Uranmunition

Im Kontext des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist immer wieder die Rede von sogenannter Uranmunition – beispielsweise im Zusammenhang mit den im Mai 2023 in sozialen Medien kursierenden Falschbehauptungen über eine „strahlende Wolke“ über Osteuropa, die bei einem Beschuss eines ukrainischen Munitionslagers durch angeblich dort lagernde Uranmunition verursacht worden sei. Dieser Beitrag soll einen kompakten Überblick über die grundlegenden Eigenschaften und den Kenntnisstand hinsichtlich des radiologischen und chemotoxischen Gefahrenpotenzials derartiger Munition bieten.

Was ist „Uranmunition“?

Unter Uranmunition wird Munition verstanden, deren Projektile abgereichertes Uran enthalten; eine alternative Bezeichnung ist DU-Munition, abgeleitet vom englischen depleted uranium. Das Uran liegt dabei entweder in Form einer Legierung oder als reiner Kern im Inneren des Projektils vor.

Aufbau von DU-Munition

Durch die Nutzung des abgereicherten Urans (im Folgenden: DU) ist derartige Munition dazu geeignet, starke Panzerungen zu durchdringen. Der Grund dafür liegt in der hohen Dichte des Urans von ca. 19 Gramm pro Kubikzentimeter (g/cm3) und ist damit knapp 2,5-mal schwerer als Eisen. Diese hohe Dichte führt dazu, dass das Projektil bei gleicher Größe eine höhere Masse und dadurch beim Aufprall auf ein Ziel eine höhere kinetische Energie aufweist, als ein herkömmliches Projektil.

Eine Alternative zur Nutzung von DU ist Wolframcarbid (Dichte 15,6 g/cm3); entsprechende Munition wird beispielsweise von der Bundeswehr genutzt. Munition mit Wolframcarbid weist aufgrund der im Vergleich zum DU geringeren Dichte eine etwas geringere Durchschlagskraft auf. Außerdem ist die Gewinnung von Wolframcarbid deutlich kostenintensiver als die des DU, welches in großen Mengen bei der Urananreicherung anfällt.

Abgereichertes Uran

Uran ist ein natürlich vorkommendes Element. Die Erdkruste enthält im Mittel circa 4 Milligramm Uran pro Kilogramm, und auch im Meerwasser ist es weltweit nachweisbar. Im oberflächennahen Boden ist es als Spurenelement anzutreffen. Nach einer Schätzung der US-amerikanische „Agency for Toxic Substances and Disease Registry (ATSDR)“ sollen in den obersten 33 Zentimetern Erdboden etwa ca. 1,5 Tonnen pro Quadratkilometer enthalten sein. Natürlich vorkommendes Uran besteht zu mehr als 99 Prozent aus Uran-238 und enthält etwa nur 0,7 Prozent des durch Neutronen spaltbaren Isotops Uran-235. Für den Einsatz als Brennstoff in Leichtwasserreaktoren muss der Anteil des U-235 durch sog. Urananreicherung auf einen Anteil von ca. 3 – 5 Prozent erhöht werden. Damit entsteht bei der Urananreicherung neben einer Fraktion mit erhöhtem U-235-Anteil (das sog. „product“) auch abgereichertes Uran (die sog. „tails“), dessen U-235-Anteil bei nur noch ca. 0,2 Prozent liegt.

Radiologische und chemotoxische Eigenschaften

DU sendet bei seinem radioaktiven Zerfall sogenannte Alphastrahlung aus, wobei seine Strahlungsaktivität durch den vergleichsweise geringeren Anteil an Uran-235 deutlich niedriger liegt als die von Natururan. Bei der Alphastrahlung handelt es sich – anders als beispielsweise bei der Gamma- oder Röntgenstrahlung – um eine Teilchenstrahlung, bei der Helium-4-Atomkerne emittiert werden. Die Reichweite von Alphastrahlung in der Luft beträgt nur einige Zentimeter, in Materie nur bis zu wenigen Millimetern.

Kleidung und unverletzte Haut kann sie nicht durchdringen. Gleichzeitig weist Alphastrahlung in menschlichem Gewebe jedoch eine rund 20-mal höhere biologische Schadenswirkung auf als Gamma- oder Röntgenstrahlung. Durch Einatmen oder mit Nahrung oder Wasser in den Körper aufgenommen, können Alphastrahler deshalb erhebliche gesundheitliche Schäden verursachen.

Einige der Zerfallsprodukte des DU – das heißt der Nuklide, die durch seinen Zerfall und den der nachfolgenden sog. Tochternuklide entstehen – senden bei ihrem Zerfall auch andere Arten ionisierender Strahlung aus, beispielsweise Betastrahlung. Durch die extrem lange Halbwertszeit von Uran-238 (circa 4,5 Milliarden Jahre) spielt die von diesen Zerfallsprodukten ausgehende Strahlung für die Einordnung der radiologischen Eigenschaften von DU eine untergeordnete Rolle.

Neben den natürlichen Zerfallsprodukten kann DU-Munition auch mit Transuranen wie beispielsweise Plutonium-239 verunreinigt sein, wenn das für die Munition verwendete Uran aus der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente stammt. Nach Angaben des Bundeamtes für Strahlenschutz (BfS), die auf Informationen des US-amerikanischen Energieministeriums beruhen, geht damit jedoch nur eine sehr geringe Erhöhung der Alphastrahlungsaktivität entsprechender DU-Munition einher.

Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass aus dem normalen Umgang mit intakter Uranmunition (also ihrer Handhabung bei Herstellung, Transport oder Lagerung) keine gesundheitlich relevanten Strahlenbelastungen entstehen. Theoretisch denkbar ist insoweit allenfalls, dass nach einem langanhaltenden Kontakt mit der Haut durch die von den Zerfallsprodukten ausgehende Strahlung radiologisch relevante Strahlendosen an den betreffenden Körperteilen entstehen könnten. 

Eine Aufnahme von DU in den Körper durch Einatmen von Stäuben beziehungsweise Aerosolen oder mit der Nahrung oder Trinkwasser kann hingegen, in Abhängigkeit von der aufgenommenen Menge und der dadurch entstehenden Strahlenbelastung, schwere gesundheitliche Schäden hervorrufen; dazu zählen insbesondere Krebserkrankungen. Eine solche Aufnahme von DU ist vor allem bei beziehungsweise nach ihrem Einsatz denkbar.

Trifft ein DU-Projektil auf ein gepanzertes Ziel, entstehen DU-haltige Aerosole, die sich teilweise entzünden, wobei Uranoxid-Verbindungen entstehen. Diese DU-Aerosole und Uranverbindungen verteilen sich in der Umgebungsluft und können dabei von Menschen im Einsatzgebiet eingeatmet oder verschluckt werden. Mit der Zeit lagern sich diese Aerosole auf dem Boden ab und können dadurch Kontaminationen des Erdreichs und des Grundwassers verursachen. In einer Langzeitstudie des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit in Kooperation mit dem Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD) konnte nachgewiesen werden, dass eine Kontamination des Grundwassers über Korrosions- und Auswaschungsprozesse auch durch DU-Munition verursacht werden kann, die intakt beziehungsweise nach Fehlschüssen über längere Zeiträume im Erdreich verbleibt.

Die chemotoxischen Eigenschaften von DU entsprechen im Wesentlichen denen anderer Schwermetalle wie Blei, Cadmium oder Quecksilber. Dazu gehört vor allem die Schädigung verschiedener Organe, insbesondere der Nieren.

Erkenntnisse über die Folgen bisheriger Einsätze von DU-Munition

Neben dem Einsatz bei militärischen Übungen ist DU-Munition bislang in einer Reihe von Kriegen eingesetzt worden. Neben dem sogenannten Zweiten Golfkrieg Anfang der 1990er-Jahre waren dies vor allem bewaffnete Konflikte im Rahmen der sogenannten Jugoslawien-Kriege im Verlauf der 1990er-Jahre, dort insbesondere im Kosovo-Krieg, sowie im Irak-Krieg im Jahr 2003. Verschiedenen Presseberichten und Studien zufolge sollen dabei insgesamt mehrere Tausend Tonnen DU-Munition verschossen worden sein, wovon der relativ größte Teil auf den Irak-Krieg entfällt (hier ist von circa 1.000 bis 2.000 Tonnen die Rede).

Im Nachgang dieser Kriege wurden von einigen internationalen Organisationen beziehungsweise in deren Auftrag Studien zu den gesundheitlichen und ökologischen Folgen von abgereichertem Uran und insbesondere deren Nutzung in DU-Munition durchgeführt, die im Wesentlichen zu vergleichbaren Ergebnissen kommen (Hinweis: Die nachfolgende Zusammenfassung ist nicht abschließend):

  • Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte im Jahr 2001 eine Studie, der zufolge davon auszugehen sei, dass allgemein die Verwendung von DU in aller Regel die natürlichen Hintergrundwerte von Uran nicht signifikant erhöhen. Eine Ausnahme sei für die unmittelbar vom Einsatz von DU-Munition betroffenen Gebiete denkbar; hier könnten Menschen kontaminierte Stäube einatmen oder kontaminierte Lebensmittel oder Wasser zu sich nehmen. Messungen zufolge beschränkten sich betroffene Flächen allerdings auf einen Umkreis von einigen Dutzend Metern um Einschlagstellen. Dabei sei ein späterer Anstieg von Kontaminationen des Bodens beziehungsweise des Grundwassers möglich, weshalb neben der generellen Entsorgung von DU ein entsprechendes Screening empfohlen wird, sofern eine begründete Möglichkeit bestehe, dass signifikante Mengen an DU in Wasser oder Lebensmittel gelangen. Ein flächendeckendes Gesundheitsmonitoring der Bevölkerung in betroffenen Gebieten wird hingegen nicht für erforderlich gehalten. Generell wird eine Überschreitung der WHO-Grenzwerte für Uran im Trinkwasser für solche Gebiete für möglich gehalten, in denen es zu einem intensiven Einsatz von DU-Munition kommt; die resultierenden Strahlenbelastungen seien dabei voraussichtlich dennoch „sehr niedrig“. Mit Blick auf bestehende oder künftige Unsicherheiten wird eine weitergehende Befassung mit dem Thema durch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), WHO und die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) empfohlen.
  • Das UNEP hat in von DU-Munitions-Einsatz betroffenen Gebieten in Serbien und Montenegro sowie im Kosovo umfangreiche Messungen durchgeführt und auf deren Grundlage in den Jahren 2001 und 2002 Berichte veröffentlicht. Den Berichten zufolge hätten Laboranalysen ergeben, dass an den untersuchten Orten eine zwar weit verbreitete, in der Menge aber sehr geringe DU-Kontamination der Erdoberflächen gegeben sei. Von diesen Kontaminationen ginge kein signifikantes Risiko für eine Belastung von Luft, Wasser oder Pflanzen aus; selbst bei einem unterstellten direkten Berührungskontakt mit beziehungsweise der Aufnahme von kontaminiertem Erdreich sei (bei „vernünftigen Annahmen“) nicht von einem bedeutenden radiologischen Risiko auszugehen, wohingegen toxikologisch bedeutsame Grenzwerte oder Richtlinien möglicherweise geringfügig überschritten werden könnten.
  • Ein im Jahr 2010 veröffentlichtes Gutachten des Wissenschaftlichen Ausschusses der Gesundheit und Umweltrisiken (SCHEER), der die Europäische Kommission unterstützt, kommt zu dem Ergebnis, dass in betroffenen europäischen Kriegsgebieten mit Ausnahme der unmittelbaren Umgebung von zerstörten Fahrzeugen und verschossener DU-Munition nach bisherigen Untersuchungen von allenfalls geringen Kontaminationen auszugehen sei. Die Risiken für Lebewesen an Land und im Wasser seien als gering einzustufen beziehungsweise es gebe keine Hinweise auf derartige Risiken. Es wird empfohlen, getroffene Fahrzeuge und DU-Munition zu entsorgen.

Zu ähnlichen Einordnungen der von DU-Munition ausgehenden Risiken kommen beispielweise auch zwei Stellungnahmen, die in den Jahren 2001 und 2002 durch die Eidgenössische Kommission für Strahlenschutz und Überwachung der Radioaktivität der Schweiz sowie das Schweizer Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS zu Untersuchungen über die Auswirkungen des Übungseinsatzes von DU-Munition in der Schweiz sowie dem generellen radiologischen und chemotoxischen Risikopotenzial von DU-Munition veröffentlicht wurden.

Im Hinblick auf Berichte über eine möglicherweise erhöhte Anzahl von Leukämiefällen unter italienischen Angehörigen der Balkan-Friedenstruppen stellte das BfS fest, dass sowohl mit Blick auf die bekannt gewordenen Fallzahlen als auch unter Berücksichtigung von theoretischen Berechnungen auf Grundlage verfügbarer Daten über verschossene Mengen an DU-Munition ein durch DU induzierter Anstieg von Krebs- oder Leukämiefällen nicht zu beobachten beziehungsweise zu erwarten sei.

Vor allem in jüngerer Zeit wird die aus den eingangs erwähnten Studien zu entnehmende Einschätzung realer und potenzieller Folgen des Einsatzes von DU-Munition in einer Reihe wissenschaftlicher Publikationen sowie in Berichten von Nichtregierungsorganisationen kritischer hinterfragt. Als problematisch wird dabei beispielsweise erachtet, dass einerseits teilweise keine oder nur unvollständige Daten über den Einsatz derartiger Munition vorliegen; andererseits wird auf unzureichende epidemiologische Datenlage verwiesen (Siehe: „However, a conclusion on the DU-induced health risks in these areas remains unclear because of insufficient epidemiological data.“ – Ma et al., 2020).

Dabei spielt auch der vom BfS erläuterte Umstand eine Rolle, dass nach heutigem Kenntnisstand die Entstehung von Krebserkrankungen (insbesondere auch der Leukämie) durch verschiedene Risikofaktoren beeinflusst wird. Vor allem bei nicht stark signifikanten Anstiegen der Fallzahlen und unklarer Datenlage über entsprechende Einflussfaktoren auf die Erkrankten wird eine eindeutige Zuordnung solcher Erkrankungen zu einem einzelnen Faktor schwierig.

Hierbei ist einerseits auch zu berücksichtigen, dass zwischen einer Exposition gegenüber radioaktiven bzw. chemotoxischen Stoffen und dem Auftreten dadurch versursachter Erkrankungen teilweise viele Jahre vergehen können; andererseits fehlen bislang auch detaillierte Studien über ein mögliches Zusammenwirken der radiologischen und chemotoxischen Eigenschaften von DU.

Daneben berichten Forschende beispielsweise auch über Ergebnisse, die die Hypothese des Einsatzes von DU-Munition (aufgrund ihrer chemotoxischen Eigenschaften) als Ursache für das seit den frühen 1990er-Jahren bei Veteranen beobachtete „Golfkriegssyndrom“ wahrscheinlich erscheinen lassen („This gives some support for the suspicion that DU may represent one of the causes for the so-called Persian Gulf syndrome.“  – Bjørklund et al., 2020). Schließlich wird in einem jüngst veröffentlichten Paper auch die Wirkung von DU auf das menschliche Immunsystem als noch nicht hinreichend erforscht bezeichnet („However, the effects of uranium on the immune system remain an understudied topic.“ – Schilz et al., 2022).