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Eine Hand stoppt eine Reihe umfallender Dominosteine

Basiswissen nuklearer Notfallschutz

Der Begriff „nuklearer Notfallschutz“ umfasst alle Maßnahmen, die nach einem kerntechnischen oder radiologischen Unfall die Ausbreitung radioaktiver Stoffe verhindern oder eindämmen. Ziel der Maßnahmen ist, Menschen und Umwelt vor den schädlichen Wirkungen ionisierender Strahlung zu schützen.

Die Aufgabe der Notfallvorsorge wird zum einen durch die präventiven Planungen der Betreiber kerntechnischer Anlagen über den anlageninternen Notfallschutz erfüllt. Zum anderen planen die zuständigen Behörden auf regionaler, Landes- und Bundesebene Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung außerhalb von Anlagen. Dieser Teil der Notfallvorsorge wird als anlagenexterner Notfallschutz bezeichnet.

Anlagenexterner Notfallschutz

Der anlagenexterne Notfallschutz umfasst sowohl die Maßnahmen des Katastrophenschutzes zur unmittelbaren Gefahrenabwehr als auch Maßnahmen, die auf einen längerfristigen Schutz vor gesundheitlichen Risiken abzielen. 

Maßnahmen des Katastrophenschutzes

Zu den frühen Schutzmaßnahmen des Katastrophenschutzes gehören:

  • die Aufforderung zum Aufenthalt in geschlossenen Räumen: Damit soll die Aufnahme freigesetzter radioaktiver Stoffe aus der Luft verhindert werden. Da die Mauern des Gebäudes ionisierende Strahlung abschirmen, wird dadurch auch die direkte Einwirkung der Strahlung vermindert. Nach der Notfalldosiswerteverordnung gilt diese Maßnahmen als angemessen, wenn eine effektive Dosis von zehn Millisievert für eine Person zu erwarten wäre, die sich ohne Schutzmaßnahmen über sieben Tage im Freien aufhielte. Eine Aufforderung zum Verbleib in Gebäuden kommt auch in Betracht, wenn die Zeit bis zu einer erwarteten Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Umwelt nicht ausreicht, um ein bestimmtes Gebiet zu evakuieren.
  • die Evakuierung besonders betroffener Gebiete: Diese Maßnahme kommt in Betracht, wenn beim Aufenthalt im Freien über sieben Tage ohne Schutzmaßnahmen eine effektive Dosis von mehr als 100 Millisievert zu erwarten wäre.
  • die Jodblockade: Darunter wird die Verteilung und Einnahmeempfehlung von speziellen Jod-Tabletten verstanden. Die Tabletten sollen verhindern, dass sich während des Unfalls freigesetztes radioaktives Jod in der Schilddrüse anreichert. Eine Jodblockade wird für Menschen bis 45 Jahren empfohlen, wenn bestimmte Werte für die sogenannte Organdosis der Schilddrüse erwartet werden. Wichtig für die Wirksamkeit der Jodblockade ist, dass die Tabletten erst dann eingenommen werden, wenn dies von den zuständigen Behörden empfohlen wird. Dies soll sicherstellen, dass die Sättigung der Schilddrüse mit nicht radioaktivem Jod maximal ist, wenn die radioaktive Wolke über das entsprechende Gebiet zieht. 

Die Katastrophenschutzmaßnahmen werden rund um jede kerntechnische Anlage vorgeplant. Im Ernstfall erleichtert eine gute Planung den reibungslosen Ablauf von Maßnahmen. 

Die Einteilung der Planungszonen und die entsprechenden Maßnahmen stellen sich wie folgt dar:

  • Zentrale Zone > bis zu 5 Kilometern um die jeweilige Anlage: Für diesen Bereich sind Evakuierungen, die Aufforderung zum Aufenthalt in Gebäuden und die Jodblockade vorgeplant. Sowohl eine Evakuierung als auch eine Verteilung von Jod-Tabletten sollen in dieser Zone innerhalb von sechs Stunden nach der Alarmierung abgeschlossen sein können.
  • Mittlere Zone > zwischen 5 und 20 Kilometern um die jeweilige Anlage: Die Planungen entsprechen im Wesentlichen denen für die zentrale Zone. Allerdings muss eine Evakuierung erst nach spätestens 24 Stunden, eine Verteilung von Jod-Tabletten spätestens 12 Stunden nach Alarmierung abgeschlossen sein können.
  • Äußere Zone reicht von 20 bis zu 100 Kilometern um die jeweilige Anlage: Die Planungen für diesen Bereich sollen eine fortlaufende Überwachung der radiologischen Situation sicherstellen. Konkret bedeutet dies, dass vor allem die Radioaktivität in der Umwelt kontinuierlich überwacht und die daraus folgende Strahlenbelastung für die dort befindlichen Menschen ermittelt wird. Außerdem werden Vorkehrungen für eine Verteilung von Jod-Tabletten und die Aufforderung zum Aufenthalt in Gebäuden getroffen.
  • Gesamte Bundesrepublik: Jod-Tabletten für Kinder, Jugendliche und Schwangere sind in der gesamten Bundesrepublik an zentralen Stellen vorrätig, damit sie zeitnah verteilt werden können.

Welche weiteren Schutzmaßnahmen gibt es?

Weiterhin gibt es Maßnahmen, die den Umgang mit kontaminierten Produkten, Gegenständen, Oberflächen oder Materialien betreffen und darauf abzielen, dass die in die Umwelt freigesetzten radioaktiven Stoffe vom Menschen ferngehalten werden. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Messungen der Radioaktivität in der Luft, in Böden, in Nahrungsmitteln, im Trinkwasser sowie in Abfällen. Die Ergebnisse dieser Messungen bilden die Grundlage dafür, Lebensmittel aus belasteten Gebieten vom Handel auszunehmen, die Nutzung von Flächen für die Landwirtschaft auszuschließen oder spezielle Schutzvorkehrungen für Arbeitskräfte vorzusehen.

Wer ist wofür zuständig?

Die Zuständigkeiten in Deutschland sind durch das Grundgesetz festgelegt. Dabei fallen bestimmte Zuständigkeiten dem Bund direkt zu, einige Bundesaufgaben werden von den Bundesländern im Auftrag des Bundes übernommen und wieder andere Zuständigkeiten liegen in der Verantwortung der Bundesländer. Auf Landesebene werden diese Zuständigkeiten teilweise auf andere Verwaltungsebenen übertragen.

Die allgemeine Gefahrenabwehr liegt in der Regel im Zuständigkeitsbereich lokaler Behörden, wie der Polizei oder der Feuerwehr. Bei Ereignissen mit besonderen Gefahren, wozu die ionisierende Strahlung zählt, werden diese lokalen Behörden von Fachbehörden unterstützt.

Da bei einem kerntechnischen Unfall von einer Großschadenslage mit einem hohen Koordinationsaufwand ausgegangen wird, sind hier die Katastrophenschutzbehörden für die Gefahrenabwehr zuständig. Die Katastrophenschutzbehörden dürfen großflächig agieren und damit auch die Entscheidung über die oben genannten, stark in das Leben der Bevölkerung eingreifenden Katastrophenschutz-Maßnahmen treffen. Es liegt in ihrer Verantwortung, die Bevölkerung zu informieren und entsprechende Verhaltensempfehlungen zu geben.

Auf Bundesebene liegt die Zuständigkeit für den Schutz vor ionisierender Strahlung in dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Das Bundesumweltministerium ist deshalb u. a. ermächtigt, radiologische Kriterien für verschiedene Maßnahmen festzulegen, an die die für die Gefahrenabwehr zuständige Behörde gebunden ist. Das Ministerium selbst ist zudem für die Information der Bevölkerung, für Verhaltensempfehlungen sowie für den Informationsaustausch mit dem Ausland zuständig. Das Bundesumweltministerium oder eine im Auftrag des Bundes agierende Landesbehörde bewertet die nukleare oder radiologische Gefahrenlage und informiert die für die zuständigen Behörden entsprechend. 

Die festgelegten Dosis- oder Kontaminationswerte gelten als radiologische Kriterien für die Angemessenheit einer Schutzmaßnahme bzw. als Kriterien für das Vorliegen einer Gefahr. Die jeweils zuständige Behörde (z. B. das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft für den Bereich der Lebensmittel) sorgt dann für die Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen. 

Radiologisches Lagezentrum des Bundes

Das radiologische Lagezentrum des Bundes (RLZ) ist ein vom Bundesumweltministerium eingerichtetes Lagezentrum. Es unterstützt den Bund und die Länder bei ihrer Arbeit. Unter der Leitung des Bundesumweltministeriums werten darin das Bundesamt für Strahlenschutz und die GRS alle verfügbaren Informationen zum Geschehen aus, erstellen Prognosen zum weiteren Verlauf und den möglichen radiologischen Folgen. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben wird das radiologische Lagezentrum außerdem durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung unterstützt.