Simulationscode ATHLET: Thermohydraulische Sicherheitsanalysen für Leichtwasserreaktoren
Funktionen und Anwendung von ATHLET
Sowohl die GRS als auch weitere Anwender im In- und Ausland nutzen ATHLET, um die Sicherheit von Kernkraftwerken, Forschungsreaktoren und Brennelementlagerbecken in unterschiedlichen Szenarien zu bewerten.
ATHLET kann für die Simulation von Betriebszuständen, Auslegungsstörfällen und auslegungsüberschreitenden Störfällen ohne Kernschäden in verschiedenen Typen von Kernreaktoren eingesetzt werden. Typische Störfälle sind z. B. ein Bruch einer Kühlmittelleitung am Reaktor oder der Ausfall der elektrischen Energieversorgung. ATHLET verfügt über Modelle für Druckwasserreaktoren, Siedewasserreaktoren, RBMK-Reaktoren, fortschrittliche Reaktorkonzepte der vierten Generation und kleine modulare Reaktoren (Small Modular Reactors - SMR).
Mit dem Systemcode ATHLET lassen sich alle wesentlichen Komponenten innerhalb der Anlagen darstellen. Der Schwerpunkt liegt auf der thermohydraulischen Simulation der Brennelemente, der Kühlkreisläufe und der Sicherheitssysteme. Der Code simuliert sowohl aktive und passive Notkühlsysteme als auch alternative Kühlmedien wie Helium, Salzschmelze und Flüssigmetall (z. B. Blei, Natrium, Blei-Bismut-Eutektikum). Dabei lassen sich diese Simulationen auch für komplexe Modelle auf einem normalen PC innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen durchführen, so dass kein Hochleistungs-Rechenzentrum benötigt wird.
Schwerpunkte des Simulationscodes
Die derzeitigen Entwicklungen und Forschungsschwerpunkte liegen bei der Simulation
- von passiven Sicherheitssystemen in diversen Reaktorkonzepten
- der Kühlung von Brennelementen in Lagerbecken
- von speziellen Brennelementdesigns in Forschungsreaktoren
- von Kühlmedien neuer Reaktorkonzepte
- von kleinen modularen Reaktoren (SMR).
Wichtige Anwendungsfelder von ATHLET waren unter anderem die Simulation der Auswirkungen einer Leistungserhöhung, zur Wirksamkeit von Sicherheitseinrichtungen nach neuen Erkenntnissen, zu Ereignissen mit starker, räumlich inhomogener Leistungsänderung in einem Reaktorkern (gekoppelt mit 3D-Neutronenkinetik-Programmen) sowie zur Unterstützung der Modellierung in probabilistischen Sicherheitsanalysen.
Leistungsmerkmale und Struktur des Programms
Die modulare Struktur von ATHLET erlaubt eine bausteinartige Systemkonfiguration und kann damit eine Vielzahl von Anlagendesigns nachbilden.
ATHLET besteht aus vier grundlegenden Modulen:
- Thermohydraulik-Modul zur Berechnung der Kühlmittelströmung und der mit dem Kühlmittel transportierten Wärmeenergie aus den Brennelementen. Mit einem 3D-Modul lassen sich Bereiche mit komplexen, mehrdimensionalen Strömungen detailliert auflösen. Spezifische Modelle ermöglichen es, Elemente eines Reaktors wie Pumpen, Ventile oder Dampferzeuger abzubilden.
- Wärmeleitungs- und Wärmeübergangsmodul zur Berechnung der Wärmeleitung in platten-, zylinder- und kugelförmigen Strukturen sowie des Wärmeübergangs zwischen Strukturoberflächen (z. B. von Brennstäben oder Wärmetauschern) und dem Kühlmittel.
- Steuerungsmodul zur Modellierung von Steuerungs- und Regelsystemen, über die aktive Elemente - wie z. B. Pumpen und Ventile - angesteuert werden können.
- Neutronenkinetik-Modul zur Modellierung der nuklearen Wärmeerzeugung in Brennelementen.
Schnittstellen und Kopplung: ATHLET, ATHLET-CD und COCOSYS werden zu AC2
Mittlerweile sind die GRS-Codes ATHLET, ATHLET-CD und COCOSYS unter dem Dach des Programmpakets AC2 zusammengefasst und werden zunehmend gekoppelt eingesetzt. Damit können thermohydraulische Untersuchungen auf komplette Unfallszenarien ausgeweitet und Wechsel- und Rückwirkungen zwischen Kühlkreislauf und dem umgebenden Sicherheitsbehälter berücksichtigt werden.
ATHLET bietet darüber hinaus zahlreiche Schnittstellen zu anderen Simulationscodes. Es kann mit CFD- oder 3D-Neutronenkinetikprogrammen für multiphysikalische Simulationen und Multi-Skalen-Analysen gekoppelt werden. ATHLET lässt sich zusätzlich um benutzerdefinierte Modelle erweitern.
Validierung des Rechenprogramms ATHLET
Die ATHLET-Entwicklung wird von einem umfangreichen Validierungsprogramm begleitet. Eine große Anzahl der weltweit durchgeführten Experimente zu Themen der Reaktorsicherheit wurden mit ATHLET simuliert und die Ergebnisse anhand der gemessenen Daten bewertet. Die Auswahl der Experimente orientiert sich an den Validierungsmatrizen des internationalen Committee on the Safety of Nuclear Installations (CSNI) der OECD/NEA für Simulationsprogramme für Kühlmittelverluststörfälle und Transienten in Kernkraftwerken. Damit wird sichergestellt, dass aus den Simulationen mit ATHLET belastbare Erkenntnisse für die Sicherheit von Kernreaktoren gewonnen werden.
Partner
Bei der Entwicklung und Validierung von ATHLET kooperiert die GRS insbesondere mit deutschen Forschungseinrichtungen. So wird ATHLET z. B. an der Ruhr-Universität Bochum, der Technischen Universität Dresden, der Technischen Universität München, der Universität Stuttgart sowie dem Karlsruhe Institute for Technology und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf in Forschung und Lehre sowie für Masterarbeiten und Promotionen eingesetzt.
Ausblick
ATHLET wird von der GRS und ihren Partnern kontinuierlich weiterentwickelt und validiert. Schwerpunkte sind dabei verbesserte Modelle für passive Sicherheitseinrichtungen, Forschungsreaktoren, innovative Reaktorkonzepte und SMR. Etwa alle zwei Jahre wird eine neue ATHLET-Version als Teil von AC2 für die Anwender verfügbar gemacht.