Tschernobyl: 34. Jahrestag der Reaktorkatastrophe

Am 26. April 1986 kam es im Block 4 des ukrainischen Kernkraftwerks Tschernobyl zu einem schweren Reaktorunfall. Während eines Experiments stieg die Leistung des Reaktors durch eine Reihe von Bedienfehlern übermäßig stark an. Der Brennstoff und das Kühlmittel überhitzten. Mehrere Explosionen und ein Brand waren die Folge. Rund acht Tonnen radioaktiver Brennstoff gelangten aus dem Reaktorkern in die Umgebung. Noch im selben Jahr wurde über den zerstörten Reaktor eine Stahl-Beton-Konstruktion errichtet: der sogenannte Sarkophag. In einem Umkreis von 30 Kilometern um das Kernkraftwerk wurde eine Sperrzone eingerichtet.

Waldbrände und Corona-Virus verzögern Arbeiten vor Ort

Seit dem Unfall wird kontinuierlich daran gearbeitet, den Standort Tschernobyl wieder in einen ökologisch sicheren Zustand zu überführen. In den letzten Wochen konnte wegen des Corona-Virus nur das Betriebspersonal an den Arbeitsplätzen bleiben, das die nukleare Sicherheit und den Strahlenschutz am Standort aufrechterhält.

Aktuell kommt es auf Grund der Trockenheit in der Sperrzone immer wieder zu Waldbränden. Die Brände können dazu führen, dass radioaktive Partikel aufgewirbelt und in die Atmosphäre gelangen. Laut Bundesamt für Strahlenschutz besteht für Deutschland keine Gefahr. Das Bundesamt beobachtet die radiologische Situation von Ort und misst die Umweltradioaktivität in Deutschland mit einem Netz von über 1.800 Messtellen.

New Safe Confinement (NSC)

Das New Safe Confinement wurde 2016 über den zerstörten Reaktorblock und den alten Sarkophag geschoben. Im Mai 2019 nahm die neue Schutzhülle ihren Probebetrieb auf. Nach dieser Testphase begann im August 2019 offiziell eine einjährige Phase des „industriellen Erfahrungsbetriebs“ (Gewährleistungsbetrieb).

In der anschließenden Phase des eigentlichen Betriebs sollen bis 2023 unter dem Schutz des neuen Confinements zunächst die instabilen Strukturen des alten Sarkophags abgebaut werden. Es ist geplant, die verbliebenen Baustrukturen zusammen mit den drei anderen Reaktorblöcken am Standort Tschernobyl bis 2065 zurückzubauen.

Zwischenlager für Brennelemente (ISF-2)

Das Brennelemente-Zwischenlager „Interim Spent Fuel Storage Facility“ (ISF-2) für die genutzten Brennelemente am Standort wird derzeit erprobt. Mehr als 21.000 bestrahlte Brennelemente sollen hier in Betonmodulen für mindestens 100 Jahre trocken gelagert werden.

Derzeit finden vor Ort sogenannte „heiße Tests“ mit 186 abgebrannten Brennelementen aus dem Betrieb der Reaktorblöcke statt. Das Zwischenlager nimmt den regulären Betrieb auf, sobald der Betreiber des Kernkraftwerks Tschernobyl die erforderliche Betriebsgenehmigung von der ukrainischen Atomaufsichtsbehörde erhält. Mit der Erteilung der Genehmigung für den Dauerbetrieb wird im Jahr 2021 gerechnet.

Behandlung von flüssigen radioaktiven Abfällen (LRTP)

Im Juli 2019 wurde der Probebetrieb der Anlage zur Konditionierung von flüssigen radioaktiven Abfällen „Liquid Radwaste Treatment Plant“ (LRTP) aufgenommen. Während des einwöchigen Probebetriebs wurden in der Anlage 34 Abfallgebinde in Form von zementierten Fässern produziert. Nach einer mindestens 28-tägigen Wartezeit können die endlagergerecht vorbereiteten Abfälle zur Endlagerung in das Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle überführt werden. Die Betriebsgenehmigung der Anlage war bereits im Dezember 2014 erteilt worden.

Abfallentsorgung: Anlage zum Umgang mit festen radioaktiven Abfällen (ICSRM)

Im „Industrial Complex for Solid Radwaste Management“ (ICSRM) sollen feste radioaktive Abfälle aus dem Zwischenlager am Standort konditioniert werden. Der Komplex ist seit 2014 im Probebetrieb. Anschließend sollen die vorbereiteten Abfallprodukte in einem oberflächennahen Endlager „Engineered near Surface Disposal Facility“ (ENSDF) gelagert werden.

GRS-Experten sammeln Daten zur radiologischen Situation und zu Waldbränden

Die GRS befasst sich seit 1986 mit dem Reaktorunfall von Tschernobyl und dessen Folgen. Dies umfasst sowohl die wissenschaftliche Aufarbeitung des Unfalls als auch die Unterstützung der Behörden vor Ort. Seit 2006 entwickelt die GRS zusammen mit ukrainischen Wissenschaftlern die „Shelter Safety Status Database“ (SSSD). In der Datenbank werden Daten zur radiologischen Situation vor Ort gesammelt, die in Zusammenarbeit mit ukrainischen Experten erhoben werden.

Im letzten Jahr wurde die Datenbank um Informationen zu Waldbränden aus dem Zeitraum 2009 bis 2019 ergänzt. In den Gebieten in und außerhalb der 30-Kilometer Sperrzone kam es in diesem Zeitraum aufgrund der größeren Trockenheit zu rund 60 Waldbränden. Die Aktivitätswerte sind in der Datenbank zusammen mit weiteren Parametern abgespeichert, um mögliche Zusammenhänge zwischen den Bränden und belasteter Luft besser untersuchen zu können. Ebenfalls neu in die Datenbank aufgenommen wurden Daten zu Aktivitätskonzentrationen von stehenden und fließenden Oberflächengewässern und Daten der radiobiologischen Überwachung. Bezüglich der Nutzung der Daten zur Überführung des Standortes Tschernobyl in einen ökologisch sicheren Zustand wurde mit einem weiteren ukrainischen Institut eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.

Umgang mit kernbrennstoffhaltigen Materialien in Tschernobyl

In einem Projekt, an dem die GRS zusammen mit der ukrainischen Technischen Sachverständigenorganisation SSTC/NRS arbeitet, soll das Verhalten der kernbrennstoffhaltigen Materialien innerhalb des Sarkophags und die damit zusammenhängenden radiologischen Auswirkungen systematisch analysiert werden.

Diese Arbeiten knüpfen an frühere gemeinsame Untersuchungen zur Überwachung von offenen Kernbrennstoffen im Sarkophag bis zu ihrer Bergung und Endlagerung an. Ebenso sollen damit die Arbeiten zur Analyse von Faktoren fortgesetzt werden, die auf den Zustand des Kernbrennstoffs einen wesentlichen Einfluss haben.

Weitere Informationen

>> Website der State Agency of Ukraine on Exclusion Zone Management (SAUZEM)

>> Meldung des Bundesamtes für Strahlenschutz „Waldbrände bei Tschernobyl keine Gefahr für Deutschland“