Kernenergie in Bulgarien

• In Bulgarien sind in Kosloduj derzeit zwei Kernkraftwerke (KKW) in Betrieb, zwei weitere Blöcke sollen dort gebaut werden.

• Der Mehrheitseigner von NuScale Power hat mit dem staatlichen bulgarischen Energieversorger eine Vereinbarung über einen potenziellen Einsatz von Small Modular Reactors (SMR) geschlossen.

 

Status quo der Stromerzeugung

In Bulgarien werden im Kernkraftwerk Kosloduj zwei Reaktorblöcke des russischen Typs WWER-1000 (V-320) mit einer elektrischen Leistung von je 1.000 Megawatt (MW) betrieben: Kosloduj 5 und 6. Die Blöcke 1 bis 4 (WWER-440/230) waren 2002 und 2006 im Kontext des Beitritts Bulgariens zur Europäischen Union stillgelegt worden; die Blöcke 5 und 6 wurden bis 2007 einer umfänglichen Modernisierung unterzogen.

Strommix Bulgarien
Strommix Bulgarien

Das Kernkraftwerk deckt rund 35 Prozent des Strombedarfs ab; rund ein Drittel liefern Braunkohlekraftwerke, Erneuerbare Energien tragen mit etwa 16 Prozent zur Stromversorgung bei. Bulgarien ist bislang in erheblichem Maß von Erdgaslieferungen aus Russland abhängig. Rund 90 Prozent des importierten Erdgases stammen von dort. Allerdings trägt Erdgas nur zu 6 Prozent zur Stromerzeugung bei.

Bulgarien hat in früheren Jahren einen signifikanten Teil des heimisch erzeugten Stroms exportiert. Dieser Anteil ist zwar gesunken, Bulgarien ist aber nach wie vor Nettoexporteur elektrischer Energie.

[Wir nutzen die Zahlen der International Energy Agency (IAE), die für Bulgarien den Stand 2021 wiedergibt. Tagesaktuelle Erzeugungsdaten nach Energiequelle finden sich auf der Seite Electricity Maps.]

Politische und rechtliche Rahmenbedingungen

Die jetzige bulgarische Regierung misst der Kernenergie eine hohe Bedeutung für die zukünftige Energieversorgung des Landes bei. In den Verhandlungen zur „EU-Taxonomie“ hat sie sich dafür ausgesprochen, dass sowohl die Kernenergie als auch die Stromerzeugung aus Gas im Sinne der Taxonomie als nachhaltig eingestuft werden. Neubaupläne werden seit vielen Jahren verfolgt, scheiterten aber bislang vor allem an fehlender Finanzierung. Eine staatliche Förderung von Neubauprojekten wird nach wie vor ausgeschlossen.

Daneben strebt die Regierung eine Verlängerung der Laufzeiten der beiden noch betriebenen Blöcke in Kosloduj an. Die beiden Reaktoren dürfen nach einer Verlängerung der Laufzeiten um 10 Jahre noch bis 2027 und 2028 betrieben werden. Der Betreiber hatte im damaligen Genehmigungsverfahren bereits eine Verlängerung bis 2047 für möglich gehalten.

Aktuelle Planungen und Projekte

Große Kernkraftwerke. Am Standort Belene wurde bereits 1987 mit dem Bau eines russischen WWER-1000 (V-320) begonnen. Das Projekt wurde jedoch 1991 wegen fehlender Finanzierung beendet, nachdem bereits ein signifikanter Teil der Technik geliefert und ein Teil der Bauarbeiten geleistet worden war. Im Jahr 2008 wurde ein neuer Vertrag über den Bau zweier Reaktorblöcke vom Typ WWER-1000 (AES 92) geschlossen, auf dessen Grundlage in den folgenden Jahren wiederum Bauarbeiten durchgeführt und in größerem Umfang technische Einrichtungen (u. a. zwei Reaktordruckbehälter) geliefert wurden.

Bedingt durch Schwierigkeiten bei der Finanzierung und wechselnden Regierungen kam auch dieses Projekt im Jahr 2012 zum Erliegen. 2013 verkündete die damalige Regierung den Stopp des Projekts, die nachfolgende hingegen beabsichtigte eine erneute Prüfung. Im Juni 2016 sprach das internationale Schiedsgericht (International Court of Arbitration) Atomstroyexport 620 Millionen Euro für bereits erfolgte Lieferungen zu. Mitte 2018 stimmte das bulgarische Parlament auf Vorschlag der Regierung dafür, das Projekt wieder aufzunehmen; bis Mitte 2020 haben daraufhin mehrere Unternehmen und Konsortien ihr Interesse an einem entsprechenden Investment und an der Errichtung bekundet. Die Pläne für den Neubau wurden 2023 annulliert.

Landkarte Bulgarien
Landkarte Bulgarien

Das bulgarische Parlament verabschiedete Anfang 2021 einen Plan zum Bau neuer Reaktorblöcke am Standort Kosloduj. Die bulgarische Atomaufsichtsbehörde hat den Standort bereits für einen Neubau genehmigt. Für den geplanten Block Kosloduj-7 wurde 2020 eine Umweltverträglichkeitsprüfung abgeschlossen; für Kosloduj-8 steht sie noch aus. Im Oktober 2023 gab die bulgarische Regierung bekannt, dass sie bereit sei, mit dem Bau des ersten AP-1000-Druckwasserreaktors (PWR) zu beginnen. Er soll bis 2033 fertiggestellt sein.

Der Betreiber hat im Sommer 2023 für Kosloduj-5 bei der bulgarischen Aufsichtsbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für den Einsatz von WWER-1000-Brennelementen des US-amerikanischen Unternehmens Westinghouse eingereicht.

SMR. Das US-amerikanische Unternehmen Flour, das die Mehrheit an NuScale Power hält, hat im Jahr 2021 mit dem staatlichen Energieversorger (Bulgarian Energy Holding) eine Vereinbarung über den potenziellen Einsatz des NuScale SMR geschlossen. Geprüft werden sollen sowohl der Bau solcher Anlagen am Standort Kosloduj als auch deren Einsatz für ein sogenanntes Repowering von Kohlekraftwerken, das heißt den Ersatz letzterer unter Nutzung der bereits vorhandenen Infrastruktur (insbesondere der Netzanbindung).

Forschungsreaktor

Am Institut für Kernforschung und Kernenergie der bulgarischen Akademie der Wissenschaften in Sofia wurde von 1961 bis 2008 ein Forschungsreaktor des Typs IRT-2000 betrieben. Der Poolreaktor wurde vom russischen Kurtschatow-Institut errichtet und ursprünglich mit hochangereichertem Uran (36 Prozent Anreicherungsgrad) betrieben. 2008 wurde der Reaktor abgeschaltet, um mit verändertem Design umgebaut zu werden. Aufgrund fehlender Finanzierung wurde das Projekt bis heute nicht beendet.

(Stand: 14.02.2024)