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Kernkraftwerk Civaux

Informationen zur Leckage am Primärkreis des französischen KKW Civaux 1

Am 2. November 2022 ist es nach Angaben des Betreibers EdF bei einer sogenannten Druckprobe im Kernkraftwerk (KKW) Civaux 1 zu einer Leckage am Primärkreis gekommen.

Das KKW ist seit August 2021 abgeschaltet und wird gegenwärtig einer nach dem französischen Regelwerk alle zehn Jahre durchzuführenden, umfangreichen Sicherheitsüberprüfung unterzogen (sog. visite décennale; diese ist Voraussetzung für einen Betrieb über weitere zehn Jahre). Die Druckprobe, bei der der Primärkreis zur Prüfung der Dichtigkeit mit einem Druck von 206 bar anstelle der im Betrieb üblichen 155 bar beaufschlagt wird, ist Teil dieser Sicherheitsüberprüfung. Bei Druckwasserreaktoren wie dem in Civaux besteht der Primärkreis im Wesentlichen aus dem Reaktordruckbehälter (RDB), in dem sich der Reaktorkern befindet, und den daran anschließenden Primärkühlkreisläufen.

Die Leckage ist an einer von mehreren Rohrleitungen aufgetreten, die von einem unterhalb des RDB liegenden Nebenraum zum RDB-Boden führen und dort an kleinen Stutzen anschließen. In dieser Rohrleitung befindet sich ein weiteres, dünneres Führungsrohr, durch das während des Betriebs in regelmäßigen zeitlichen Abständen von dem genannten Raum aus eine sogenannte Messlanze in den RDB eingeführt wird, um mit einem speziellen Sensor im Bereich des Reaktorkerns die dort herrschende Neutronenstrahlung zu messen. Mit diesen Leitungen, die von unten durch die RDB-Wand führen, unterscheiden sich der RDB im KKW Civaux und einer Reihe weiterer französischer KKW vom RDB-Design der deutschen Druckwasserreaktoren, bei denen der RDB-Boden vollständig geschlossen ist.

Während der Druckprobe war das im Nebenraum befindliche Ende der äußeren Rohrleitung, durch das die Messlanze eingeführt werden kann, mit einem Stopfen verschlossen. Dieser Stopfen hat sich bei einem Druck von knapp unter 200 bar gelöst. In der Folge trat zum einen Wasser aus dem RDB bzw. dem Primärkreis aus. Zum anderen wurde infolge des hohen Druckgefälles das innere Führungsrohr aus der äußeren Rohrleitung heraus in den Nebenraum geschoben.

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die Rohrleitung durch im Nebenraum befindliche Ventile abzusperren und damit den Austritt von Wasser aus dem Primärkreis zu unterbinden. Im vorliegenden Fall wurde aufgrund der vergleichsweise hohen Strahlung, die nach dem Versagen des Stopfens im Nebenraum herrschte und im Rahmen der gesetzlichen Grenzwerte lediglich einen Aufenthalt von wenigen Minuten gestattet hätte, davon jedoch abgesehen. Diese Strahlung rührte von dem herausgeschobenen Führungsrohr her, in dessen Wandmaterial sich im RDB infolge sogenannter Aktivierung während des Reaktorbetriebs hochradioaktive Stoffe gebildet haben. Das ausgetretene Wasser hingegen war lediglich schwach kontaminiert, da die Brennelemente seit geraumer Zeit aus dem RDB entladen sind. Daher ist seitdem im RDB keine Quelle für Neutronenstrahlung mehr vorhanden, die im Leistungsbetrieb zu einer Aktivierung von Inhaltsstoffen im Kühlwasser führt.

Am 10. November teilte der Betreiber mit, dass es mithilfe eines Roboters gelungen sei, das Führungsrohr zu bergen und in eine strahlungsabschirmende Einrichtung zu verbringen, die in einem weiteren Raum errichtet worden war. Anschließend sei der Wasseraustritt gestoppt worden. Das bis dahin ausgetretene Wasser sei vollständig aufgefangen und für eine nachfolgende Aufbereitung in einem Tank gelagert worden. Bei dem Ereignis sei es weder zu einem Austritt von Radioaktivität in die Umwelt noch zu einer erhöhten Strahlungsexposition von Mitarbeitern gekommen.

In einer Meldung vom 18. November teilte der Betreiber EdF mit, dass die Druckprobe im Primärkreis von Civaux-1 am Vortag bei einem Druck von 206 bar und unter Anwesenheit von Inspektoren der Aufsichtsbehörde ASN durchgeführt und abgeschlossen wurde. Weitere Arbeiten im Rahmen der zehnjährigen Sicherheitsüberprüfung würden nun fortgesetzt werden.