AnTeS – Analyse- und Testsystem für digitale Leittechnik in kerntechnischen Anlagen

Die GRS betreibt mit AnTeS eine Plattform zum Analysieren und Testen digitaler Leittechniksysteme, wie sie beispielsweise in Kernkraftwerken und Forschungsreaktoren eingesetzt werden. Forschende können innerhalb von AnTeS virtuelle und reale Systeme miteinander kombinieren, um digitale Leittechniksysteme zu untersuchen und Methoden zu deren Bewertung zu entwickeln.

Die Leittechnik in kerntechnischen Anlagen umfasst sämtliche elektronische Einrichtungen, die messen, steuern, regeln oder überwachen. Gemeinsam mit dem Bedienpersonal bilden sie somit das „zentrale Nervensystem“ eines Kernkraftwerks.  Betriebliche Leittechniksysteme übernehmen hierbei automatisierte Steuerungsfunktionen und unterstützen das Bedienpersonal dabei, seine Aufgaben durchzuführen. Sicherheitsleittechniksysteme (z.B. Reaktorschutzsysteme) haben hingegen vor allem die Aufgabe, bei Problemen oder sicherheitsrelevanten Ereignissen automatisch geeignete Schutzfunktionen auszulösen wie beispielsweise die Abschaltung eines Reaktors.

Viele sicherheitsrelevante Komponenten in kerntechnischen Anlagen werden sowohl von Sicherheitsleittechnik (SILT) als auch von betrieblicher Leittechnik (BELT) angesteuert. Überall wo dies der Fall ist, muss eine zuverlässige Priorisierung der entsprechenden Signale aus den verschiedenen Leittechniksystemen stattfinden. Diese Aufgabe übernehmen sogenannte Prioritätsmodule, denen als „Flaschenhals“ eine besondere sicherheitstechnische Bedeutung zukommt.

International werden für Neubauten und bei Umrüstungen kerntechnischer Anlagen mittlerweile hauptsächlich digitale Leittechniksysteme eingesetzt. Die Verwendung digitaler Leittechnik hat neben vielen Vorteilen auch neue Herausforderungen mit sich gebracht. Programmierfehler, fehlerhafte Software-Updates, mögliche Lücken in der IT-Sicherheit und eine vergleichsweise geringe Betriebserfahrung erschweren deren Bewertung. In den letzten Jahren hat sich deshalb ein breites Forschungsfeld entwickelt, in dessen Umfeld auch AnTeS entstanden ist.

Die GRS entwickelt seit 2017 an ihrem Standort in Garching bei München AnTeS. Die modular aufgebaute Plattform erlaubt es, unterschiedliche Fragestellungen rund um digitale Leittechniksysteme zu untersuchen. Die GRS setzt dieses Werkzeug in verschiedenen nationalen und internationalen Forschungsprojekten ein und validiert es. 

Reale Leittechnik trifft auf Simulationen

AnTeS ist modular aufgebaut. Die GRS verfügt neben einem realen Sicherheitsleittechniksystem (SILT) und einem realen betrieblichen Leittechniksystem (BELT) auch noch über leicht konfigurierbare und flexibel anpassbare Simulationen von generischen Leittechniksystemen (SILT oder BELT). Darüber kann bei Bedarf auch noch auf reale und simulierte Prioritätsmodule sowie reale und simulierte angesteuerte Systeme zurückgegriffen werden. All diese Modulen sind je nach Bedarf und Fragestellung beliebig miteinander kombinierbar.
 

Übersicht über die verschiedenen Module des Analyse- und Testsystems für digitale Leittechnik in kerntechnischen Anlagen (AnTes)
© GRS
Übersicht über die verschiedenen Module von AnTes

Das reale Sicherheitsleittechniksystem und die realen Prioritätsmodule von AnTeS basieren auf der Teleperm-XS-Plattform der Firma Framatome, das entsprechende reale betriebliche Leittechniksystem fußt auf der Simatic S7 der Firma Siemens. Als reale Systeme stehen in einem Teststand Pumpen, Ventile, Antriebe und Messsensoren zur Verfügung, wie sie auch in Kernkraftwerken eingesetzt werden. Mit Hilfe einer von der GRS selbst erstellten Software können darüber hinaus auch komplexere Systeme simuliert und an die Leittechniksysteme angebunden werden (beispielweise Forschungsreaktoren). 

Framatome-Schaltschrank geschlossen (li) und geöffnet (re)
© GRS
Framatome-Schaltschrank geschlossen (li) und geöffnet (re)

Forschungsthema Leittechnik in der GRS

Die GRS beschäftigt sich seit Mitte der 1990er Jahre mit der digitalen und softwarebasierten Leittechnik in kerntechnischen Anlagen. Davor haben sich die GRS-Fachleute bereits viele Jahre mit der analogen, festverdrahteten Leittechnik auseinandergesetzt. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht die kontinuierliche Weiterentwickelung der Methoden zur Bewertung der Zuverlässigkeit moderner Leittechniksysteme nach dem Stand von Wissenschaft und Technik – wie es mit AnTeS der Fall ist. Weitere Arbeitsschwerpunkte der GRS sind das Auswerten nationaler und internationaler Ereignisse mit Bezug zur Leittechnik, das Auswerten von Betriebserfahrungen und die Begutachtung neuer leittechnischer Systeme.

Die GRS beteiligt sich darüber hinaus an der Gestaltung von Regelwerken und diskutiert auf nationaler und internationaler Ebene im Auftrag des Bundesumweltministeriums die Anforderungen an die digitale Leittechnik – unter anderem in der Reaktorsicherheitskommission (RSK), im Kerntechnischen Ausschuss (KTA), der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und in Vorhaben der Europäischen Kommission