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Blick von oben in den ITER-Tokamak

Strom aus Kernfusion: Fachleute erschließen Neuland für Genehmigung von Fusionsanlagen

Kernfusion läuft in der Sonne auf natürliche Weise ab. Auf der Erde ist das Verschmelzen zweier Atome unterdessen mit einem großen Aufwand verbunden. Je weiter die Forschung in diesem Bereich kommt, desto näher rücken Konzepte für kommerzielle Fusionsanlagen. Ein Forschungsprojekt der GRS und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) betrachtet jetzt den regulatorischen Rahmen solcher Anlagen.

Fusion stellt für viele Länder eine CO2-neutrale und zukunftsweisende Form der Energiegewinnung dar. Das größte internationale Forschungsprojekt zur Fusion – ITER – hat diesen Sommer mit der Montage des Fusionsreaktors begonnen und damit einen wichtigen Meilenstein erreicht. Ziel des ITER-Projektes ist es, die wissenschaftliche und technologische Machbarkeit der Nutzung von Fusionsenergie zu demonstrieren. Mit DEMO ist als Folgeprojekt für ITER ein Fusionsdemonstrationskraftwerk in Planung, das Strom erzeugen und den Weg für die Nutzung der Fusion ebnen soll.

In ITER und DEMO soll schwerer Wasserstoff (Deuterium) mit superschwerem Wasserstoff (Tritium) zu Helium fusionieren, wobei bei jeder Verschmelzung ein freies Neutron übrigbleibt. Da die Reaktion nur bei Temperaturen zwischen 150 Millionen und 300 Millionen Grad Celsius startet, wird ein Plasma aus Deuterium und Tritium innerhalb einer ringförmigen Vakuumkammer durch ein starkes Magnetfeld eingesperrt und durch verschiedene technische Verfahren erhitzt. Langlebige Spaltstoffe fallen bei der Kernfusion nicht an. Allerdings kommt mit Tritium ein radioaktiver Stoff zum Einsatz. Durch die freien Neutronen, die das Magnetfeld nicht einschließen kann, werden Bauteile des Reaktors über die Zeit aktiviert.

Je weiter die Fusionsforschung voranschreitet, desto eher gewinnt die Frage an Bedeutung, wie künftige Fusionsreaktoren genehmigt und beaufsichtigt werden könnten. Bislang verfügt hierfür kein Land über einen regulatorischen Rahmen.

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Ein großer Elektromagnet ist das Herzstück des ITER-Tokamaks. Er erzeugt den Plasmastrom und steuert gleichzeitig das Plasma während des Betriebs

Fusionskraftwerke haben spezifische Sicherheitsanforderungen

Ein Team von Fachleuten der GRS und des KIT untersucht aktuell, wie ein Regelwerk für zukünftige Fusionsanlagen aussehen könnte. „Wir müssen zunächst schauen, welche Ansätze zur Genehmigung von Fusionsanalagen es bisher weltweit gibt“, so Projektleiter Dr. Kay Nünighoff von der GRS. „In einem zweiten Schritt interessieren uns die spezifischen Sicherheitsaspekte von Fusionsanlagen. Sind die sicherheitstechnischen Fragen vergleichbar mit Kernkraftwerken und Forschungsreaktoren? Wenn ja, wo gibt es Ähnlichkeiten und wo sind Unterschiede? Wo wird ionisierende Strahlung erzeugt, wo lagern sich radioaktive Stoffe ab, die möglicherweise bei einem Unfall freigesetzt werden? Welche Systeme können versagen und die Anlagensicherheit sowie Mensch und Umwelt gefährden?“

Auf dieser Grundlage wollen Nünighoff und seine Arbeitsgruppe ableiten, wo bestehende Sicherheitskonzepte übernommen oder angepasst und wo zusätzliche Sicherheitsanforderungen ausgearbeitet werden müssen. Derzeit existieren beispielsweise kaum regulatorische Anforderungen, wie mit den großen Mengen an radioaktivem Tritium in Fusionsanlagen umgegangen werden soll. Da es in der Natur nur selten vorkommt, wird es in der Wand der Vakuumkammer – dem sogenannten Blanket – aus Lithium erbrütet. Gleiches gilt für Risiken, die mit der spontanen Freisetzung der in den supraleitenden Magneten gespeicherten Energie verbunden sind und Schäden an sicherheitsrelevanten Einrichtungen verursachen können.

Während das KIT die wissenschaftlich-technische Erfahrung mit verschiedenen Systemen von Fusionsanlagen beisteuert, bringt die GRS ihre Erfahrungen aus der Erarbeitung des deutschen kerntechnischen Regelwerks mit. Mit den Sicherheitsanforderungen für Kernkraftwerke hat die GRS gemeinsam mit anderen Fachleuten im Auftrag des Bundesumweltministeriums die Grundlage des kerntechnischen Regelwerks erarbeitet. Die GRS ist auch in die kontinuierliche Weiterentwicklung des aktuellen kerntechnischen Regelwerks der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) eingebunden und unterstützt andere Länder bei der Formulierung und Überarbeitung ihrer kerntechnischen Regeln.

Fusionsspezifisches Regelwerk als Ergebnis

Eines der Hauptergebnisse des Projekts wird der Vorschlag für ein Regelwerk sein, das den gesamten Lebenszyklus einer Fusionsanlage abdeckt - begonnen bei der Standortwahl, über den Bau und Betrieb bis hin zur Stilllegung. Gleichzeitig wird ein Aktionsplan skizziert, um gemeinsam mit allen Interessengruppen für Europa regulatorische Rahmenbedingungen für Fusionsanlagen zu entwickeln.

Die Vorschläge werden abschließend in einem Workshop einem internationalen Expertengremium sowie der Europäischen Kommission vorgestellt und diskutiert und anschließend veröffentlicht.

Weitere Informationen

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