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Arbeiten auf dem Anlagengelände des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi

Zum 11. Jahrestag des Reaktorunfalls von Fukushima

Wieder einmal jährt sich am 11. März der Reaktorunfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi. Noch immer sind jeden Monat mehrere tausend Arbeiter auf dem Anlagengelände tätig – in erster Linie, um den Rückbau der zerstörten Reaktoren vorzubereiten. Anlässlich des Jahrestages blicken wir in diesem Beitrag auf die wesentlichen Ereignisse und Entwicklungen des letzten Jahres zurück.

 

Aktuelle Situation und Arbeiten auf dem Anlagengelände

Hinsichtlich der Anlagenzustände der Blöcke 1 bis 3 gab es in den vergangenen Monaten keine signifikanten Veränderungen – sowohl was die Temperaturen betrifft als auch bei der Überwachung der Konzentrationen radioaktiver Stoffe. Tepco ist weiterhin mit den Vorbereitungen zum Rückbau der Anlagen und der Bergung der Brennelemente aus den Lagerbecken der Blöcke 1 und 2 beschäftigt.

So hat der Betreiber Anfang Februar 2022 eine Kamerafahrt im Sicherheitsbehälter von Block 1 durchgeführt. Mit Hilfe einer ferngesteuerten Unterwasserkamera sollten Informationen über Herkunft und Menge der Ablagerungen insbesondere aus dem unteren Bereich des Sicherheitsbehälters gewonnen werden. Man geht davon aus, dass der Großteil des geschmolzenen Kernbrennstoffs aus dem Reaktordruckbehälter ausgetreten ist und sich am Boden des Sicherheitsbehälters befindet.

Abbildung 1: Blick von oben auf den Querschnitt des Sicherheitsbehälters. Der Weg der ferngesteuerten Erkundungskamera (sog. remotely operated vehicle, kurz: ROV) erfolgte in Pfeilrichtung entgegen dem Uhrzeigersinn. Jeweils in blau sind sogenannte Führungsringe abgebildet, durch die die Erkundungskamera mittels Magneten gesteuert wurde. In rot ist der Eingang in den Steuerstabantriebsraum unterhalb des Reaktordruckbehälters eingezeichnet (Quelle: Tepco).
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Die Aufnahmen sollen im Wesentlichen der Planung zukünftiger Erkundungsfahrten dienen, unter anderem, indem eine dreidimensionale Karte mit den Ablagerungen erstellt wird. In diesem Zusammenhang sollen auch die Abmessungen der Ablagerungen erfasst werden und – mit entsprechenden Greifwerkzeugen – Schmelzefragmente gesammelt werden. Bei weiteren Erkundungsfahrten sind Aufnahmen aus dem Inneren des sogenannten Steuerstabantriebsraums geplant, einem Arbeitsraum unterhalb des Reaktordruckbehälters, in dem ein Großteil der Schmelze vermutet wird.

Abbildung 2: Ferngesteuerte Kamera, die bei der Erkundungsfahrt Anfang Februar zum Einsatz kam in der Seitenansicht (links) und während des Einsatzes beim Schwimmen durch einen magnetischen Führungsring (rechts) (Quelle: Tepco).
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Abbildung 3: Im Durchgang zum Steuerstabsantriebsraum unterhalb des Sicherheitsbehälters (Pedestal) wurden diese klumpenförmigen Ablagerungen entdeckt (Quelle: Tepco).
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Für die Fachleute, die die Untersuchungen vor Ort begleiteten – unter anderem waren Mitarbeitende außen an der X-2 Durchdringung positioniert (siehe Abbildung 1) – wurden effektive Dosen durch die Arbeiten von bis zu 0,61 Millisievert (mSv) am ersten Arbeitstag und 0,19 mSv am zweiten Tag ermittelt. Zur Einordnung: Für Beschäftigte von Kernkraftwerken gilt in Japan eine effektive Dosis von 50 mSv/Jahr beziehungsweise 100 mSv über fünf Jahre als gesetzlicher Grenzwert. Die Höhe der effektiven Dosen der Arbeitenden auf dem Anlagengelände können monatsbezogen auf den Seiten des japanischen Ministeriums für Gesundheit, Arbeit und Soziales nachgelesen werden.

Seit August 2021 laufen zudem Tests und Schulungen mit und an den Geräten, die zur Bergung des Kernbrennstoffes im Sicherheitsbehälter von Block 2 eingesetzt werden sollen.

 

Pläne zur Einleitung des auf dem Anlagengelände gelagerten Wassers ins Meer

Immer noch fallen auf dem Anlagengelände täglich zusätzlich etwa 140 m³ kontaminierte Wässer an, die in Tanks gelagert werden müssen. Dabei handelt es sich um Grundwasser bzw. auch Grundwasserzufluss in die Reaktorgebäude und Maschinenhäuser und Niederschlagswasser, welches zum Teil auch direkt in die Gebäude eindringt. Das kontaminierte Wasser durchläuft ein Reinigungsverfahren in sogenannten Multinuklid-Filteranlagen (ALPS Advanced Liquid Processing System) und wird anschließend in Tanks auf dem Anlagengelände gelagert. Bei der Reinigung kann – bis auf das Tritium – ein Großteil der radioaktiven Stoffe aus dem Wasser entfernt werden, sodass die behördlichen Vorgaben diesbezüglich nach Angaben von Tepco eingehalten werden. Tepco gibt jedoch auch an, dass die Konzentrationen einiger Stoffe teilweise noch oberhalb der gesetzlichen Grenzwerte liegen und dieses ALPS-Wasser erneut gereinigt werden muss. Mittlerweile stehen auf dem Anlagengelände mehr als 1.000 Lagertanks mit einer Gesamtwassermenge von rund 1,3 Millionen Kubikmeter.

Die japanische Regierung hatte im April vergangenen Jahres zugestimmt, dasjenige Wasser verdünnt ins Meer abzuleiten, bei dem die Menge an Radionukliden unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte liegt. Ausgenommen davon ist Tritium. Im darauffolgenden August wurde das Gesetz hierzu verabschiedet. Daraufhin hatte Tepco Ende Dezember 2021 bei der japanischen Aufsichtsbehörde Nuclear Regulation Authority einen entsprechenden Antrag eingereicht. Dieser umfasst unter anderem Überlegungen zu Design und Aufbau der Anlagen, in denen das gereinigte Wasser zunächst mit Meerwasser verdünnt werden soll. Über einen etwa einen Kilometer langen Tunnel am Meeresboden soll das Gemisch dann von der Küste in das offene Meer eingeleitet werden (siehe Abbildung 5). Im Genehmigungsantrag verpflichtet sich Tepco gegenüber der Behörde, die Tritiumkonzentration im verdünnten, abgeleiteten Wasser unterhalb von 1.500 Becquerel pro Liter (Bq/l) einzuhalten. Zum Vergleich: Die Weltgesundheitsorganisation gibt als Richtwert für Tritium im Trinkwasser 10.000 Bq/l an.

Die Gesamtmenge des Tritiums am Standort Fukushima Daiichi wird mit etwa 780 Terabecquerel angegeben. Tepco plant, die insgesamt jährlich abgeleitete Menge an Tritium unterhalb von 22 Terabecquerel zu halten. Die Tritium-Ableitungen (flüssig) am französischen Nuklearstandort La Hague werden beispielsweise für das Jahr 2018 mit rund 11.400 Terabecquerel angegeben.     

In Vorbereitung auf die Einleitung hat Tepco die Einleitung von ALPS-Wässern aus drei verschiedenen Tanks ins Meer simuliert. Außerdem hat Tepco mit Untersuchungen des geologischen Untergrundes im Bereich der geplanten Rohrleitungen am Meeresboden begonnen. Im Februar 2022 wurden zudem in einigen Tanks testweise Rührwerke eingesetzt, um die Nuklide in den Lagertanks zu verteilen und so die Radioaktivitätskonzentration genauer ermitteln zu können.

Abbildung 4: Schema zum geplanten Vorgehen bei der Verdünnung und anschließenden Einleitung des auf dem Anlagengelände gelagerten, kontaminierten Wassers (Quelle: Tepco).
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Untersuchungen zu radiologischen Auswirkungen der geplanten Einleitung

Tepco hat zudem Untersuchungen zu den radiologischen Auswirkungen der Einleitung des Tritiumwassers auf Menschen und Umwelt durchgeführt. Die Berechnungen hierzu orientieren sich demnach an den Vorgaben der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) und der Internationalen Strahlenschutzkommission (IPRC).
Zur Ermittlung der effektiven Jahresdosis wurde eine Person angenommen, die unter anderem Meeresfrüchte aus der Region verspeist und sich eine bestimmte Anzahl an Stunden im Jahr an der Küste und auf dem Meer in der Nähe des Einleitungsbereiches aufhält. Den Berechnungen zufolge wäre diese Person durch die Einleitung mit einer zusätzlichen effektiven Dosis zwischen 0,000017 bis 0,0021 mSv pro Jahr zusätzlich belastet. Zum Vergleich: Ein Flug von München nach Japan schlägt mit bis zu 0,1 mSv zu Buche. Simulationen zur Verteilung des Tritiums im Meerwasser zeigten zudem, dass das Gebiet, in dem die Tritiumkonzentration in der Oberflächenschicht höher ist als die derzeitigen Werte im umliegenden Meeresgebiet (0,1 – 1 Bq/l), auf etwa zwei bis drei Kilometer um den Kraftwerksstandort begrenzt ist (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Verteilung der Tritiumkonzentration im Meer nach Einleitung des verdünnten ALPS-Wassers. Simulation nach Berechnungen von Tepco (Quelle: Tepco).

Task Force der IAEO

Im Zusammenhang mit der geplanten Einleitung der ALPS-Wässer ins Meer besuchten Mitte Februar 2022 die Mitglieder einer Task Force der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) den Kraftwerksstandort, um die ALPS-Anlage und die Probenahme zu überprüfen. Die Task Force wurde im September 2021 gegründet, um auf Bitten Japans hin den Prozess rund um die Einleitung des Wassers zu begleiten. Demnach wird die Arbeitsgruppe neben der radiologischen Charakterisierung des abzuleitenden Wassers auch die sicherheitsrelevanten Aspekte des Wasserableitungsprozesses überprüfen. Ein weiterer Schwerpunkt wird die Umweltüberwachung im Zusammenhang mit der Ableitung sein. Auch die behördliche Kontrolle einschließlich Genehmigung, Inspektion, Überprüfung und Bewertung wird von den IAEO-Experten begleitet. Die Messergebnisse des ALPS-Wassers in den Lagertanks werden zudem auch in IAEO-Laboratorien überprüft werden. Die Task Force besteht neben Mitarbeitenden der IAEO aus elf internationalen Expertinnen und Experten.