Belastung von Pilzen und Wildschweinen mit radioaktivem Cäsium-137

Seit vielen Jahren wird über radioaktives Cäsium-137 (Cs-137) berichtet, welches mitunter in größeren Mengen in Pilzen und Wildschweinen insbesondere in Regionen Süddeutschlands nachgewiesen wird. Pünktlich zum Start der Pilzsaison gab es auch in den vergangenen Wochen wieder vermehrt Meldungen hierzu. Woher stammt der Stoff und warum ist er ausgerechnet in Pilzen und Wildschweinen ab und an immer noch in größeren Mengen nachweisbar, während er insgesamt im Ökosystem abnimmt?

 

Worum handelt es sich bei Cäsium-137?

Cäsium-137 ist ein sogenanntes künstliches Radionuklid. Darunter versteht man radioaktive Arten von Atomen, die sich nicht auf natürliche Weise gebildet haben, sondern durch technische Anwendungen entstanden sind. So entsteht Cäsium-137 bei der Kernspaltung von Uran-235 beispielsweise in einem Kernreaktor oder bei der Explosion einer Atombombe. Es hat eine Halbwertszeit von etwa 30 Jahren und zerfällt unter Aussendung von Betastrahlung.

Woher stammt das Cäsium-137?

Unter anderem während des Reaktorunfalls von Tschernobyl, aber auch im Zuge von oberirdischen Kernwaffentests in den 1950er und -60er Jahren, gelangte Cäsium-137 in die Atmosphäre. Abhängig von den Wetterbedingungen während der Freisetzung (z. B. Windrichtung und -stärke) konnte sich das Isotop in der Atmosphäre über weite Strecken bewegen und so auch in entfernteren Gebieten mit dem Niederschlag aus der Luft ausgewaschen werden. Im Fall von Tschernobyl beispielsweise gelangte Cäsium-137 bis nach Westeuropa und lagerte sich dort auf dem Boden ab. Dabei fiel die Belastung lokal sehr unterschiedlich aus, abhängig von den jeweiligen Wetterbedingungen. So wurde im Südosten Bayerns deutlich mehr Cäsium-137 abgelagert als im übrigen Deutschland (siehe Übersichtskarte des BfS zur Bodenkontamination mit Cäsium-137 im Jahr 1986).  

Wie gelangt das Cäsium-137 in Pilze und Wildschweine?

In Waldböden bleibt das Cäsium-137 längere Zeit in oberen Bodenschichten gebunden, als dies bei Böden der Fall ist, die landwirtschaftlich genutzt werden. Das liegt unter anderem daran, dass die Böden unterschiedlich mineralisiert sind. Einige Pilzsorten können das im Waldboden vorhandene Cäsium-137 besonders leicht aufnehmen und speichern. So kann das Isotop entweder durch die Pilze selbst oder über Wildschweine, die solche Pilze auf ihrem Speiseplan stehen haben, in die menschliche Nahrungskette gelangen.

Mit den Jahren wandert das Cäsium im Boden immer tiefer und findet dadurch schlechter seinen Weg in Pilze und Pflanzen. Eine Ausnahme bilden allerdings Pilze wie der Hirschtrüffel, der unterirdisch wächst und Cäsium-137 in seinem Fruchtfleisch anreichert. Wildschweine graben ihn in den Wintermonaten auf der Suche nach Futter aus. Dies erhöht wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass sie – im Vergleich zu den Sommermonaten mit anderen Nahrungsbestandteilen – vermehrt Cäsium-137 aufnehmen.     

Aktuelle Studie: Relevanz von Kernwaffentests als Ursprung von Cäsium-137 größer als bisher angenommen

Bisher ging man davon aus, dass die in Wildschweinen nachgewiesene Belastung mit Cäsium-137 maßgeblich aus dem Reaktorunfall von Tschernobyl resultiert. Eine aktuelle Studie von Forschenden der Universität Hannover und der Technischen Universität Wien, die im Fachmagazin Environmental Science & Technology veröffentlicht wurde, legt nun nahe, dass das Cäsium-137 wohl zu einem größeren Teil (bis zu 68 Prozent) aus oberirdischen Atomwaffentests in den 1950er und 1960er Jahren stammt.

Um herauszufinden, welchen Ursprung das Cäsium-137 hat, hatten die Forschenden das Verhältnis der Cäsium-Isotope Cäsium-135 und Cäsium-137 bestimmt. Die beiden Atomarten unterscheiden sich durch die Anzahl ihrer Neutronen im Kern, sind also unterschiedlich schwer. Das Mengenverhältnis dieser Isotope stellt eine Art „radiologischen Fingerabdruck“ dar, der es erlaubt, die Herkunft des Cäsiums (Reaktorunfall oder Atombombenexplosion) nachzuweisen. 

Wie gefährlich ist Cäsium-137 für den Menschen?

Radioaktives Cäsium-137 findet sich unter anderem in bestimmten Wildpilzen und kann sich im Muskelgewebe von Wildtieren anreichern und über diese Wege in die menschliche Nahrungskette gelangen. Für Lebensmittel, die in Deutschland für den Handel bestimmt sind, gilt ein Höchstwert von 600 Becquerel je Kilogramm Frischmasse (Bq/kg) (siehe auch Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit). Dieser Höchstwert gilt europaweit. Für Milchprodukte und bei Nahrung für Säuglinge und Kleinkinder gilt ein Höchstwert von 370 Bq/kg.

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat in seiner aktuellen Erhebung für einige Wildpilzarten Werte von über 1.000 Bq/kg ermittelt (siehe Pilzbericht). Auch in Wildschweinfleisch wurden im Rahmen der oben genannten Untersuchung mitunter deutlich höhere Werte von bis zu 15.000 Bq/kg ermittelt. Laut BfS führt der Verzehr von 200 Gramm Pilzen mit 2.000 Bq/kg Cäsium-137 zu einer Strahlendosis von etwa 0,005 Millisievert. Zur Einordnung: Ein Flug von Frankfurt nach New York resultiert in einer effektiven Dosis von 0,032 bis 0,075 Millisievert.    

Die vom BfS erhobenen Messwerte zu Pilzen unterscheiden sich je nach Region erheblich. Zum einen lagerte sich Cäsium-137 aufgrund der Wetterverhältnisse in einigen Gebieten stärker ab als in anderen. So lassen sich unter anderem in Teilen des Bayerischen Waldes oder dem Alpenland höhere Konzentrationen von Cäsium-137 nachweisen. Darüber hinaus spielt auch die Bodenbeschaffenheit und die jeweilige Pilzart eine Rolle bei der Aufnahme von Cäsium-137. Entsprechend kann auch die Belastung bei Wild variieren. Neben dem besonders belasteten Süden Deutschlands zeigten aber auch Messungen in anderen Bundesländern in der Vergangenheit erhöhte Werte, wie zum Beispiel eine Untersuchung aus Rheinland-Pfalz zeigt. Auch bei Daten, die in den Jahren 1986 - 1989 von der Universität Göttingen in Niedersachsen und Hessen erhoben wurden, wurde eine Belastung von Wildschweinfleisch zwischen 6 und 5.425 Bq/kg ermittelt.

Da die oben genannten Grenzwerte von 600 beziehungsweise 370 Bq/kg nur für Produkte gilt, die für den Handel bestimmt sind und nicht für selbst gesammelte Pilze und selbst erlegtes Wild, rät das BfS: „Wer seine persönliche Strahlendosis verringern möchte, sollte in den höher belasteten Gebieten Deutschlands auf den übermäßigen Genuss selbst erlegten Wildes und selbst gesammelter Pilze verzichten.“ In den üblichen Mengen sei die zusätzliche Strahlendosis beim Verzehr von Wildpilzen und Wild jedoch vergleichsweise gering.