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Saporischschja_Panorama

FAQ zum KKW Saporischschja (Stand: 11.08.2023)

Ist das Kernkraftwerk gegen Beschuss ausgelegt?

Das KKW Saporischschja verfügt über insgesamt sechs WWER-1000-Reaktoren. Dabei handelt es sich um wassergekühlte und wassermoderierte Druckwasserreaktoren (DWR), die sich in vielerlei Hinsicht gut mit den in Westeuropa gebräuchlichen DWR vergleichen lassen. Mit einem Durchschnittsalter von ca. 35 Jahren entsprechen sie altersmäßig in etwa dem europäischen Durchschnitt. Die Reaktoren und Brennelement(BE)-Lagerbecken der klassischen WWER-1000-Reaktoren, wie sie auch in Saporischschja stehen, sind gegen den Absturz eines Flugobjekts mit einem Gewicht von 10 Tonnen bei einer Aufprallgeschwindigkeit von 750 km/h ausgelegt.

Am Standort des KKW Saporischschja gibt es zudem ein Trockenlager zur Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente, das für einen Betriebszeitraum von mindestens 50 Jahren ausgelegt ist. Bevor die abgebrannten Brennelemente in dieses Trockenlager verbracht werden können, sind sie für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahre in den Abklingbecken der jeweiligen Blöcke innerhalb des Containments zu lagern. Danach haben sie einen großen Teil ihrer Nachzerfallswärme verloren und eine aktive Wasserkühlung ist nicht mehr notwendig.

Das Trockenlager besteht aus „HI-STORM FW“-Behältern des Designs der US-Firma Holtec, in denen sich die abgebrannten Brennelemente in einem gasdichten Metallbehälter befinden. Dieser ist von einer zylindrischen Stahlbetonkonstruktion mit ca. 75 Zentimetern Dicke umschlossen, die sowohl der Strahlenabschirmung als auch dem mechanischen Schutz gegen äußere Einwirkungen dient. Der Behältertyp wird auch in den USA und einer Reihe weiterer Länder für eine längerfristige Zwischenlagerung eingesetzt.

Welche Auswirkungen hat der Bruch des Kachowka-Staudamms?

KKW Saporischschja: Kühlteich (links) und Sprühteiche (rechts)
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Kernkraftwerk Saporischschja: Kühlteich und Sprühteiche

Der Staudamm am Wasserkraftwerk Kachowka flussabwärts des KKW Saporischschja wurde am 06.06.2023 stark beschädigt. Mit dem Wasser aus dem Stausee füllt die Anlage im Normalbetrieb die für die Kühlung notwendigen Wasservorräte auf, insbesondere den sogenannten Kühlteich. Dieser Kühlteich ist von den Beschädigungen jedoch nicht betroffen.

Er hat eine Verbindung (zum Ausgleich von Wasserständen und zur Sicherstellung der Wasserqualität) zum Stausee des Dnipro, die jedoch geschlossen werden kann.

Wenn alle sechs Blöcke des Kernkraftwerkes abgeschaltet sind, wird die in den sicherheitsrelevanten Kühlstellen anfallende Wärme (u. a. Kühlung der Brennelemente im Reaktor und in den Abklingbecken) über das System des sicheren Nebenkühlwassers abgeführt. Teil dieses Systems sind unter anderem die sogenannten Sprühteiche. Die geringfügigen Wasserverluste in den Sprühteichen (z. B. durch Verdunstung) werden gegenwärtig mit Wasser aus dem Abflusskanal des nahegelegenen Wärmekraftwerks (ZTPP) kompensiert. Zum Vergleich: Laufen alle sechs Blöcke unter Volllast, so reicht das Wasser im Kühlteich für einen bis anderthalb Monate aus, um den Kühlwasserbedarf der Anlage zu versorgen. Im derzeitigen Anlagenzustand würde das Wasser für mehrere Jahre ausreichen.

Gegebenenfalls wäre angesichts der vergleichsweise geringen Kühlwassermengen, die im derzeitigen Anlagenzustand benötigt werden, auch eine Versorgung über Brunnen auf dem Anlagengelände oder mit Tanklastfahrzeugen möglich. Weiterhin stehen eine Wassergrube im Bereich des Frachthafens sowie das Wassersystem der Stadt Enerhodar zur Verfügung – das System kann also unabhängig vom Wasserstand im Stausee betrieben werden.

Was passiert bei einem Stromausfall?

Die WWER-1000-Anlagen in der Ukraine, und somit auch das KKW Saporischschja, verfügen über drei Notstromaggregate je Reaktorblock, von denen jeweils eines allein die Versorgung der wichtigen Verbraucher eines Blocks gewährleisten kann – was in der Vergangenheit schon wiederholt geschah. Die Versorgung ist so lange möglich, wie Betriebsmittel (z. B. Dieselkraftstoff, Schmierstoffe) auf dem Anlagengelände vorhanden sind. Für die ukrainischen Anlagen wird nach Kenntnis der GRS ein Betrieb der Notstromdieselaggregate je nach Anlage für eine Dauer von ca. zwei bis zehn Tage ohne Wartungsmaßnahmen bei ausreichendem Treib- oder Schmierstoffinventar angegeben.

Zur Verlängerung des Betriebs der Notstromdieselgeneratoren ist es gängige Praxis, dass nicht alle auf dem Anlagengelände vorhandenen Notstromdieselgeneratoren in Betrieb genommen werden, sondern nur so viele, wie im aktuellen Anlagenzustand erforderlich sind (in der Regel einer je zu kühlendem Reaktorblocklock). Dadurch kann der Vorrat an Betriebsmitteln entsprechend sparsam eingesetzt und die Dauer der möglichen elektrischen Energieversorgung über die Notstromdieselgeneratoren verlängert werden. 

Die Ukraine hatte sich nach dem Reaktorunfall von Fukushima-Daiichi an den in der EU durchgeführten Stresstests freiwillig beteiligt. Aus dem daraus abgeleiteten National Action Plan (NAcP) wurden für den Fall eines sogenannten „Station Blackout“ (SBO – gemeint ist der vollständige Ausfall sowohl der Stromversorgung über das Landesnetz als auch der Notstromdiesel in den Anlagen) in allen Anlagen zusätzlich zu den stationären Notstromdieseln auch mobile Aggregate bereitgestellt. Am KKW Saporischschja sind zwei mobile Notstromdiesel vor Ort.

Wie sich ein Netzausfall auf den Betrieb der ukrainischen KKW auswirken würde, haben wir in dem hier verlinkten Text ausführlicher beschrieben.

Hätte ein schwerer Reaktorunfall in Saporischschja Folgen für Deutschland?

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat untersucht, welche Auswirkungen eine große unfallbedingte Freisetzung radioaktiver Stoffe in ukrainischen KKW auf Deutschland haben könnte. Demnach bewegen sich im Jahresdurchschnitt an lediglich etwa 60 Tagen (also ca. 17 Prozent) Luftmassen aus der Ukraine bis nach Deutschland. Selbst in einem solchen Fall würden sich aufgrund der großen Entfernung die Notfallmaßnahmen jedoch aller Voraussicht nach auf mögliche zeitweilige Einschränkungen in Bezug auf die Landwirtschaft beziehungsweise die Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte beschränken. In jedem Fall wäre von einer Einnahme von Jodtabletten abzuraten.

Bei der Bewertung eines möglichen Unfalls ist zu berücksichtigen, dass der letzte Block des KKW Saporischschja im September 2022 heruntergefahren wurde, die Anlage seitdem also stillsteht. Das bedeutet unter anderem, dass kurzlebige Spaltprodukte wie das Iod-131, die bei einem Unfall mit Freisetzung eine wichtige Rolle spielen, schon zerfallen sind. Außerdem hätte man bei einem vollständigen Ausfall der Kühlung wegen geringer Restwärme und Drücke deutlich mehr Zeit zur Verfügung, diese wiederherzustellen, bevor es zu Kernschäden käme: Bei den Blöcken im „cold shutdown“ circa eine Woche, bei dem Block im „hot shutdown“ immerhin noch mehr als einen Tag.

Ein weiterer Faktor ist, dass in mindestens fünf von sechs Reaktorgebäuden ein sogenanntes gefiltertes Venting installiert wurde. Mithilfe dieser Ventile kann Druck aus dem Reaktorgebäude entlassen werden, wobei Radionuklide zurückgehalten werden – ein solches System hatte es bei den Anlagen in Fukushima nicht gegeben.

Für die Beschädigung eines oder mehrerer Behälter aus dem Zwischenlager gilt im Wesentlichen das gleiche.

Was bedeutet „cold shutdown“?

Beim Zustand „cold shutdown“ ist der Reaktor, wie auch beim „hot shutdown“, unterkritisch, es findet also keine Kernspaltung statt. Der Primärkreis ist beim Druckwasserreaktor drucklos und die Temperatur des Kühlwassers liegt unter dem Siedepunkt.

Eine Kaltabschaltung wird dann vorgenommen, wenn der Betreiber zu Wartungszwecken oder zum Nachfüllen von Brennstoff den Reaktordruckbehälter öffnen muss oder wenn eine Reparatur erforderlich ist, die nur in diesem Zustand durchgeführt werden kann (beispielsweise aus Gründen des Strahlenschutzes). Wenn sich ein Reaktor in der Kaltabschaltung befindet, können Brennstoff und Steuerstäbe sicher entnommen und ausgetauscht sowie Wartungsarbeiten durchgeführt werden. Nach der Kaltabschaltung eines Reaktors ist jedoch mehr Zeit und Energie erforderlich, um die Kettenreaktion wieder in Gang zu setzen, als wenn der Reaktor im Zustand „hot shutdown“ gewesen wäre.

Was bedeutet „hot shutdown“?

Im Zustand „hot shutdown“ ist der Reaktor, wie auch beim „cold shutdown“, unterkritisch, es findet also keine Kernspaltung statt. Anders als beim „cold shutdown“ herrscht bei einem Druckwasserreakor im Betriebsmodus „hot shutdown“ Betriebsdruck im Primärkreis, die Temperatur liegt im Bereich der Betriebswerte. Die genauen Druck- und Temperaturwerte können je nach Reaktortyp unterschiedlich sein. Für die WWER-1000-Anlagen, wie sie in Saporischschja betrieben werden, muss die Temperatur im Primärkreislauf mindestens 260 °C betragen, der Druck liegt zwischen 130 und 157 bar. Zudem müssen mindestens zwei Hauptkühlmittelpumpen laufen. Der Druck im Sekundärkreis liegt zwischen 47 und 63 bar.

Weil die Nachzerfallswärme des Reaktorkerns allein über längere Zeiträume nicht ausreichend ist, um entsprechende Temperaturen und Drücke zu erreichen und zu halten, wird das Kühlwasser des Primärkreises im „hot shutdown“ durch die Reibungswärme der Hauptkühlmittelpumpen sowie durch Heizelemente im sogenannten Druckhalter zusätzlich aufgeheizt.

Normalerweise wird ein Reaktor, der sich im „cold shutdown“ befand, erst in den „hot shutdown“ überführt; ab bestimmten Druck- und Temperaturwerten kann er dann in den kritischen Zustand (eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion wird hergestellt) überführt werden. Bei den WWER-1000-Anlagen müssen 278 °C und 157 bar primärseitig beziehungsweise 63 bar sekundärseitig erreicht werden, bevor im Reaktor wieder eine Kettenreaktion in Gang gesetzt werden kann.

Warum wird einer der Reaktoren im „hot shutdown“ gehalten?

Der Dampf, der von einem Reaktorblock auch in der Heißabschaltung (hot shutdown) erzeugt wird, wird für verschiedene betriebliche Zwecke eingesetzt. So wird er beispielsweise zur Aufbereitung kontaminierten Wassers, das beim Betrieb anfällt, in Lagertanks gesammelt und anschließend durch Verdampfung konzentriert wird, genutzt. In Saporischschja wurde der Dampf gerade im Winter auch für die Fernwärmeversorgung der nahegelegenen Ortschaft Enerhodar genutzt.

Allerdings widerspricht der Betriebsmodus eines Reaktors in Saporischschja im „hot shutdown“ den Anordnungen der ukrainischen Aufsichtsbehörde SNRIU, die bereits im Februar 2023 den Zustand „cold shutdown“ für alle sechs Blöcke gefordert hatte. Die IAEA fordert die derzeitige Kraftwerksleitung ebenfalls auf, alle möglichen Optionen zu prüfen, um den benötigten Dampf anderweitig zu erzeugen – beispielsweise durch die Aufstellung externer Heizkessel. Letzteres ist in anderen Anlagen (beispielsweise den bislang in Deutschland betriebenen) der Fall, in denen sogenannte Hilfsdampfkessel den Dampf für die oben genannten betrieblichen Zwecke bereitstehen. Dies ist insbesondere auch in Anlagen erforderlich, in denen lediglich ein Block betrieben und der benötigte Dampf insofern nicht von einem Nachbarblock erzeugt werden könnte.