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Kernkraftwerk Olkiluoto

Finnlands EPR „Olkiluoto-3“ nimmt kommerziellen Betrieb auf

Am 16. April 2023 um 01.00 Uhr morgens, nur eine Stunde nach der Abschaltung der letzten drei deutschen Kernkraftwerke (KKW), hat das KKW Olkiluoto-3 in Finnland seinen kommerziellen Betrieb aufgenommen. Der Reaktor speist den erzeugten Strom nun zu marktüblichen Konditionen in das finnische Stromnetz ein. Dem vorausgegangen waren die Inbetriebnahmearbeiten und ein 30-tägiger Probebetrieb. Mit einer elektrischen Leistung von 1.600 Megawatt (MW netto) ist die Anlage vom Typ Europäischer Druckwasserreaktor (EPR) der leistungsstärkste Reaktor der Welt.

Meilensteine und Stolpersteine

Der Auftrag zum Bau des finnischen EPR wurde Ende 2003 an ein Konsortium aus der französischen Areva (heute Framatome) und der deutschen Siemens AG (heute Siemens Energy) vergeben. Als Referenzanlagen wurden die deutschen Anlage Isar-2 und die französischen N4-Anlagen herangezogen. Das Projekt startete mit dem Ziel, den Druckwasserreaktor bis zum Jahr 2009 für einen Gesamtbetrag von etwa 3 Milliarden Euro fertigzustellen. 2005 begannen die Bauarbeiten, wobei Areva den nuklearen und Siemens den konventionellen Kraftwerksteil verantwortete. 

Bereits zu Beginn der Bauphase kam es zu ersten Verzögerungen. So wurde zur Herstellung von Fundamenten beispielsweise ungeeigneter Beton verwendet. Zahlreiche weitere technische Probleme führten in den darauffolgenden Jahren immer wieder dazu, dass der ursprünglich vorgesehene Termin für die Inbetriebnahme verschoben werden musste. Außerdem kam es zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zu gegenseitigen Mehrkostenforderungen.
 

Olkiluoto-3 (links im Bild) ist das erste KKW vom Typ EPR, das in Europa realisiert wurde. Nebenstehend die älteren Anlagen Olkiluoto-1 und -2, beides Siedewasserreaktoren schwedischer Bauart
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Olkiluoto-3 (links im Bild) ist das erste KKW vom Typ EPR, das in Europa realisiert wurde. Nebenstehend die älteren Anlagen Olkiluoto-1 und -2, beides Siedewasserreaktoren schwedischer Bauart

Im März 2021 konnte Olkiluoto-3 schließlich erstmals mit Kernbrennstoff beladen werden. Damit galt das KKW bautechnisch als fertiggestellt – mehr als zehn Jahre nach dem anfangs geplanten Termin. Während der daran anschließenden weiteren Inbetriebnahme wurde der Reaktor am 21. Dezember 2021 das erste Mal kritisch (siehe auch Glossareintrag zu „Kritikalität“). Generell umfasst die Inbetriebnahme bei einem KKW mehrere Phasen und kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen. In diesem Zeitraum werden alle Komponenten eines neu erbauten KKW in ihrer vorgesehenen Funktion getestet und, wie der Name schon sagt, erstmals „in Betrieb genommen“. Zu diesen Komponenten zählt beispielsweise auch die so genannte Lademaschine im Containment, die für das Umladen der Brennelemente eingesetzt wird.

Der finnische EPR wurde im Zuge der Inbetriebnahme am 12. März 2022 erstmals an das nationale Stromnetz angeschlossen. Über einen Zeitraum von vier Monaten wurde die Leistung des Reaktors dabei schrittweise (5 %, 30 %, 60 %) auf 1.600 MW erhöht, die im Herbst 2022 erreicht wurden. Während des Probebetriebs erhält der Betreiber noch keine Vergütung für den in das Netz eingespeisten Strom. Auch während dieser Phase der Inbetriebnahme kam es noch mehrfach zu Verzögerungen. So fand sich im Sommer 2022 Fremdmaterial im Dampf-Zwischenüberhitzer der Turbine, was Reparaturen erforderlich machte. Im Herbst desselben Jahres wurden dann Schäden an den Speisewasserpumpen festgestellt, sodass die Inbetriebnahmearbeiten erst Ende 2022 wieder aufgenommen werden konnten.

Der letzte Teil des Inbetriebnahmeprozesses ist der sogenannte Probebetrieb. Vereinfacht gesagt muss hierbei gezeigt werden, dass das KKW Strom entsprechend den Anforderungen des Netzbetreibers produzieren und ins Netz einspeisen kann.

Blick in die Turbinenhalle des EPR während der Bauzeit
© TVO
Blick in die Turbinenhalle des EPR während der Bauzeit

Mit dem nun erfolgten Start des kommerziellen Betriebs wird Olkiluoto-3 zukünftig etwa 14 % des gegenwärtigen Strombedarfs in Finnland decken.    

Technische Besonderheiten des EPR

Im Vergleich zu KKW, wie sie zuletzt beispielsweise in Deutschland betrieben wurden (Generation II), ist der EPR ein sogenanntes evolutionäres Konzept und wird der Generation III zugeordnet. Das bedeutet, dass das Design zwar auf der Technologie basierender KKW beruht, aber unter anderem die Sicherheitstechnik weiterentwickelt wurde. So wurde der EPR unter anderem dahingehend ausgelegt, dass er einen schweren Reaktorunfall mit Kernschmelze beherrscht (Core-Catcher), ohne dass es zur Freisetzung von Radioaktivität in die Umgebung kommt.

Neben der Sicherheit stand bei der Entwicklung des EPR insbesondere auch die Wirtschaftlichkeit im Fokus. Diese wurde unter anderem durch die Steigerung der Netto-Leistung auf 1.600 MW verbessert – im Vergleich zu Druckwasserreaktoren der vorigen Generation, die maximal 1.400 MW erreichten (z. B. Isar-2).

Kernkraftwerke in Finnland

Olkiluoto ist einer von zwei Standorten, an denen Finnland Kernkraftwerke betreibt. Neben Olkiluoto-1 und -2 – beides Siedewasserreaktoren schwedischer Bauart, die zum Energieunternehmen TVO gehören – betreibt Fortum Power in Loviisa zwei Druckwasserreaktoren russischer Bauart. Mit Olkiluoto-3 kommt nun ein fünfter Reaktor zum nuklearen Portfolio Finnlands hinzu. Dabei handelt es sich um den ersten Europäischen Druckwasserreaktor (EPR), der in Europa den kommerziellen Betrieb aufnimmt. Bereits 2018 und 2019 haben zwei EPR in China den kommerziellen Betrieb aufgenommen.