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Wassertanks in Fukushima

13. Jahrestag Fukushima: ein Überblick über die aktuellen Arbeiten am Standort

Am 11. März 2011 kam es in Japan in Folge des Tohoku-Erdbebens und des dadurch ausgelösten Tsunamis zur schwersten Reaktorkatastrophe seit Tschernobyl: Die Blöcke 1 bis 4 des Kernkraftwerks (KKW) Fukushima Daiichi wurden durch Explosionen oder Kernschmelzen zerstört, aufgrund der Freisetzungen mussten mehr als 146.000 Menschen evakuiert werden.

13 Jahre später sind noch immer jeden Monat tausende Fachkräfte auf dem Anlagengelände tätig, um den Rückbau der Reaktoren vorzubereiten. Im letzten Jahr stand vor allem der Umgang mit den großen Mengen an radioaktiv kontaminiertem Wasser, das auf dem Anlagengelände gelagert wird, im Fokus der Öffentlichkeit.

Umgang mit den kontaminierten Wässern auf dem Anlagengelände

Abbildung 1: Blick von oben auf das Anlagengelände. Im rechten Bereich sind die Flächen zu sehen, die von Lagertanks belegt sind (dargestellt als türkise Punkte)
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Karte vom Standort Fukushima

Am 24. August 2023 leitete der Betreiber des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi TEPCO erstmalig Wasser, welches seit dem Unfall auf dem Anlagengelände in Tanks gesammelt wird, in den Pazifik ein. Die Einleitung wurde zum einen damit begründet, dass die Aufstellmöglichkeiten für Wassertanks auf dem Anlagengelände an ihre Grenzen kamen – mit Stand 1. Februar 2024 waren die Wassertanks auf dem Anlagengelände zu 97 Prozent gefüllt –; zum anderen soll dadurch die Strahlenbelastung für die auf dem Gelände arbeitenden Fachleute minimiert werden. 

Der Einleitung vorausgegangen war ein zweiwöchiger Probebetrieb. Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEA) hatte die Ableitungspläne positiv bewertet; die japanische Aufsichtsbehörde National Regulatory Authority (NRA) hatte der Einleitung ebenfalls zugestimmt.

Es handelt sich dabei um Wasser, das TEPCO seit dem Unfall in die drei betroffenen Reaktorblöcke 1 bis 3 einspeist und das in den Reaktorblöcken durch die Aufnahme radioaktiver Stoffe, wie Cäsium-137 und Strontium-90, kontaminiert wird. Es vermischt sich zudem mit eintretendem Grundwasser und Niederschlägen und nimmt daher in seiner Gesamtmenge kontinuierlich zu. Diese Maßnahme zielte anfangs darauf ab, ein erneutes Aufheizen des Kernbrennstoffs und damit verbundene weitere Kernschäden zu verhindern. Mittlerweile dient es vor allem dazu, die vom hochradioaktiven Kernmaterial ausgehende starke Gammastrahlung abzuschirmen.

 Die aus den Reaktorgebäuden entnommenen Wässer durchlaufen verschiedene Filteranlagen, darunter das Advanced Liquid Processing System (ALPS), das 62 Radionuklide aus dem Wasser entfernt – mit Ausnahme der weichen Betastrahler Tritium und Kohlenstoff-14 (C-14). Das Entfernen von Tritium in industriellem Maßstab ist aufgrund seiner chemischen Ähnlichkeit mit nicht-radioaktivem Wasserstoff praktisch kaum umzusetzen. Auch C-14 kann laut TEPCO nicht aus dem Wasser entfernt werden. Aufgrund der geringen radiologischen Bedeutung und der Einhaltung der spezifischen Grenzwerte für C-14 spielt dieses Nuklid bei der Einleitung des Wassers jedoch keine wesentliche Rolle.

Einleitung der ALPS-Wässer ins Meer

Abbildung 2: Probenahme im Rahmen der zweiten Ableitung
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Probenahme am KKW Fukushima

Vor dem Einleiten des Wassers ins Meer erfolgt eine Überprüfung auf den Gehalt von 30 Radionukliden, einschließlich Tritium. Darüber hinaus analysiert TEPCO die Konzentrationen von 39 weiteren Nukliden, die durch das ALPS gefiltert wurden und im behandelten Wasser keine signifikanten Konzentrationen mehr aufweisen.

Obwohl laut den Vorhersagen von TEPCO die behördlichen Grenzwerte für jedes einzelne Radionuklid beim Einleiten des Wassers ins Meer unterschritten werden, ist es erforderlich, dass die Gesamtkonzentration aller vorhandenen Radionuklide im Wasser einen bestimmten Wert nicht überschreitet.

3 Fragen an die GRS-Strahlenschutzexpertin Lorena Hentschel zur bevorstehenden Einleitung der tritiumhaltigen Fukushima-Wässer

            <div>3 Fragen an die GRS-Strahlenschutzexpertin Lorena Hentschel zur bevorstehenden Einleitung der tritiumhaltigen Fukushima-Wässer</div>

Um diese Anforderung zu erfüllen, wird die gemessene Konzentration jedes einzelnen Radionuklids in Relation zu seinem spezifischen, gesetzlich festgelegten Grenzwert gesetzt. Die Summe dieser Verhältnisse über alle von der Behörde vorgegebenen Radionuklide soll kleiner als 1 sein – mit der Ausnahme von Tritium. Wenn das Wasser alle diese Kriterien erfüllt, wird es zur Verdünnung mit Meerwasser freigegeben, um anschließend in den Pazifik eingeleitet zu werden.

Bisher wurden drei Einleitungskampagnen durchgeführt, eine vierte läuft seit Ende Februar und soll bis zum 17. März abgeschlossen sein. In jeder Kampagne wurden bisher etwa 7.800 Kubikmeter (m³) Wasser ins Meer eingeleitet.

Abbildung 3: Der Querschnitt verdeutlicht den Höhenunterschied, den das verdünnte Wasser überwindet, bevor es ins Meer gelangt. Eingezeichnet ist unter anderem auch die Stelle, an der das Meerwasser und das behandelte Wasser vermischt werden
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Skizze der Einleitungssysteme

Die gemessene Tritium-Konzentration des eingeleiteten Wassers lag im Bereich von 40 bis 80 Becquerel/Liter (Bq/l). Der genehmigte Grenzwert für die Einleitung beträgt 1.500 Bq/l und die jährliche Gesamtmenge an Tritium ist auf 22 Terabecquerel begrenzt – das entspricht der Menge, die auch vor dem Unfall jährlich eingeleitet werden durfte. TEPCO informiert in seinen News Releases kontinuierlich über die durchgeführten Einleitungen.

Status der Anlagen und Stand der Rückbauarbeiten

Weder der Zustand der Blöcke noch die radiologische Situation vor Ort haben sich im Vergleich zum Vorjahr wesentlich verändert. Aus radiologischer Sicht ist lediglich zu vermerken, dass kleinere Gebiete innerhalb der nuklearen Sperrzone wieder zur Besiedlung freigegeben wurden.

Bei einer größeren Inspektion Ende März 2023 wurde insbesondere der Steuerstabantriebsraum von Block 1 genauer untersucht. Ergebnis dieser Untersuchungen war unter anderem, dass für die tragenden Konstruktionen in besagtem Raum kein ernsthaftes Einsturzrisiko besteht. Zweifel daran waren aufgekommen, als bei einer vorangegangenen Untersuchung festgestellt wurde, dass ein Teil des unteren Betonbodens fehlte und hier die Bewehrung freigelegt war.

Ergebnisse der im letzten Jahr entnommenen Proben aus dem Sicherheitsbehälter von Block 1, die wohl Kernmaterial enthalten, wurden von TEPCO bislang nicht veröffentlicht. Es ist anzunehmen, dass das beauftragte externe Institut noch mit der Analyse der Proben beschäftigt ist.

Ende Januar 2024 meldeten unterschiedliche Medien übereinstimmend, dass bei weiteren anstehenden Untersuchungen im Inneren der Reaktoren Drohnen und ein Schlangenroboter zum Einsatz kommen sollen.

Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf Block 2, wo die erste Probebergung von geschmolzenen Kernschmelzfragmenten vorgesehen ist. Der Termin für diese Bergung hat sich allerdings mittlerweile zum dritten Mal verschoben, diesmal von März 2024 auf Oktober 2024. Hierbei soll ein neuer teleskopartiger, stabförmiger Roboterarm den Weg zu den Kernschmelzfragmenten inspizieren und freiräumen. Der neue Erkundungsplan sowie der zum Einsatz kommende Roboterarm für diese etwa dreimonatige Untersuchung müssen jedoch noch von der Aufsichtsbehörde NRA genehmigt werden.

Abbildung 4: Übersicht über die Brennelemente der Blöcke 1 bis 4
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Übersicht Bergung Brennelemente

Auch hinsichtlich der Bergung der Brennelemente aus den Abklingbecken hat sich nicht viel getan. Die Brennelemente aus Block 3 und 4 sind seit 2021 bzw. 2014 aus den Abklingbecken entfernt. Im Abklingbecken von Block 1 liegen noch 392 Brennelemente. Dort wird nach wie vor eine Einhausung installiert, innerhalb derer die Trümmer und Brennelemente geborgen werden sollen. In Block 2 warten noch 615 Brennelemente auf die Bergung.

Austritt radioaktiven Wassers aus Aufbereitungsanlage

Am 7. Februar 2024 meldete TEPCO eine Leckage aus einem Entlüftungsventil in der Cäsium-Adsorptionsanlage (SARRY). Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Anlage im Spülbetrieb, der zur Vorbereitung von Armatureninspektionen durchgeführt wurde. Als Spülwasser wurde bereits aufbereitetes Wasser verwendet. Laut übereinstimmenden Medienberichten sind dabei rund 5.500 Liter Wasser ausgetreten. Laut Betreiberangaben erreichte das Leckagewasser auf einer Fläche von 4 x 4 Metern eine Höhe von etwa 1 Millimeter. Der betroffene Bereich wurde abgesperrt und die Erde soll abgetragen werden, da das Wasser durch Spalten zwischen die den Boden abdeckenden Metallplatten gesickert sein könnte.

Entwicklung des japanischen Kernenergieprogramms

Nach dem Reaktorunfall waren zeitweise alle 54 der zuvor in Japan betriebenen Kernkraftwerksblöcke für rund zwei Jahre abgeschaltet. Mittlerweile sind zwölf Anlagen wieder im Leistungsbetrieb – nach Genkai-3 und -4, Ikata-3, Sendai-1 und -2, Takahama-3 und -4, Ohi-3 und -4 sowie Mihama-3 folgten die beiden Blöcke Takahama-1 und -2 im August beziehungsweise September 2023. Dieses Jahr soll Onagawa-2 folgen, weitere Wiederinbetriebnahmen sind für die nächsten Jahre geplant (s. Abb. 5).

Abbildung 5: Übersicht über die japanischen KKW (Stand 08/2023; Takahama-2 ist mittlerweile wieder in Betrieb)
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Übersicht über die japanischen KKW (Stand 08/2023)

Im Zuge ihrer „Green Transformation Policy“ hat die japanische Regierung Anfang 2023 beschlossen, sowohl den Neubau als auch längere Laufzeiten für KKW zuzulassen. Das neue System sieht vor, dass statt der bislang gesetzlich vorgeschriebenen maximalen Laufzeit von 60 Jahren nach den ersten 30 Betriebsjahren alle 10 Jahre eine Laufzeitverlängerung geprüft und bei Erfüllung aller Sicherheitsanforderungen gewährt werden kann. Eine Höchstgrenze für den Betrieb ist nicht vorgesehen.

Aktuell befinden sich mehrere konkrete Neubauprojekte in der Umsetzung. Dazu zählt das Kernkraftwerk Ohma, ein Siedewasserreaktor der 3. Generation mit 1.325 Megawatt installierter Leistung, mit dessen Bau kurz vor dem Unfall in Fukushima Daiichi begonnen worden war. Seine Inbetriebnahme war bereits mehrfach verschoben worden; derzeit wird eine Fertigstellung in der zweiten Jahreshälfte 2025 angestrebt. Außerdem befinden sich nach Angaben des Japan Atomic Industrial Forum (JAIF) auch die Kernkraftwerksblöcke Shimane-3 und Tokyo/Higashidori-1 in der Errichtungsphase, der Bau weiterer KKW-Blöcke (Hamaoka-6, Kaminoseki-1 und -2, Sendai-3, Tohoku/Higashidori-2, Tokyo/Higashidori-2, Tsuruga-3 und -4) ist geplant.