Situation der Kernkraftwerke in Frankreich – wie hat sich die Lage seit dem Sommer im Nachbarland entwickelt?
Vom Stromexporteur zum -importeur
Mitte August 2022 war mehr als die Hälfte der 56 Kernreaktoren in Frankreich vom Netz. Gründe dafür waren sicherheitsrelevante Schäden im Sicherheits-Einspeisesystem, Hitze bzw. Trockenheit sowie planmäßige Stillstände. Dies führte dazu, dass der traditionelle Stromexporteur Frankreich in 2022 deutlich mehr Strom importiert (72,9 TWh) als exportiert (56,5 TWh) hat (Zahlen von „Energy Charts“). Zum Vergleich: 2021 war der Export noch um 44 TWh höher als der Import. Hauptursache dafür ist die längerfristige Nichtverfügbarkeit eines Teils der Reaktorflotte.
So lag die Leistung der französischen Kernkraftwerke in den Monaten April bis November bei 30 GW oder weniger (Zahlen von „Electricity Maps“) – bei einer installierten Gesamtleistung von 61 GW. Allerdings ist die Stromproduktion seit August kontinuierlich stetig gestiegen. Die verfügbare Erzeugungskapazität aus Kernkraft kletterte innerhalb von fünf Monaten von ca. 24 GW im August auf gut 37 GW im Dezember 2022. Heute (10.01.2023) werden rund 44 GW Strom aus Kernkraft erzeugt.
Gründe für den Anstieg der Stromproduktion
Wie kommt es zu dem Anstieg? Zuerst einmal spielen Hitze und Trockenheit im Winter eine vernachlässigbare Rolle. Allerdings war der Einfluss dieser beiden Faktoren durch die befristete Anhebung der Grenzwerte durch die französische Aufsichtsbehörde ASN im letzten Sommer sowieso marginal.
Zum anderen sind bei einigen KKW die planmäßigen Inspektionen bzw. die Reparaturarbeiten an den Schweißnähten im Sicherheits-Einspeisesystem mittlerweile abgeschlossen. So sind Stand heute (10.01.2023) noch 12 von 56 Anlagen vom Netz. Hinsichtlich der von der Korrosionsproblematik betroffenen KKW lässt sich sagen, dass die Prüfung bzw. Reparatur bei einem Teil der Anlagen bereits abgeschlossen ist; allerdings sind einige Reaktorblöcke nach wie vor nicht in Betrieb, die Arbeiten dauern an.
Alle Anlagen sollen bis 2024 untersucht werden
Zudem sind längst nicht alle Anlagen untersucht worden, die von den Korrosionsproblemen betroffen sein könnten. EDF plant, die ausstehenden Untersuchungen im Rahmen der geplanten jährlichen Stillstände (für Revision bzw. Wartung und Brennelementwechsel) bis 2024 durchzuführen. (Der oben verlinkte Beitrag beschreibt, was genau es mit der Korrosionsproblematik der französischen KKW auf sich hat; er wird zudem upgedatet, wenn es relevante neue Entwicklungen gibt.)
Diese Stillstände dauern in der Regel ca. ein bis zwei Monate und dienen unter anderem auch dem Wechsel der Brennelemente. Zusätzlich unterziehen sich diejenigen Anlagen, die in 2023 eine Laufzeit von 40 oder 50 Jahren erreichen, einer Prüfung für eine Laufzeitverlängerung um weitere zehn Jahre, die üblicherweise ca. fünf bis sechs Monate dauert. Diese Prüfungen finden traditionell in den wärmeren Monaten statt, wenn der Strombedarf in Frankreich niedriger ist als im Winter – schließlich heizen in Frankreich mehr als ein Drittel der Haushalte mit Strom, in Deutschland sind es nur ca. 5 %.
Inbetriebnahme von Flamanville-3 verzögert sich weiter
Auch in diesem Jahr sollen mehrere Blöcke geprüft und gewartet werden, bei einigen Anlagen kommen Prüfungen und gegebenenfalls Reparaturen aufgrund von Spannungsrisskorrosionen dazu. Für die Stromproduktion in Frankreich wird also entscheidend sein, wie schnell die Prüfungen und, wo erforderlich, Reparaturen in den Anlagen durchgeführt werden können. Sollten sich hier Komplikationen ergeben, so wird Frankreich auch im kommenden Winter wieder auf Stromimporte aus dem Ausland angewiesen sein. Zumal sich die Inbetriebnahme des neuen EPR-Reaktors Flamanville-3 weiter verzögert: Die Beladung mit Brennstoff ist derzeit für das erste Quartal 2024 vorgesehen.