Kernenergie in Bulgarien

• In Bulgarien sind am Standort Kosloduj derzeit zwei Kernkraftwerke in Betrieb, zwei weitere Blöcke sollen dort gebaut werden.

• Es bestehen lose Vereinbarungen mit US-amerikanischen Firmen über den potenziellen Einsatz von Small Modular Reactors (SMR).

 

Status quo der Stromerzeugung

Das einzige Kernkraftwerk des Landes Kosloduj trug 2023 mit rund 40,2 % zur Stromproduktion bei; 29,1 % liefern Kohlekraftwerke, Erneuerbare Energien spielen bei der Stromversorgung eine vergleichsweise nachgeordnete Rolle. Bulgarien ist bislang in erheblichem Maß von Erdgaslieferungen aus Russland abhängig. Rund 90 Prozent des importierten Erdgases stammen von dort. Allerdings trägt Erdgas nur zu etwa 4,8 Prozent zur Stromerzeugung bei.

Bulgarien exportiert einen signifikanten Teil des heimisch erzeugten Stroms: 2023 waren es rund 3,3 der gut 40 TWh. 

Durchschnittsalter und Anzahl der bulgarischen Reaktoren sowie Strommix Bulgarien
Durchschnittsalter und Anzahl der bulgarischen Reaktoren sowie Strommix Bulgarien

[Wir nutzen die Zahlen der International Energy Agency (IAE), die Zahlen in der Grafik sind gerundet. Tagesaktuelle Erzeugungsdaten nach Energiequelle finden sich auf der Seite Electricity Maps.]

Im Kernkraftwerk Kosloduj werden zwei Reaktorblöcke des russischen Typs WWER-1000 (V-320) mit einer elektrischen Leistung von je 1.000 Megawatt (MW) betrieben: Kosloduj-5 und -6. Die Blöcke 1 bis 4 (WWER-440/230) waren 2002 und 2006 im Kontext des Beitritts Bulgariens zur Europäischen Union stillgelegt worden; die Blöcke 5 und 6 wurden bis 2007 einer umfänglichen Modernisierung unterzogen.

Politische und rechtliche Rahmenbedingungen

Die jetzige bulgarische Regierung misst der Kernenergie eine hohe Bedeutung für die zukünftige Energieversorgung des Landes bei. In den Verhandlungen zur „EU-Taxonomie“ hat sie sich dafür ausgesprochen, dass sowohl die Kernenergie als auch die Stromerzeugung aus Gas im Sinne der Taxonomie als nachhaltig eingestuft werden. Neubaupläne werden seit vielen Jahren verfolgt, scheiterten aber bislang vor allem an fehlender Finanzierung. Eine staatliche Förderung von Neubauprojekten wird nach wie vor ausgeschlossen.

Daneben strebt die Regierung eine Verlängerung der Laufzeiten der beiden noch betriebenen Blöcke in Kosloduj an.

Aktuelle Planungen und Projekte

Standort des bulgarischen Kernkraftwerks

Laufzeitverlängerungen. Die beiden Reaktoren am Standort Kosloduj dürfen nach einer Verlängerung der Laufzeiten um zehn Jahre noch bis 2027 und 2028 betrieben werden. Der Betreiber hatte im damaligen Genehmigungsverfahren bereits eine Verlängerung bis 2047 für möglich gehalten.

Ende Juli 2024 hat die bulgarische Aufsichtsbehörde BNRA für Kosloduj-5 und -6 zudem unbefristete Betriebsgenehmigungen ausgestellt. Die Anlagen müssen gemäß den Anfang  2024 verabschiedeten Änderungen des Atomgesetzes jedoch mindestens alle zehn Jahre periodische Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen.

Ende April 2024 hat BNRA die Genehmigung für einen schrittweisen Übergang zu einem neuen amerikanischen Kernbrennstofftyp für Block 5 des KKW Kosloduj erteilt. Die Umstellung auf den neuen Kernbrennstoff, der kurz zuvor erstmals geliefert wurde, soll vier Jahre dauern. Ende Juni 2025 wurde in Block 5 des KKW Kosloduj der erste Brennstoffzyklus mit 43 von Westinghouse hergestellten Brennelementen erfolgreich abgeschlossen.

Große Kernkraftwerke. Am Standort Belene wurde bereits 1987 mit dem Bau eines russischen WWER-1000 (V-320) begonnen. Das Projekt wurde jedoch 1991 wegen fehlender Finanzierung beendet, nachdem bereits ein signifikanter Teil der Technik geliefert und ein Teil der Bauarbeiten geleistet worden war. Im Jahr 2008 wurde ein neuer Vertrag über den Bau zweier Reaktorblöcke vom Typ WWER-1000 (AES 92) geschlossen, auf dessen Grundlage in den folgenden Jahren wiederum Bauarbeiten durchgeführt und in größerem Umfang technische Einrichtungen (u. a. zwei Reaktordruckbehälter) geliefert wurden. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Finanzierung und wechselnden Regierungen wurden die Pläne für den Neubau 2023 annulliert.

Anfang 2021 verabschiedete das bulgarische Parlament einen Plan zum Bau neuer Reaktorblöcke am Standort Kosloduj. Beauftragt damit ist die dafür eigens gegründete Firma Kozloduy NPP – New Builds. Bei dem Neubau sollen teilweise Komponenten aus Belene verwendet werden. Nachdem die bulgarische Atomaufsichtsbehörde BNRA den Standort bereits für einen Neubau genehmigt hatte, muss nach Angaben von BNRA-Vertretern von März 2024 eine erneute Überprüfung der Standortgenehmigung beantragt werden, um Block-8 errichten zu dürfen. Dieser Antrag wurde im Februar 2025 eingereicht. Die bereits erteilte Standortgenehmigung für Block-7 müsse spätestens im Jahr 2025 aktualisiert werden.

Im November 2024 unterzeichnete Kozloduy NPP – New Builds mit dem südkoreanischen Unternehmen Hyundai Engineering & Construction und mit dem US-amerikanischen Unternehmen Westinghouse einen Ingenieurvertrag für den Bau von zwei AP1000 im bulgarischen KKW Kozloduj. Der Vertrag umfasst die Standortplanung für die beiden Reaktoren, Genehmigungen, Projektplanung und die Entwicklung von Betrieb und Wartung. Ein erster Bauvertrag wurde von Westinghouse im August 2025 unterschrieben.

Die Blöcke sollen Regierungsangaben von November 2023 zufolge bis 2033 fertiggestellt werden. Allerding wird mit den Bauarbeiten nicht vor 2027 begonnen, wie der amtierende bulgarische Energieminister im Juni 2025 bekannt gab. 

SMR. Die Regierung Bulgariens erwägt die Möglichkeit des Baus von SMR in Bulgarien als Teil ihres Ziels, eine führende Rolle im Energiebereich in der Region zu übernehmen. In dem Zusammenhang gibt es einige lose Vereinbarungen und Memoranda of Understanding mit US-amerikanischen Firmen. Geprüft werden sollen sowohl der Bau solcher Anlagen am Standort Kosloduj als auch deren Einsatz für ein sogenanntes Repowering von Kohlekraftwerken, das heißt den Ersatz letzterer unter Nutzung der bereits vorhandenen Infrastruktur (insbesondere der Netzanbindung).

Forschungsreaktor

Am Institut für Kernforschung und Kernenergie der bulgarischen Akademie der Wissenschaften in Sofia wurde von 1961 bis 2008 ein Forschungsreaktor des Typs IRT-2000 betrieben. Der Poolreaktor wurde vom russischen Kurtschatow-Institut errichtet und ursprünglich mit hochangereichertem Uran (36 Prozent Anreicherungsgrad) betrieben. 2008 wurde der Reaktor abgeschaltet, um mit verändertem Design umgebaut zu werden. Aufgrund fehlender Finanzierung wurde das Projekt jedoch bis heute nicht beendet.

(Stand: Oktober 2025)