Reaktorunfall in Fukushima
Am 11. März 2011 kam es vor der Ostküste der japanischen Hauptinsel Honshū zum schwersten Erdbeben seit Beginn der Aufzeichnungen. Das Beben und der dadurch verursachte Tsunami verwüsteten weite Gebiete im Osten Japans und forderten laut offizieller Statistiken rund 20.000 Todesopfer.
Am Kernkraftwerksstandort Fukushima Daiichi verursachten das Beben und der Tsunami den fast vollständigen Ausfall der Stromversorgung von vier der insgesamt sechs Reaktorblöcke. Vor allem in den ersten Tagen des Unfalls gelangten erhebliche Mengen radioaktiver Stoffe in die Umwelt. Diese Freisetzungen führten zu Kontaminationen des Umlands und viele Menschen wurden evakuiert.
Anlässlich des 10. Jahrestages der Katastrophe hat die GRS eine Reihe von Beiträgen und Interviews zur Situation vor Ort veröffentlicht:
>> 10 Jahre Fukushima Teil 1: Unfallablauf – Wegmarken einer Katastrophe
>> 10 Jahre Fukushima Teil 2: Radiologische Folgen
>> 10 Jahre Fukushima Teil 3: Der Rückbau
>> 10 Jahre Fukushima Teil 4: Das Wasser
>> 10 Jahre Fukushima Teil 5: Lessons Learned
>> Wenn es ernst wird – Deutschlands INES-Officer im Interview zum Reaktorunfall in Fukushima
>> Spurensuche – Interview mit dem GRS-Strahlenschutzbeauftragten zu den radiologischen Folgen von Fukushima
>> Den Unfallablauf zusammenpuzzeln – Interview mit dem Abteilungsleiter Containment der GRS
Eine detaillierte Analyse des Ablaufs und der Ursachen des Unfalls sowie seiner radiologischen Folgen bietet der GRS-Bericht „Fukushima Daiichi 11. März 2011 – Unfallablauf, radiologische Folgen “.
2011: Einsatz des GRS-Notfallzentrums
Bereits wenige Stunden nach Beginn des Unfalls nahm das Notfallzentrum der GRS seine Arbeit auf. Als Gutachterorganisation des Bundes hält die GRS im Auftrag des Bundesumweltministeriums ständig ein Team von Experten unterschiedlicher Fachrichtungen bereit, das bei schweren nuklearen Stör- oder Unfällen Informationen über das Ereignis sammelt, auswertet und Prognosen über mögliche Entwicklungen erstellt.
Vom Mittag des 11. März bis Anfang Juli 2011 erstellte das Team des Notfallzentrums für das Bundesumweltministerium über 200 Lageberichte zur Situation am Standort Fukushima. Diese Lageberichte stellte die GRS im Auftrag des Ministeriums auch der Öffentlichkeit zur Verfügung – zunächst auf ihrer Webseite und später in einem eigenen Fukushima-Informationsportal.
Fachliche Unterstützung bei „Stresstests“ 2011
Am 17. März 2011 beauftragte das Bundesumweltministerium die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) in Abstimmung mit den Ländern damit, eine anlagenspezifische Sicherheitsüberprüfung („Stresstest“) für alle deutschen Kernkraftwerke durchzuführen. Ziel der Überprüfung war es, unter Berücksichtigung der Ereignisse in Fukushima zu untersuchen, wie robust die Auslegung der Kernkraftwerke und die geplanten Notfallmaßnahmen gegen erhöhte Einwirkungen sind, die nicht in der Auslegung unterstellt wurden. Zur Unterstützung der RSK hat die GRS gemeinsam mit weiteren Fach- und Gutachterorganisationen die erforderlichen Prüfungen organisiert und anhand eines Anforderungskatalogs der RSK durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Prüfungen hat die RSK mit einem Abschlussbericht bewertet.
Neben den nationalen fanden auch europäische Stresstests statt, die von der European Nuclear Safety Regulators Group (ENSREG) organisiert wurden. Alle EU-Mitgliedsländer mussten die Sicherheit ihrer Kernkraftwerke in Form von Länderberichten darlegen. Die GRS unterstützte das Bundesumweltministerium dabei, den Bericht für Deutschland zu erstellen. Aufbauend auf den Ergebnissen wurde der „ENSREG Action Plan“ und ein System mit Peer Reviews entwickelt, mit denen die Umsetzung der Ergebnisse in den einzelnen Ländern verfolgt wurde.
Weiterleitungsnachricht der GRS
Im Auftrag des Bundesumweltministeriums hat die GRS Anfang 2012 eine Weiterleitungsnachricht zu den Auswirkungen der Erdbeben an den japanischen Kernkraftwerksstandorten Fukushima Daiichi und Daini sowie Kashiwazaki-Kariwa erstellt. Weiterleitungsnachrichten werden von der GRS verfasst, wenn es in einer in- oder ausländischen kerntechnischen Anlage zu einem Ereignis mit sicherheitstechnischer Bedeutung kommt und die daraus gewonnenen Erfahrungen für den sicheren Betrieb deutscher Anlagen von Interesse sind.
Die Weiterleitungsnachricht zum Unfall in Fukushima enthält insgesamt 22 Empfehlungen für deutsche Anlagen, u. a. zur Versorgung mit Elektrizität und Kühlwasser, zur Erdbebenauslegung und zu Aspekten des Notfallschutzes.
Die Empfehlungen der GRS und die RSK-Empfehlungen zur Verbesserung der Robustheit der deutschen Kernkraftwerke bildeten die Grundlage für den nationalen Aktionsplan des Bundesumweltministeriums.
Nationale Forschungsprojekte der GRS zu Fukushima
Seit dem Jahr 2011 untersucht die GRS in mehreren Forschungsvorhaben vielfältige Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Unfall in Fukushima. Auf nationaler Ebene werden diese Projekte vom Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium finanziert.
Die GRS hat in aufeinander aufbauenden Forschungsprojekten die Unfallabläufe im Kernkraftwerk Fukushima anhand aller verfügbaren Informationen möglichst detailliert nachvollzogen. Durch thermohydraulische Analysen mit Hilfe des GRS-Codesystems ATHLET-CD/COCOSYS, die sich auf die Vorgänge in den Blöcken 2 und 3 konzentrierten, konnten jeweils zusätzliche Erkenntnisse z. B. hinsichtlich der Kernzerstörung und der Zustände im Sicherheitsbehälter während der ersten Tage des Unfallablaufs gewonnen werden.
Vertiefte Untersuchungen wurden unter anderem auch zu Themenfeldern wie naturbedingte Einwirkungen von außen, elektrische Energieversorgung oder organisatorische Maßnahmen durchgeführt. In mehreren Forschungsvorhaben wurden die Simulationsprogramme der GRS (u. a. ATHLET-CD/COCOSYS) im Hinblick auf verschiedene Aspekte des Unfallgeschehens validiert und weiterentwickelt.
Internationale Forschung: Beteiligung an OECD/NEA-Projekten
Gefördert mit Mitteln des Bundesumweltministeriums und des Bundeswirtschaftsministeriums hat sich die GRS an dem von der Nuclear Energy Agency der OECD (OECD/NEA) 2012 initiierten Projekt „Benchmark Study of the Accident at the Fukushima Daiichi Nuclear Power Station” (BSAF) beteiligt. Zielsetzung der Analysen der Partner aus zehn Ländern war es, detaillierte Erkenntnisse zum Unfallablauf in Fukushima zu erhalten, mit dem die beteiligten japanischen Organisationen bei der Vorbereitung des Rückbaus der Anlagen unterstützt werden können.
Aufbauend auf das BSAF-Vorhaben startete im Jahr 2019 ein neues Projekt unter Koordination der OECD/NEA. Der Schwerpunkt der Untersuchungen im Forschungsvorhaben „Analysis of information from Reactor Buildings an Containment Vessels of Fukushima Daiichi NPS“ (ARC-F) liegt auf dem Verhalten radioaktiver Spaltprodukte während der Unfallabläufe. Die GRS berechnet hier unter anderem die Unfallabläufe in den baugleichen Blöcken 2 und 3 mit dem von der GRS entwickelten Simulationsprogramm AC² (ATHLET-CD /COCOSYS ).
Mitarbeit an IAEO-Bericht
Neben ihren eigenen Forschungstätigkeiten hat sich die GRS im Auftrag des Bundesumweltministeriums an der Erarbeitung des Berichts „The Fukushima Daiichi Accident“ der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) beteiligt.
Bestehend aus dem „IAEA Director General´s Report“ und fünf Fachbänden bietet der im August 2015 veröffentlichte Bericht eine der umfassendsten Zusammenfassungen der Erkenntnisse zu Ursachen, Ablauf und Folgen des Unfalls.