(GRS-788) Vergleichende Bewertung unterschiedlicher Methoden und Codes für eine PSA der Stufe 1 für anlageninterne Überflutungsereignisse

F. Berchtold, T. Eraerds, G. Mayer, M. Röwekamp

Fördekennzeichen 4721R01530

Insbesondere bei Betriebsstörungen und Störfällen in Kernkraftwerke aufgrund übergreifender Einwirkungen, beispielsweise anlageninterner Überflutungen, spielen Personalhandlungen eine zentrale Rolle. Der zeitliche Ablauf eines solchen Ereignisses und die Begrenzung der Folgen auf die Anlage sind durch zahlreiche Wechselwirkungen zwischen dem Anlagenpersonal, physikalischen Prozessen sowie stochastischen Einflüssen bzw. Unsicherheiten gekennzeichnet. Solche komplexen, zeitlich veränderlichen Wechselwirkungen lassen sich in den Methoden der klassischen probabilistischen Sicherheitsanalyse (PSA) nur indirekt berücksichtigen, wohingegen Methoden der dynamischen PSA speziell für Analysen solcher komplexer, zeitabhängiger Ereignisabläufe vorgesehen sind.

Die GRS hat zur Durchführung dynamischer PSA das Werkzeug MCDET (Monte Carlo Dynamic Event Tree) entwickelt, welches zur Modellierung menschlichen Handelns durch das Crew-Modul ergänzt wird. Um die Vor- und Nachteile klassischer wie dynamischer PSA-Methoden zu untersuchen, wurde im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens 4721R01530 ein methodischer Vergleich dieser beiden Methoden durchgeführt. Dazu wurde das Szenario einer anlageninternen Überflutung unter erschwerenden Randbedingungen einer probabilistischen Analyse unterzogen. Das Szenario resultiert aus einer Leckage im Feuerlöschsystem im Reaktorgebäude-Ringraum bei gleichzeitigem Auftreten erschwerender Randbedingungen für Handmaßnahmen außerhalb von Gebäuden infolge naturbedingter meteorologischer Einwirkungen von außen, wie Starkwind, Regen oder Glatteis.

Die Analysen erfolgten zum einen mit zwei Programmen der klassischen PSA, dem in Europa weit verbreiteten kommerziellen PSA-Code RiskSpectrum® und dem international ebenfalls häufig genutzten, einer breiteren Expertengemeinschaft frei zugänglichen PSA-Code SAPHIRE, und zum anderen mittels der von der GRS entwickelten Werkzeuge der dynamischen PSA MCDET und dem Crew-Modul.

Das für das Szenario bereits vorhandene, in RiskSpectrum® erstellte klassische PSA-Anlagenmodell wurde mittels des GRS-Werkzeugs pyRiskRobot weitestgehend automatisiert in SAPHIRE übertragen. Beide klassischen PSA-Modelle führten zu gleichen Ergebnissen, woraus geschlossen werden kann, dass die Modellübertragung mittels py-RiskRobot zuverlässig funktioniert.

Das Szenario wurde zudem mit dem Crew-Modul nachmodelliert. Aufgrund der flexibleren Modellierungsmöglichkeiten wurden dabei zwei zusätzliche Handlungsblöcke in den Ereignisablauf integriert. Diese stellen Ersatzmaßnahmen für den Ausfall von Systemfunktionen dar, die im klassischen PSA-Modell direkt zu einer Überflutung des Reaktorgebäude-Ringraums führen. Neben den zusätzlichen Handlungsblöcken lassen sich auch weitere, in klassischen PSA-Methoden unerkannte Ereignisabläufe identifizieren, wie Abläufe mit einer Überflutung bei erfolgreicher, aber zu spät erfolgter Absperrung der Leckage. Unter den angenommenen Randbedingungen sind diese Ereignisabläufe allerdings nicht relevant, was die Annahmen in den klassischen PSA-Modellen bestätigt.

Zudem lassen sich mit den Methoden der dynamischen PSA Kipp-Effekte identifizieren. Ein solcher Kipp-Effekt ist beispielsweise der deutliche Anstieg der spezifischen Überflutungswahrscheinlichkeit durch eine verspätete Absperrung der Leckage bei einem geringeren kritischen Wasservolumen.

Es konnte gezeigt werden, dass Methoden der dynamischen PSA für die nachfolgend genannten Einsatzbereiche probabilistischer Bewertungen zeitlich veränderlicher, komplexer Ereignisabläufe Vorteile gegenüber den Methoden der klassischen PSA aufweisen: Sensitivitätsanalysen bei Ereignisabläufen mit erwartbar hohem Schadenspotenzial und außerhalb von Gebäuden erforderlichen Handmaßnahmen, bei der Planung von Notfallmaßnahmen sowie bei der Analyse der Widerstandsfähigkeit eines Systems.

Da die Anwendung der klassischen PSA-Modelle deutlich mehr verbreitet ist als die dynamischer PSA-Methoden, wäre es für bestimmte Anwendungsbereiche sinnvoll, die mit den Methoden der dynamischen PSA erzielten Ergebnisse in die klassischen PSA-Modelle zu übertragen.