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Kernkraftwerksstandorte Ukraine

Informationen zur kerntechnischen Sicherheit in der Ukraine (letztes Update: 09.03.2022, 14:00 Uhr)

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine stellt die GRS an dieser Stelle Informationen zu den ukrainischen Kernkraftwerken (KKW) und sonstigen kerntechnischen Einrichtungen bereit. Fachleute der GRS stehen in kontinuierlichem Austausch mit ihren ukrainischen Kolleginnen und Kollegen, um aktuelle Informationen zur Einschätzung der Lage zu erhalten. Dieser Beitrag wird fortlaufend aktualisiert, soweit neue Informationen vorliegen. Änderungen zur Vorversion sind in kursiver Schrift hervorgehoben.

ACHTUNG: Seit dem 10.3. führen wir unsere Updates zur Situation in der Ukraine auf dieser Seite weiter.

 

Situation am KKW Tschernobyl nach Ausfall der externen Stromversorgung

Am 09.03.2022 gegen 11:30 Uhr Ortszeit meldete der ukrainische Netzbetreiber NPS Ukrenergo auf Facebook, dass die bisherige 750-kV-Leitung zur Versorgung des Standortes Tschernobyl, die seit einigen Tagen die einzige Verbindung zum ukrainischen Landesnetz dargestellt hat, infolge von Kriegshandlungen unterbrochen wurde. Damit ist die Energieversorgung für den Standort aus dem Landesnetz der Ukraine heraus nicht mehr gegeben. Für diesen Fall sieht das Betriebsregime des KKW Tschernobyl die Versorgung der sicherheitsrelevanten Verbraucher, wie zum Beispiel des Kraftwerks und des Nasslagers für abgebrannte Brennelemente (ISF-1), durch Notstromdiesel vor. 

Am Standort existieren zwei stationäre Notstromdiesel, die laut Aussage des Netzbetreibers NPS Ukrenergo und der Aufsichtsbehörde SNRIU für mindestens 48 Stunden mit Diesel versorgt werden können. Ein Dieselgenerator ist für die Aufrechterhaltung der Notstromversorgung zur Bespeisung der sicherheitsrelevanten Verbraucher ausreichend. Für den Fall, dass beide Dieselgeneratoren ausfallen, existiert am Standort ein mobiler Dieselgenerator, der an die Versorgung des ISF-1 in einem Zeitraum von max. acht Stunden angeschlossen werden kann und das ISF-1 mit Strom versorgen kann. 

Selbst bei Ausfall aller Notstromdieselaggregate ist beim derzeitigen Zustand des Standortes nicht von einer schnellen und größeren Freisetzung von Radioaktivität auszugehen. Die Brennelemente im ISF-1 lagern dort seit mindestens 20 Jahren und die Nachzerfallsleistung der Brennelemente ist mittlerweile so weit abgeklungen, dass eine Kühlung durch das vorhandene Wasserinventar ohne Zwangsumwälzung sichergestellt werden kann. Mögliche Verdunstungen würden erst nach mehreren Wochen zu einem signifikanten Wasserverlust führen. 

Dieser stellt mehr aus Strahlenschutzsicht denn aus Sicht der nuklearen Sicherheit ein Problem dar, da bei einem Verlust (auch partiell) des Lagerbeckenwassers die radioaktive Abschirmwirkung nachlassen würde, so dass ein Betreten des Lagers durch das Betriebspersonal nicht mehr ohne Weiteres mögliche wäre. Auch in diesem Fall würde sich jedoch für die Umgebung des Kraftwerkes oder für weiter entfernte Regionen keine sicherheitstechnisch bedenkliche Situation ergeben. 

Die technischen Einrichtungen zur Verpackung der Brennelemente in Lagerbehälter für die Trockenlagerung im ISF-2 sind derzeit bereits unterbrochen, so dass auch dort keine sicherheitstechnisch bedenkliche Situation vorliegt. Die Lager für feste und flüssige Abfälle am Standort des KKW stellen in der derzeitigen Situation ebenfalls kein sicherheitstechnisches Risiko dar.


Quelle:  ENSREG Stresstest, National Report Ukraine 

    Situation am Kernkraftwerk Saporischschja

    Am Morgen des 28.02. wurde Medienberichten zufolge das KKW Saporischschja von russischen Truppen eingenommen. Energoatom hat diese Meldung allerdings dementiert. Die IAEA hatte in diesem Zusammenhang am 02.03. informiert, dass das Gebiet um das KKW herum unter russischer Kontrolle sei.

    Ab etwa 23:30 (3.3.) bis 0:30 (4.3.) MEZ waren auf einem Live-Stream einer Überwachungskamera des KKW Saporischschja (auf dessen offiziellem YouTube-Kanal) in dem Bereich vor dem Verwaltungsgebäude der Anlage Militärfahrzeuge sowie Rauchentwicklung zu erkennen. Etwa zur selben Zeit veröffentlichte der Betreiber auf der Facebook-Seite des Kraftwerks Informationen über einen gegenwärtigen Angriff russischer Militärkräfte und warnte vor dem Beschuss der Anlage. Im Verlauf des Streams wurden kurzzeitig gegen 1:00 Uhr nach einem Schwenk der Kamera auch die in nördlicher Richtung angrenzenden Reaktorgebäude sichtbar.

    Screenshot der Überwachungskamera KKW Saporischschja

    Nach erster Einschätzung ging die zwischenzeitlich sichtbare Rauchentwicklung von einem Brand an bzw. in einem Gebäudekomplex aus, der sich ca. 200 m südwestlich vom Verwaltungsgebäude und ca. 300 m von dem ersten der nördlich angrenzenden Reaktorgebäude befindet. Bei diesem Gebäudekomplex handelt es sich um ein Ausbildungszentrum für das technische Personal der Anlage („Navchalʹno Trenuvalʹnyy Tsentr Pidhotovky Remontnoho Personalu "Vp Zaes"):

    Screenshot Überwachungskamera KKW Saporischschja (Youtube)
    Luftaufnahme KKW Saporischschja

    Aufnahmen aus dem Bereich der Reaktorgebäude ergaben keine äußerlich sichtbaren Hinweise auf größere Beschädigungen, der tatsächliche Zustand der Anlagen lässt sich daraus jedoch nicht sicher ableiten:

    Screenshot Überwachungskamera des KKW Saporischschja (Youtube)
    Screenshot Überwachungskamera des KKW Saporischschja (Youtube)

    Die IAEA teilte dazu am 04.03. mit, dass das Feuer nach Information der ukrainischen Aufsichtsbehörde SNRIU keine „wesentliche Ausrüstung“ beschädigt hat und dass die radiologische Situation auf dem Anlagengelände im Normalbereich sei.

    SNRIU informierte in einem Facebook-Post am 04.03., dass nun auch die Blöcke 2 und 3 vom Netz sind. Einzig Block 4 ist mit einer Leistung von 690 Megawatt in Betrieb. Die Blöcke 5 und 6 waren bereits in den Tagen zuvor abgeschaltet worden, Block 1 befindet sich in Wartung. 

    Laut Meldung von SNRIU am 04.03. wurde das KKW “seized by the military forces of the Russian Federation.” Demnach arbeitet das Betriebspersonal weiter und überwacht den Anlagenbetrieb. Es werden Begehungen durchgeführt, um eventuelle Schäden auf dem Anlagengelände zu identifizieren. 

    Daten des automatischen Systems zur Messung der Strahlung im 30 km-Bereich um das KKW Saporischschja liegen aktuell alle im Normalbereich und sind hier zu finden.

    Am 04.03. um 15:30 Uhr OZ informierte die Aufsichtsbehörde SNRIU in einem Facebook-Post darüber, dass auf dem Gebiet des Trockenlagers für abgebrannte Brennelemente zwei Artilleriegeschosse gefunden wurden. 

    Am Morgen des 5.3. hat die Aufsichtsbehörde SNRIU darüber informiert, dass Block 2 seit dem Abend des 4.3. wieder Strom in das Landesnetz speist. Die Leistung von Block 2 betrage ggw. 750 MW, Block 4 speise mit knapp 1.000 MW Leistung ein; die Betriebsmannschaft des KKW stelle ggw. den Normalbetrieb sicher.

    Bereits am Abend des 4.3. und auch am 5.3. hat die Behörde außerdem auf ihrer Facebook-Seite Visualisierungen von sogenannten Ausbreitungsrechnungen für eine hypothetische Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Atmosphäre veröffentlicht. Nach Angaben der Behörde wurden für diese Berechnungen ein Unfallszenario mit Ausfall der Kernkühlung und anschließender Freisetzung sowie die aktuellen Wetterdaten für die kommenden drei Tage unterstellt.

    Ausbreitungsrechnung SNRIU am 04.03. auf Facebook-Kanal der Behörde

    Daten des automatischen Systems zur Messung der Strahlung im 30 km-Bereich um das KKW Saporischschja sind hier zu finden: https://npp.zp.ua/en/safety/arms, Daten des Messpunkts in Nikopol (ca. 15 km vom KKW Saporischschja entfernt) zudem über das europäische Portal EURDEP, in dem auch Daten zur gesamten Ukraine abrufbar sind: https://remap.jrc.ec.europa.eu/Advanced.aspx . Im Umfeld des KKW Saporischschja sind aktuell keine Abweichungen zu sonst üblichen Werten zu verzeichnen.

    In ihrer Facebook-Meldung am Morgen des 6.3. informiert die Behörde SNRIU, dass die Betriebsmannschaft des KKW die Überwachung und den Betrieb der Anlagen ausführt. Die Monitoringsysteme zur Radioaktivitätsüberwachung auf dem Anlagengelände funktionieren und zeigen keine Auffälligkeiten. SNRIU zeigt sich besorgt, dass die Anwesenheit der russischen Besatzer und militärischen Fahrzeuge auf dem Gelände zu psychischem Druck bei der Betriebsmannschaft führt.

    Gemeinsam mit der Betreiberin Energoatom und dem Energieministerium hat sich SNRIU daher auch in einem Brief an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gewandt. Darin fordern sie die Einrichtung einer Überwachungsmission an den kerntechnischen Anlagen der Ukraine.

    Situation am Kernkraftwerk Tschernobyl

    Am 25.02. meldeten zahlreiche Medien einen Anstieg der Ortsdosisleistung (ODL) an verschiedenen Messpunkten innerhalb der 30-Kilometer Sperrzone um das Kernkraftwerk Tschernobyl. Die Daten, die vom staatlichen Messnetz MEDO veröffentlicht werden, haben dies bestätigt. Die ODL-Werte waren an einigen Messpunkten im Bereich der Anlage zum Teil erheblich angestiegen (in der Spitze von ursprünglich ca. 3 Mikrosievert/Stunde (μSv/h) auf ca. 93 μSv/h), stellten jedoch keine unmittelbare Gefährdung für die dort Anwesenden dar. Nachdem die MEDO-Webseite vom 25.-27.02. nicht erreichbar war, konnten vom 28.02.-01.03. aktualisierte Werte abgerufen werden. Der Zugriff von extern funktionierte jedoch nur unregelmäßig. Die Spitzenwerte auf dem Anlagengelände (bis zu 93 μSv/h am 25.02.) sind demnach deutlich zurückgegangen und lagen zuletzt bei ca. 2-8 μSv/h (01.03.). Am 01.03. unterschieden sich an einigen Messstellen aktualisierte Werte von den davor veröffentlichten genau um einen Faktor zehn. Dies könnte auf einen Übertragungsfehler hindeuten. Am 03.03. informierte die ukrainische Aufsichtsbehörde darüber, dass es keinen öffentlichen Zugang zu den Daten des MEDO-Systems gebe.

    Zur Einordnung der vorgenannten Daten: Laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erhält eine in Deutschland lebende Person durch die Hintergrundstrahlung (kosmische und terrestrische Strahlung) jährlich etwa eine Dosis von 0,7 Millisievert (mSv). Das entspricht umgerechnet auf die einzelne Stunde etwa 0,078 μSv. 

    Die ukrainische Aufsichtsbehörde sieht für die erhöhten ODL-Werte ersten Meldungen zufolge die Militärbewegungen auf dem Gelände der Sperrzone verantwortlich, durch die Staub und damit radioaktives Material aufgewirbelt wurde. Wie unter anderem die Internationale Atomenergieorganisation IAEA mitteilt, soll es auf dem Gelände selbst zu keinen größeren Kämpfen oder Beschädigungen gekommen sein. Die ukrainische Atomaufsichtsbehörde SNRIU hat am 25.02. um 10 Uhr Ortszeit via Facebook mitgeteilt, dass alle Anlagen in einem kontrollierten Zustand sind und vom Betriebspersonal des SSE Chernobyl NPP betreut werden. Laut Meldung der IAEA vom 02.03. arbeitet immer noch dasselbe Personal vor Ort wie zum Zeitpunkt der militärischen Übernahme.

    In einem Brief an den Generaldirektor der IAEA (datiert mit 3.3., veröffentlicht am Abend des 4.3.) informiert die für die Verwaltung der Sperrzone zuständige State Agency of Ukraine on Exclusion Zone Management darüber, dass das dort tätige Personal nach wie vor nicht ausgewechselt werden könne und es in den Kontrolltätigkeiten (z. B. Strahlungsmessungen, Dekontaminationsarbeiten) zu erheblichen Abweichungen von den einschlägigen Regelungen komme; ein vollständiger Überblick über die radiologische Situation vor Ort sei damit nicht gegeben. Außerdem sei es infolge der Kampfhandlungen u. a. zu einer teilweisen Beschädigung der Anbindung der Anlage an das Landesnetz gekommen.

    SNRIU meldet auf seiner Webseite am 5.3., dass die Betriebsmannschaft des KKW seit 10 Tagen ununterbrochen im Einsatz ist. Verbunden mit der Anwesenheit militärischer Truppen und des daraus resultierenden Stresses, sorge man sich unter anderem, dass Bedienfehler auftreten können.    

    Kernkraftwerkstandorte in der Ukraine
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    Kernkraftwerksstandorte Ukraine

    Kernkraftwerke in der Ukraine

    In der Ukraine werden an vier Standorten insgesamt 15 Reaktorblöcke zur Stromerzeugung betrieben. Bei allen Blöcken handelt es sich um Druckwasserreaktoren russischer Bauart.

    Der größte Standort ist das KKW Saporischschja, der sich in etwa 250 Kilometern Entfernung südwestlich der von Separatisten kontrollierten Oblast Donezk befindet. Dort werden sechs Reaktoren des Typs WWER-1000 betrieben, die zwischen 1985 und 1996 ihren kommerziellen Betrieb aufgenommen haben. Jeder der Blöcke erzeugt im Volllastbetrieb eine Nettoleistung von 950 Megawatt (MW).

    Rund 250 Kilometer weiter westlich liegt das KKW Süd-Ukraine. Die drei an diesem Standort betriebenen Reaktorblöcke stammen auch aus der WWER-1000-Baureihe und weisen ebenfalls eine Nettoleistung von 950 MW auf. Sie wurden 1983, 1985 und 1989 in den Leistungsbetrieb genommen.

    Etwa 65 Kilometer südlich der Grenze zu Belarus befindet sich das KKW Rowno (auch: Riwne). Dort speisen ebenfalls zwei WWER-1000 Strom in das ukrainische Landesnetz ein, darunter mit Rowno-4 seit 2006 der jüngste ukrainische Reaktorblock; Rowno-3 hat seinen kommerziellen Betrieb 1987 aufgenommen. Seit 1981 bzw. 1982 produzieren außerdem zwei Reaktoren vom Typ WWER-440 eine Nettoleistung von je ca. 380 MW.

    In rund 150 Kilometern Entfernung zur belarussischen Grenze liegt das KKW Chmelnyzkyj, an dem seit 1988 bzw. 2004 zwei Reaktoren der WWER-1000-Baureihe im Leistungsbetrieb sind.

    Unmittelbar an Belarus angrenzend befindet sich schließlich das Gelände des früheren KKW Tschernobyl. Neben dem Block 4, der bei dem katastrophalen Unfall 1986 zerstört wurde und seit einigen Jahren unter einer neuen Schutzhülle eingeschlossen ist (weitere Informationen zum Unfall und dem New Safe Confinement), liegen dort auch die zwischen 1991 und 2000 stillgelegten Blöcke 1 bis 3. Auf dem Gelände befinden sich ebenso ein Nass- und Trockenlager für bestrahlte Brennelemente aus dem Betrieb des KKW Tschernobyl sowie Lager- und Verarbeitungseinrichtungen für flüssige und feste radioaktive Abfälle.

    Die ukrainischen KKW decken nach Angaben der Internationalen Energie Agentur (IEA) mit einer jährlich erzeugten Strommenge von ca. 75 Terawattstunden (TWh) gegenwärtig deutlich über die Hälfte des dortigen Stromverbrauchs (ca. 135 TWh in 2019). Bei der Versorgung der Anlagen mit Kernbrennstoff kann die Ukraine bislang nur bei einem Teil ihrer Reaktorblöcke auf Brennelemente eines westlichen Herstellers zurückgreifen.

    Aktuell befindet sich die Ukraine im Hinblick auf ihre Stromversorgung in einem sogenannten „Inselbetrieb“, d. h., ist mit ihrem Landesnetz nicht mit jenen ihrer Nachbarländer verbunden. Dadurch sind beispielsweise Stromimporte aus Belarus in einem Umfang von ca. 800 bis 900 MWh weggefallen. Eine dreitägige Testphase dieses Inselbetriebs war von der ukrainischen Regierung bereits Anfang Februar angekündigt worden. Mittelfristig wurde bislang der Anschluss an das europäische Verbundnetz angestrebt.

    Aktueller Zustand der weiteren KKW und sonstiger kerntechnischer Einrichtungen

    Am KKW Süd-Ukraine wurde Block 3 in der Nacht zum 26.02. vom Netz genommen; der Reaktorblock ist aktuell in Reserve, routinemäßige Reparaturarbeiten stehen an. Die Blöcke 1 und 2 laufen im Normalbetrieb. Das KKW Rowno hat 3 von 4 Reaktorblöcken am Netz; lediglich Block 1 ist wegen routinemäßiger Reparaturarbeiten nicht angeschlossen. Am Standort Chmelnyzkyj gilt das gleiche für Block 2, Block 1 läuft im Normalbetrieb.

    Nach aktuellem Stand sind damit 8 der insgesamt 15 KKW der Ukraine am Netz.

    Die beiden ukrainischen Forschungsreaktoren (in Kiew und Charkiw) wurden bereits Ende Februar heruntergefahren. Am 6.3. wurde das Forschungszentrum „Kharkiv Institute of Physics and Technology“ laut Angaben von SNRIU beschossen. Dabei wurden auch Schäden festgestellt, die den dortigen Forschungsreaktor betreffen (unter anderem zerstörte Umspannstation, beschädigte Kabel, Schäden am Gebäude selbst).

    Eine Umspannstation wurde vollständig zerstört
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    Zerstörte Umspannstation

    In der Nähe eines Lagers vom Radon-Typ für schwach- und mittelradioaktive Abfälle aus Medizin, Forschung und Industrie südlich von Kiew gab es eine Explosion. Das automatische Strahlungsüberwachungssystem fiel daraufhin aus, hat mittlerweile aber wieder den Normalbetrieb aufgenommen. Erhöhte Strahlungswerte wurden weder durch dieses System noch bei zusätzlich durchgeführten manuellen Messungen festgestellt.

    In einem weiteren Lager dieses Typs in der Nähe von Charkiw wurde zudem ein Transformator beschädigt. Auch hier fiel das automatische Strahlungsüberwachungssystem aus. Der Betrieb dieses Systems konnte noch nicht wieder hergestellt werden.

    Sowohl die Aufsichtsbehörde SNRIU als auch die Betreiberorganisation der Abfalllager haben bestätigt, dass es in beiden Fällen zu keinen größeren Schäden kam und die radiologische Lage unverändert stabil sei.

    Die Webseite des Betreibers Energoatom ist aufgrund eines Cyberangriffs derzeit nicht von extern aufrufbar, wie in einer Facebookmeldung vom 5.3. mittgeteilt.

     

    Aktivitäten der GRS

    Die GRS arbeitet seit vielen Jahren im Rahmen verschiedenster (Forschungs-)Projekte mit der Aufsichtsbehörde SNRIU (State Nuclear Regulatory Inspectorate of Ukraine) und der Technischen Sicherheitsorganisation SSTC NRS (State Scientific and Technical Center for Nuclear and Radiation Safety) zusammen. Wesentliche Ziele der Zusammenarbeit sind der Erhalt und die Erhöhung der kerntechnischen Sicherheit der ukrainischen KKW und des entsprechenden Know-hows. Ein regelmäßiger Austausch zu aktuellen kerntechnischen Themen findet zudem über eine ständige Kontaktstelle der GRS bei der Behörde in Kiew statt. Finanziert werden die Arbeiten der GRS im Wesentlichen durch das Bundesumweltministerium. Darüber hinaus sind auch das Auswärtige Amt und die Europäische Kommission Mittelgeber.

    Seit Jahrzehnten ist die GRS zudem im Rahmen von – teils auch internationalen – Forschungsvorhaben zum Reaktorunfall von Tschernobyl tätig. Dies umfasst unter anderem die Unterstützung der Behörde hinsichtlich der Genehmigung des New Safe Confinements (NSC), bei Fragestellungen zum Rückbau des alten Sarkophags und den Umgang mit radioaktiven Abfällen am Standort. Darüber hinaus entwickeln Forschende der GRS zusammen mit ukrainischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die „Shelter Safety Status Database“ (SSSDB), in der Daten zur radiologischen Situation vor Ort gesammelt werden.

    Ein enger Austausch findet auch im Bereich der Reaktorsicherheitsforschung statt. So werden spezielle Simulationsprogramme der GRS mithilfe von Daten aus der Ukraine so modifiziert, dass damit gemeinsam Störfallszenarien für die dort betriebenen Anlagen analysiert werden können. Die Ergebnisse solcher Analysen fließen in die Konzeption von Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit dieser Anlagen ein.

    Darüber hinaus unterstützt die GRS im Auftrag des Auswärtigen Amtes seit vielen Jahren die ukrainischen Partner im Bereich der Sicherung der dortigen kerntechnischen Anlagen gegen sogenannte „Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter“ (kurz: SEWD). Unter diesem fachsprachlichen Begriff wird beispielsweise das unbefugte Eindringen mit dem Ziel der Sabotage oder der Entwendung von radioaktiven Stoffen verstanden. Fachleute der GRS arbeiten dabei mit ukrainischen Expertinnen und Experten zusammen, um den physischen Schutz von Kernkraftwerken vor SEWD konzeptionell an den aktuellen Stand der Technik anzupassen und – ebenfalls gefördert durch die Bundesregierung sowie durch den ukrainischen Staat – entsprechende technische Nachrüstungen umzusetzen.