(GRS A 3862) Erhaltung und Weiterentwicklung der Sicherheitskultur in Kernkraftwerken unter Berücksichtigung der aktuellen Randbedingungen der Kernenergienutzung in Deutschland

W. Faßmann, J. Beck, W. Preischl

Der vorliegende Bericht präsentiert Möglichkeiten, die Sicherheitskultur in Kernkraft­werken zu fördern. Die Herausforderungen der Stilllegung und des Rückbaus der An­lagen werden berücksichtigt. Die Beschreibung der Förderungsmöglichkeiten umfasst zwei Teile.
In einem ersten Teil werden die Vorgehensweisen bestimmt, die das deutsche kern­technische Regelwerk zur Förderung der Sicherheitskultur umfasst. Grundlage dieser Bestimmung ist eine detaillierte Analyse des Sicherheitskulturbegriffs aus dem deut­schen kerntechnischen Regelwerk, der den Sicherheitskulturbegriff der IAEA in wichti­gen Punkten ergänzt und der im Rahmen des Projekts um weitere sicherheitskulturell wichtige Aspekte aus den Bereichen der Lenkung des Unternehmens, des Einsatzes der Mitarbeiter für das Unternehmen, der Vermittlung der Unternehmenskultur an die Mitarbeiter sowie der Auslegung des Systems aus Mensch, Technik und Organisation ergänzt worden ist. Die Analyse hat folgende Ergebnisse erbracht: (1) Die Sicherheits­kultur ist ein Netzwerk aus Faktoren, die den Kategorien "Mensch", "Technik" und "Or­ganisation" angehören und zudem unterschiedlichen Ebenen der Unternehmenskultur nach Edgar Schein ("Artefakte", "Bekundete" Werte, "Grundannahmen") zuzuordnen sind. (2) Der im deutschen kerntechnischen Regelwerk vorliegende Bestand an Förde­rungsmöglichkeiten für diese Faktoren konzentriert sich auf die Auslegung wichtiger technischer Artefakte, die Ausgestaltung des Integrierten Managementsystems und weiterer Aspekte der Organisation sowie das Fachwissen v.a. des verantwortlichen Schichtpersonals. (3) Da die Faktoren vernetzt sind, ist es notwendig, einen Prozess der Förderung einzurichten, der die aufeinander abgestimmte Förderung der verschie­denen Faktoren unterstützt.
Der zweite Teil präsentiert einen Prozess zur Förderung der Sicherheitskultur. Die Be­schreibung behandelt und diskutiert die Einbindung des Prozesses in das Integrierte Managementsystem, Prozessziel, Lenkung des Prozesses, Förderungsschwerpunkte, Prozessablauf (PDCA-Zyklus), Schnittstellen zu andern Prozessen und die Weiterent­wicklungsmöglichkeiten des Prozesses. Die im Prozess aktuell berücksichtigten Förde­rungsschwerpunkte sind die Ausgestaltung des Systems aus Mensch, Technik und Organisation sowie Lehren, Lernen und Motivierung durch Anreize als Mittel, um den aktiven Einsatz der Mitarbeiter für Sicherheitskultur und Sicherheit zu erreichen. Wei­terentwicklungen sollten darauf abzielen, v.a. die Vermittlung der Sicherheitskultur und den Einsatz für die Sicherheit durch zusätzliche Schritte und Vorkehrungen noch bes­ser zu unterstützen.
Vorgehensweisen und wesentliche Merkmale des Förderungsprozesses sind mit Füh­rungskräften eines deutschen Kernkraftwerks diskutiert worden. Diese Anlage befin­det sich aktuell in der Stilllegungsphase. Die Gespräche zeigten, dass ein dringender Bedarf an praxisgerechten Vorgehensweisen zur Förderung der Sicherheitskultur ins­besondere in Bezug auf die Motivierung der Mitarbeiter zum Einsatz für die Unterneh­mensziele durch (1) verantwortliche, vorbildhafte Führung und (2) Aufrechterhaltung der Rahmenbedingungen für ein zuverlässiges Handeln und für eine ausreichende Ar­beitszufriedenheit besteht.