Endlagerung mit Temperaturlimit? Untersuchungen der GRS zur Temperatur an der Außenfläche von Endlagerbehältern

In Deutschland sollen hochradioaktive Abfälle in einem Endlager im tiefen geologischen Untergrund eingelagert werden. Auch nach ihrer Einlagerung findet in den Abfällen radioaktiver Zerfall statt. Die dabei freiwerdende Wärme wird über die Oberfläche der Behälter an das umliegende Wirtsgestein abgegeben werden. Welche Einflüsse die Wärmeabgabe hat und welche Temperaturen zulässig im Hinblick auf die Sicherheit eines Endlagerkonzeptes sein können, haben Fachleute der GRS in einer Studie im Auftrag des Bundesamts für die Sicherheit der Nuklearen Entsorgung (BASE) untersucht.

Wie sich Wärme auf Gestein auswirken kann

Ist ein Gestein einer Wärmezufuhr ausgesetzt, wirkt sich das auf die Temperatur und die thermischen Eigenschaften, wie beispielsweise die Wärmeleitfähigkeit, aus. Die Zunahme der Temperaturen kann zu Veränderungen bei den mineralogischen, mechanischen und chemischen Eigenschaften des Gesteins führen. So kann eine höhere Gesteinstemperatur die Anfälligkeit für eine Zersetzung oder Rissbildung verstärken oder den pH-Wert des Grundwassers im Gestein beeinflussen. Diese Prozesse wirken zudem wechselseitig und können sich positiv oder negativ auf die Endlagersicherheit auswirken. 

Wie warm wird ein Endlagerbehälter?

Welche Temperatur an der Außenfläche eines Behälters nach dessen Einlagerung herrscht, ist von mehreren Faktoren abhängig. Fragen, die hierbei eine Rolle spielen, sind die Höhe der im Behälter entstehenden Wärmeleistung und die Wärmeleitfähigkeit der den Behälter umgebenden Materialien. Im Hinblick auf das Endlagerkonzept als Ganzes muss auch berücksichtigt werden, wie viele Behälter in einem Bereich eingelagert sind und entsprechend gemeinsam Wärme an die Umgebung abgeben. Aber auch die Eigenschaften der geotechnischen Barriere, z. B. sogenannter “Buffer“, die zwischen Behälter und geologischer Umgebung liegt, sind Einflussgrößen, die sich auf die Temperatur an der Behälteroberfläche auswirken.

Ausschnitt aus der Simulation eines virtuellen Endlagerbergwerks: Drei Abfallbehälter wurden in eine Strecke eingebracht, um die Ausbreitung der von ihnen ausgehenden Wärme mit der GRS-Software VIRTUS zu simulieren (Quelle: GRS)

Untersuchungen der GRS und Forschungsstand in Deutschland

Für die Entwicklung und Planung eines Endlagerkonzepts ist es wichtig zu wissen, wie sich das Gestein bei verschiedenen Temperaturen verhält und ob es deshalb beispielsweise sinnvoll ist, eine maximal zulässige Temperatur für die einzulagernden Behälter festzulegen, die sogenannte Grenztemperatur nach dem StandAG. Diesen Fragen sind Forschende der GRS in der Studie „Untersuchungen zu den “maximalen physikalisch möglichen Temperaturen” gemäß § 27 StandAG im Hinblick auf die Grenztemperatur an der Außenfläche von Abfallbehältern“ für die drei in Deutschland in Frage kommenden Wirtsgesteine Steinsalz, Tonstein und Kristallingestein nachgegangen. Hierzu wurden temperaturabhängige Prozesse und Eigenschaften ermittelt und deren Relevanz für die Festlegung einer zulässigen Grenztemperatur eingeschätzt. Zudem wurde der internationale Forschungsstand im Hinblick auf die Festlegung einer zulässigen Grenztemperatur bei der Einlagerung radioaktiver Abfälle erhoben.

Da man sich in Deutschland derzeit noch am Beginn des Suchverfahrens für einen Endlagerstandort befindet, wurde im Standortauswahlgesetz (StandAG) eine vorläufige Grenztemperatur von 100 Grad Celsius aufgenommen. Konkret heißt es darin: „Solange die maximalen physikalisch möglichen Temperaturen in den jeweiligen Wirtsgesteinen aufgrund ausstehender Forschungsarbeiten noch nicht festgelegt worden sind, wird aus Vorsorgegründen von einer Grenztemperatur von 100 Grad Celsius an der Außenfläche der Behälter ausgegangen.“
Im Rahmen ihrer Studie kommen die Forschenden der GRS zu keinem eindeutigen Ergebnis in Form einer konkreten Angabe für eine pauschale Grenztemperatur für die in Deutschland untersuchten Wirtsgesteine. Vielmehr wurde dabei deutlich, dass eine Temperaturvorgabe wegen der zahlreichen Wechselwirkungen und Abhängigkeiten nur bei Kenntnis eines konkreten Sicherheits- und Endlagerkonzeptes sinnvoll wird.

Ein Grund hierfür sind die individuellen Eigenschaften der Wirtsgesteine, die in Sicherheitskonzepten zu berücksichtigen sind. Während beispielsweise höhere Temperaturen im Steinsalz dessen einschlusswirksame Eigenschaft, das sogenannte „Kriechen“, unterstützen kann, kann (zu viel) Wärme im Ton- und Kristallingestein sicherheitsrelevante Eigenschaften wie Sorptionsfähigkeit und Quellvermögen verschlechtern und schlimmstenfalls neue Wegsamkeiten für Wasser entstehen lassen. Allein schon daraus können sich unterschiedliche Grenztemperaturen ergeben.
Darüber hinaus sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Ansicht, dass die Grenztemperatur für einen konkreten Standort gegebenenfalls neu bestimmt werden können sollte, wenn ein Sicherheits- und Endlagerkonzept schrittweise an die konkreten geologischen Bedingungen angepasst wird. In der Studie wird davon ausgegangen, dass belastbare Daten hierfür erst im Rahmen der untertägigen Erkundung eines konkreten Standortes ermittelt werden können.  

Auch im Hinblick auf den Aspekt der Langzeitsicherheit und auf eine Rückholung beziehungsweise Bergung der Abfälle müssen die Vor- und Nachteile, die sich aus einer Festlegung einer Grenztemperatur ergeben, in Sicherheitsanalysen untersucht werden, so die Empfehlung der Forschenden. Insbesondere beim Thema Langzeitsicherheit sollte vermieden werden, dass es in Folge einer Festlegung noch vor einer Entscheidung über Sicherheits- und Endlagerkonzepte zu vermeidbaren Einschränkungen bei den sicherheitstechnischen Optimierungsmöglichkeiten kommt.

Die Durchsicht der Regelwerke in einigen anderen europäischen Staaten und den USA zeigte zudem auf, dass bisher keine wirtsgesteins- oder konzeptübergreifenden gesetzlichen Regelungen zur Temperatur an der Außenseite der Behälter im Sinne einer Grenztemperatur vorgegeben worden sind. Vielmehr werden Festlegungen für Temperaturen anhand sicherheitstechnischer Untersuchungen erst getroffen, nachdem ein Standort beziehungsweise ein Wirtsgestein festgelegt wurde.

Weiterführende Informationen

>> Bericht „Untersuchungen zu den “maximalen physikalisch möglichen Temperaturen” gemäß § 27 StandAG im Hinblick auf die Grenztemperatur an der Außenfläche von Abfallbehältern“ (GRS-A-3948) auf der Webseite des BASE
>> Geowissenschaftliches Labor der GRS in Braunschweig
>> Erklärvideos der GRS zur Endlagersuche auf Youtube: #1 Das Auswahlverfahren und #2 Warum brauchen wir ein Endlager?