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Pyramiden von Gizeh

Immer und ewig: Wie geben wir Wissen über Endlager an künftige Generationen weiter?

Die alten Griechen bauten ihre Akropolis vor 2.400 Jahren, die Ägypter ihre Pyramiden vor rund 4.500 Jahre und die ältesten Höhlenmalereien sind älter als 35.000 Jahre. Für die Genehmigung eines Endlagers in Deutschland ist nachzuweisen, dass die eingelagerten hochradioaktiven Abfälle mehr als eine Million Jahre sicher von der Umwelt ferngehalten werden. Ein fast unvorstellbar langer Zeitraum. Ein Endlager soll dabei so beschaffen sein, dass die Abfälle – ohne dauerhafte Überwachung oder menschliches Zutun – über diesen Zeitraum von der Umwelt abgeschirmt bleiben.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Wissen über die Existenz und mögliche Risiken eines Endlagers in Vergessenheit geraten darf. Länder, die die geologische Endlagerung von radioaktiven Abfällen vorsehen, stehen deshalb vor verschiedenen Herausforderungen. Zum einen müssen sie das Wissen über den Standort des Endlagers erhalten. Spätere Generationen sollen so vor einem versehentlichen Zugang zum Endlager – zum Beispiel durch Rohstoffbohrungen – geschützt werden. Zum anderen sollen für den Fall eines vorsätzlichen Eingriffs (z. B. zur Bergung oder Rohstoffnutzung) detaillierte Informationen über das Endlager und die Abfälle aufbewahrt bleiben. Aber wie könnte ein generationenübergreifender Wissenserhalt über sehr lange Zeiträume aussehen?

GRS an internationalem Forschungsprojekt der OECD beteiligt

Die Nuclear Energy Agency (NEA) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat vor kurzem die Ergebnisse eines Forschungsprojektes vorgestellt, das sich genau mit dieser Frage beschäftigte. Im Projekt „Preservation of Records, Knowledge and Memory (RK&M) Across Generations“ - kurz RK&M-Initiative - haben Fachleute aus 14 Ländern seit 2011 an möglichen Lösungsstrategien gearbeitet. Dafür sind Expertinnen und Experten der unterschiedlichsten Disziplinen im Projekt zusammengekommen, unter anderem aus der Endlagerforschung und Geologie, aber auch aus Archäologie, Soziologie und den Kommunikationswissenschaften. Die GRS hat das Projekt fachlich begleitet und im Laufe des Projekts die Leitung der Forschungsgruppe übernommen.

Ergebnisse des RK&M-Projekts

Nach achtjähriger Arbeit liegt nun der Abschlussbericht der Initiative und damit die derzeit aktuellste und umfassendste Zusammenfassung zur RK&M-Thematik vor. Der Bericht gibt einen historischen Überblick und nimmt dabei einige der populären Konzepte aus den 1980er und 1990er Jahren nochmals unter die Lupe. Er stellt internationale Entwicklungen vor, diskutiert ethische Aspekte und zeigt die Herausforderungen auf, die sich in diesem Bereich ergeben.

Die Forscherinnen und Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenwirken unterschiedlicher Methoden und Maßnahmen auf technischer, administrativer und gesellschaftlicher Ebene die vielversprechendste Strategie für langfristigen Wissens- und Informationserhalt darstellt. Bestandteile dieser Strategie können z. B. das Aufbewahren von Dokumenten und Akten – sowohl in Archiven als auch in Zeitkapseln – sein. Einfache Informationen können zusätzlich auch in Form von Markierungen oder Monumenten vor Ort „aufbewahrt“ werden. Das Endlager-Wissen kann beispielsweise über Schulen oder Bildungseinrichtungen unterschiedlicher Art weitergegeben werden.  

Eine besondere Rolle könnte dem sogenannten Key Information File (KIF) zukommen. Dabei handelt es sich um ein speziell zu erstellendes Dokument. Es soll diejenigen Informationen über das Endlager (z. B. Größe, Lage, eingelagerte Abfälle, Historie) enthalten, die mindestens nötig sind, um Wesen und Zweck des Endlagers zu verstehen. Auch internationale Verträge und Richtlinien, Sicherheitsvorkehrungen und Überwachung, die Pflege des industriellen Erbes, oder die zielgerichtete Neunutzung des Ortes z. B. in Form eines Museums können Werkzeuge des Wissenserhalts sein.

Die Komponenten eines Systems zum Wissenserhalt ergänzen und verstärken sich wechselseitig. Wichtig ist eine vielfältige Kommunikation, die unterschiedliche Zeitspannen (die ersten 50 Jahre, 1.000 Jahre und darüber hinaus) im Blick behalten muss. Die Fachleute verdeutlichen in ihrem Bericht anhand eines hypothetischen Fallbeispiels, wie reichhaltig eine RK&M-Strategie gestaltet werden kann. Wie eine Strategie für ein konkretes Endlager aussieht, muss und soll allerdings eine nationale Entscheidung bleiben, die vom gegebenen Kontext abhängt. Die OECD-Gruppe empfiehlt, sich frühzeitig mit der Thematik auseinanderzusetzen.

Lage in Deutschland: Fachleute stehen am Anfang

Derzeit gibt es weder in Deutschland noch den meisten anderen Ländern eine umfassende Strategie, was den Erhalt bzw. die Weitergabe von Wissen über ein Endlager für hochradioaktive Abfälle betrifft. Erste Hinweise für eine deutsche Vorgehensweise finden sich in den Sicherheitsanforderungen für Endlager des Bundesumweltministeriums von 2010, an deren Aktualisierung gerade gearbeitet wird. Danach sollen alle wichtigen Daten, unter anderem die genaue Lage und Größe des Endlagers und die Eigenschaften der Abfälle, dokumentiert werden. Die entsprechenden Dokumente sollen während der Betriebsphase regelmäßig aktualisiert und nach Verschluss des Endlagers als vollständige Sätze an zwei räumlich getrennten Orten aufbewahrt werden.

Das neue Standortauswahlgesetz spricht von „Daten und Dokumente[n], die für die End- und Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle bedeutsam sind oder werden können“ und legt fest, dass eine noch zu erlassende Rechtsverordnung des Bundesumweltministeriums Einzelheiten, wie z. B. Inhalt, Umfang, Speicherung und Nutzung, festschreiben soll.

Die Ergebnisse des OECD-Projekts sollen einen Beitrag zu einer verantwortlichen und dem Gedanken der Nachhaltigkeit verpflichteten Entsorgung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland und anderen Ländern leisten.

Weitere Informationen

>> Abschlussbericht der RK&M-Initiative

>> OECD-Projektseite der RK&M-Initiative

>> Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle