmen.
Die Alterung der Materialien und der Verbrauch des Lithiums führen dazu, dass das Blanket in der Kraftwerkslebenszeit mehrere Male getauscht werden muss. Um das Altern der Materialien zu beherrschen beziehungsweise zu minimieren, sind noch weitere Forschungsanstrengungen notwendig. Dies gilt sowohl für die Laser- wie auch für die Magnetfusion. In Granada (Spanien) ist der Bau einer Bestrahlungsanlage geplant, in der Werkstoffe auf genau diese Eigenschaften hin untersucht werden sollen (siehe auch: International Fusion Materials Irradiation Facility – Demo Oriented Neutron Source (Ifmif Dones)).
Und nicht zuletzt spielt natürlich bei allen Erwägungen im Hinblick auf die Fusionsenergie auch die Wirtschaftlichkeit (Bau, Wartung, Strompreis etc.) eine Rolle. Entscheidend ist unter anderem die Frage, inwieweit die Ergebnisse aus den aktuell geplanten experimentellen Fusionsanlagen auf größere, kommerzielle Anlagen übertragen werden können. Dies ist der Bereich, in dem sich die DEMO-Konzepte bewegen.
Trotz dieser Herausforderungen sind die Fortschritte in der Fusionsforschung vielversprechend und es wird seitens der internationalen Forschungsgemeinschaft weiterhin intensiv an der Überwindung dieser eher technischen denn prinzipiellen Hürden gearbeitet.
Sind Fusionskraftwerke sicherer als Kernkraftwerke?
Das Gefährdungspotenzial, das von Fusionsanlagen ausgeht, wird im Vergleich zu Reaktoren, die Kernspaltung zur Energiegewinnung nutzen, als erheblich geringer angesehen. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Art und Menge des radioaktiven Inventars, das bei einem Unfall freigesetzt werden könnte.
Bei der Kernspaltung werden schwere Atomkerne wie das Uran-235 gespalten. Übrig bleiben leichtere Kerne, sogenannte Spaltprodukte. Darüber hinaus entstehen Aktinide (z. B. Plutonium) durch Brutreaktionen. Diese sind zu großen Teilen hochradioaktiv und erzeugen auch nach Beendigung der Kettenreaktion noch eine hohe Nachzerfallsleistung, die abgeführt werden muss. Gelingt dies nicht, etwa weil keine ausreichende Kühlung zur Verfügung steht oder weitere Notfallmaßnahmen nicht greifen, kann ein Reaktorkern schmelzen. Abhängig vom Unfallverlauf können dann Radionuklide an die Umwelt freigesetzt werden.
Bei der Fusion entstehen keine Spaltprodukte und Aktinide. Das Ergebnis der Fusion zweier Wasserstoffkerne ist ein nicht-radioaktiver Heliumkern. Aktiviert werden nur Kraftwerkskomponenten. Das Aktivitätsinventar einer Fusionsanlage besteht neben den aktivierten Komponenten aus Stäuben, die durch Erosion der dem Plasma zugewandten Wände (u. a. Blanketwand) entstehen und aktivierten Korrosionsprodukten im Kühlmittel. Darüber hinaus trägt der radioaktive Fusionsbrennstoff Tritium zum Gesamtinventar bei.
Bei der Kernspaltung werden Transurane wie zum Beispiel Plutonium erbrütet, welches eine Halbwertszeit von 24.000 Jahren hat. Bei der Kernfusion werden keine solch langlebigen Abfälle erzeugt. Man geht hier entsprechend auch von einer deutlich geringeren Zeitspanne aus, für die eine sichere Lagerung dieser Abfälle erforderlich sein wird. Die anfallenden Abfallmengen sind jedoch erheblich größer als die, die aus der Kernspaltung resultieren. Es ist daher geplant, dieses Material zu rezyklieren, nachdem die Strahlung ausreichend abgeklungen ist.
Als weiterer Vorteil der Kernfusion gegenüber der Kernspaltung wird angeführt, dass bei der Kernfusion keine unkontrollierte Kettenreaktion auftreten kann. Um eine Kernfusion aufrechtzuerhalten, muss die Stabilität des Plasmas gewährleistet sein, zum Beispiel durch die Aufrechterhaltung des Magnetfeldes. Dies bedarf eines immensen Aufwands. Kommt es hierbei zu Störungen oder Abweichungen und das Plasma kommt in Kontakt mit der Wand des Blankets, würde die Fusion sofort von selbst stoppen. Ein „Durchgehen“ des Reaktors, wie bei dem Reaktivitätsunfall in Tschernobyl beispielsweise, ist aus physikalischen Gründen daher ausgeschlossen.
Das macht die GRS zum Thema Fusion
Die GRS hat sich bereits mit unterschiedlichen Aspekten der Fusionsenergie befasst. So wurde beispielsweise in einem Projekt im Auftrag der Europäischen Kommission (EU) zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) der regulatorische Rahmen für Fusionsanlagen betrachtet. Auch sind in Kooperation mit dem KIT bereits mehrere Stör- beziehungsweise Unfallsimulationen mit dem in der Kerntechnik verwendeten Integralcode MELCOR durchgeführt worden.
In einem weiteren Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) standen sicherheitstechnische Fragestellungen im Vordergrund. Der Schwerpunkt lag dabei auf den in DEMO-Konzepten vorgesehenen Systemen und Maßnahmen zur Gewährleistung der grundlegenden und ausgewählten unterstützenden Sicherheitsfunktionen.