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Fahne Vereinigtes Königreich (UK)

Kernenergie im Vereinigten Königreich

• Im UK werden derzeit neun Kernkraftwerks-Blöcke an vier Standorten betrieben.

• Die britische Regierung verfolgt seit Längerem die Errichtung neuer Kernkraftwerke. Aktuell sind zwei neue Reaktoren im Bau, drei weitere sind geplant. Bis 2050 sollen bis zu 11 neue Kernkraftwerke gebaut werden.

• Neben der Errichtung großer KKW fördert die Regierung auch die Entwicklung und den zukünftigen Einsatz von SMR im UK; hierzu wurde ein Wettbewerb um Fördermittel aufgelegt. Mehrere SMR-Konzepte befinden sich gegenwärtig in einem sogenannten Generic Design Assessment (GDA) durch die britische Aufsichts- und Genehmigungsbehörde.

 

Status quo der Stromerzeugung

Im Vereinigten Königreich (nachfolgend: UK) werden derzeit an vier Standorten neun Kernkraftwerksblöcke mit einer Gesamterzeugungskapazität von ca. 6 Gigawatt (GW) betrieben. Alleinige Betreiberin ist EDF Energy, eine britische Tochter des französischen Staatskonzerns EDF.

Strommix Vereinigtes Königreich 2022
Strommix UK

Im Jahr 2022 hat die Kernenergie 15 % der insgesamt erzeugten Strommenge von ca. 325 Terawattstunden (TWh) bereitgestellt. Den größten Anteil stellte die Verstromung von Erdgas (40 %), gefolgt von Windenergie (25 %).

Das UK ist gegenwärtig ein Nettoimporteur von elektrischer Energie (Stand 2022: rd. 18 TWh Nettoimport). Hochspannungsleitungen für Gleichstrom verbinden das Land mit Frankreich (2.000 MW) sowie den Niederlanden und Belgien (je 1.000 MW). Geplant ist unter anderem eine weitere Leitung nach Frankreich mit einer Kapazität von 2.000 MW.

[Anm.: Die hier zugrunde gelegten Daten stammen von der Internationalen Energieagentur (IEA), die Werte in der nebenstehenden Grafik sind gerundet. Tagesaktuelle Daten für das UK bieten u. a. Electricity Maps und gridwatch.]

Politische und rechtliche Rahmenbedingungen

Mit der Änderung des Climate Change Act im Jahr 2019 hat sich das UK einen Nullausstoß an Treibhausgasen („net zero“) bis zum Jahr 2050 zum Ziel gesetzt. In 2020 wurde der Bau neuer Kernkraftwerke (KKW) als Teil eines Zehn-Punkte-Plans einer „Grünen industriellen Revolution“ festgelegt. Aufbauend auf dem Ende März 2023 veröffentlichten Strategiepapier „Powering Up Britain“ hat die britische Regierung im Januar 2024 die „Civil Nuclear Roadmap“ veröffentlicht, die einen Ausbau der nuklearen Erzeugungskapazität auf bis zu 24 GW bis zum Jahr 2050 zum Ziel erklärt. Der Bau von bis zu 11 neuen KKW soll unter anderem durch Erleichterung von Investitionen, die Optimierung von Genehmigungsprozessen und Förderung von Ausbildung sowie Forschung und Entwicklung erreicht werden. Außerdem sollen nationale Kapazitäten für den gesamten Brennstoffkreislauf (s. u. „Brennstoffversorgung“) geschaffen und ein Endlager errichtet werden. Eine Schlüsselrolle soll dabei das im Juli 2023 gegründete Staatsunternehmen Great British Nuclear spielen, das die staatliche Förderung der Kernenergie koordinieren und umsetzen soll. Außerdem erwägt die Regierung die Einbeziehung von Nuklearprojekten in die „Green Taxonomy“ des UK, um einen weiteren Anreiz für private Investitionen zu setzen.

Wesentlich für die Finanzierung von Neubauprojekten ist das Instrument des sogenannten „Differenzvertrags“ (Contract of Difference, CfD), das neben weiteren zur Unterstützung von Investitionen in CO2-arme Stromerzeugungsarten im Zuge der Reform des britischen Elektrizitätsmarkts im Jahr 2013 eingeführt wurde. Dabei schließt der britische Staat mit dem Erzeuger einen Vertrag, der diesem einen finanziellen Ausgleich für den Fall garantiert, dass der Marktpreis pro kWh unter dem vertraglich vereinbarten Basispreis liegt; diese Mehrkosten legt der Staat dann auf die Verbraucher um. Liegt der Marktpreis über dem Basispreis, hat der Erzeuger die Differenz an die Verbraucher weiterzugeben.

Das Genehmigungsverfahren für neue KKW ist im UK zweistufig aufgebaut: Auf der ersten Stufe führt die Genehmigungsbehörde (Office for Nuclear Regulation, ONR) auf Antrag für einen bestimmten Anlagentyp und unabhängig von einem konkreten Standort ein sog. Generic Design Assessment (GDA) durch. Ergibt diese Prüfung, dass der betreffende Typ den aktuellen sicherheitstechnischen Anforderungen grds. entspricht, stellt das ONR eine Design Acceptance Confirmation (DAC) aus. Parallel erfolgt eine Prüfung durch die Umweltbehörde. Bislang wurde eine DCA für folgende Anlagentypen ausgestellt: UK EPR (EdF), AP 1000 (Westinghouse), Advanced Boiling Water Reactor (ABWR, Hitachich-GE) und HPR 1000 (China General Nuclear Power Group, CGN).

Über die erheblichen finanziellen, technischen und organisatorischen Herausforderungen hinaus steht der angestrebten Vervierfachung der nuklearen Erzeugungskapazität bis 2050 in den kommenden Jahren auch eine erhebliche Reduzierung entgegen: Nach aktuellem Planungsstand sollen die acht AGR-Reaktoren (Advanced Gas-cooled Reactor – in diesen wird zur Moderation Grafit anstelle von Wasser verwendet, Alterungseffekte im Grafitmoderator begrenzen die potenzielle Laufzeit) bis zum Ende dieses Jahrzehnts stillegelegt werden – je zwei Reaktoren an den Standorten Hartlepool A und Heysham A im Jahr 2026, zwei weitere in Heysham B und am Standort Torness im Jahr 2028. Damit verbliebe ab 2028 lediglich der ggw. einzige Leichtwasserreaktor Sizewell B, dessen Stilllegung für 2035 vorgesehen ist. Die Stilllegung der Anlagen in Hartlepool A und Heysham A war nach vorangegangenen Laufzeitverlängerungen für 2024 avisiert, im Januar 2024 hat die Betreiberin EdF Energy Investitionen i. H. v. rund 1,5 Mrd. Euro angekündigt, um die o. a. Verlängerungen zu realisieren. Geplant ist dabei auch, die Laufzeit von Sizewell B um weitere 20 Jahre bis 2055 zu verlängern. Damit würde diese Anlage eine Laufzeit von 66 Jahren erreichen.
 

Landkarte UK mit eingezeichneten Kernkraftwerkstandorten
Landkarte Vereinigtes Königreich mit Kraftwerksstandorten

Aktuelle Planungen und Projekte

Große KKW. Seit 2016 lässt EdF Energy aktuell am Standort Hinkley Point C zwei KKW des Typs UK EPR mit einer elektrischen Nettoleistung von je 1.600 MW errichten. Finanziert wird das Projekt von EdF Energy sowie der chinesischen CGN. Seit 2020 unterzieht die britische Regierung chinesische Investitionen in die Infrastruktur des UK einer kritischen Prüfung (s. u.); das Projekt Hinkley Point ist davon aber offenbar nicht betroffen. Ein wesentliches Element der Finanzierung ist ein „Differenzvertrag“ mit dem britischen Staat.

In dem Projekt ist es zwischenzeitlich mehrfach zu Verzögerungen sowie zu erheblichen Kostensteigerungen gekommen. Im Januar 2024 erklärte EdF Energy, dass sich die Fertigstellung unter ungünstigen Umständen sogar bis 2031 verzögern könnte. Außerdem könnten sich die Kosten erneut erhöhen; aktuell geht EdF Energy Medienberichten zufolge von Gesamtkosten von bis zu über 50 Mrd. Euro aus (bezogen auf das heutige Preisniveau; EdF Energy gab basierend auf dem Preisniveau von 2015 umgerechnet zwischen 36 und 40 Mrd. Euro an). Als Gründe wurden einem internen Schreiben zufolge neben der allgemeinen Inflation und den Auswirkungen des Brexit Verzögerungen durch die Covid-Pandemie, aber auch Personalmangel sowie umfangreiche Änderungen ggü. der ursprünglichen technischen Planung angeführt, die mit Blick auf das Regelwerk des UK erforderlich wurden. Ursprünglich waren Kosten i. H. v. rund 19 Mrd. Euro veranschlagt worden (Stand 2012). Verschiedenen Medienberichten aus dem Januar 2024 zufolge soll die französische Regierung die des UK aufgefordert haben, sich an den Mehrkosten zu beteiligen. Ein Sprecher des zuständigen UK-Ministeriums wird hingegen mit der Aussage zitiert, dass die Regierung des UK keine Rolle bei der Finanzierung des Projekts spiele und dessen Finanzierung Aufgabe von EdF Energy und seinen Anteilseignern sei.

Zwei weitere UK EPR-Blöcke sollen nach den Planungen von EdF Energy am Standort Sizewell errichtet werden. Eine Plangenehmigung für den Standort wurde im Juli 2022 erteilt, und nach Angaben von EdF Energy vom Januar 2024 sollen erste vorbereitende Baumaßnahmen in diesem Jahr beginnen. Auch an diesem Projekt war zunächst CGN beteiligt; der chinesische Anteil betrug 20 %. Vor dem Hintergrund ihrer kritischen Haltung gegenüber chinesischen Beteiligungen an großen Infrastrukturprojekten hat die britische Regierung zwischen Januar 2022 und Juli 2023 für das Projekt insgesamt fast 1,5 Mrd. Euro bereitgestellt, von denen nach Medienberichten knapp 120 Mio. Euro für den Erwerb des chinesischen Anteils aufgewendet worden sein sollen. Seit Ende 2023 ist der britische Staat mit 47 % größter Anteilseigner in dem Projekt. Im Januar 2024 machte das zuständige Ministerium weitere staatliche Investitionen von wiederum rund 1,5 Mrd. Euro bekannt. Bereits im Herbst 2023 hatte die britische Regierung einen formalen Qualifikationsprozess gestartet, um weitere private Inverstoren für das Projekt zu gewinnen. Dabei sollen auch sogenannte Regulated Asset Base (RAB)-Finanzierungsmodelle ermöglicht werden, mit denen Investoren schon während der Bauphase eine festgelegte Rendite garantiert wird, die über einen Zuschlag auf Strompreise schon während des Baus refinanziert werden. Medienberichten zufolge sollen unter anderem Gespräche mit potenziellen Investoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten geführt werden. Die endgültige Entscheidung über das Projekt (die sog. Final Investment Decision, FID) soll im Verlauf des Jahres 2024 gefällt werden.

Auch für den Standort Bradwell planen EdF Energy und CGN den Bau eines neuen KKW, allerdings mit einer Mehrheitsbeteiligung von CGN (66,5 %). Anders als in Hinkley Point und Sizewell soll hier ein Reaktor vom Typ HPR 1000 mit einer elektrischen Nettoleistung von rund 1.000 MW gebaut werden; mittelfristig sind am Standort zwei Blöcke geplant. Bei dem HPR 1000 handelt es sich um eine modifizierte Version des in China errichteten Hualong One, einer chinesischen Eigenentwicklung, die ihrerseits auf dem französischen 1.300-MW-Design beruht. Bereits im Dezember 2020 hatte die britische Regulierungsbehörde dem gemeinsamen Joint Venture von EdF Energy und CGN, der Bradwell B Power Generation Company, für das Projekt eine Lizenz zur Stromerzeugung ausgestellt. Das GDA für den HPR 1000 wurde in 2022 abgeschlossen. Mit Blick auf die vorerwähnten Bedenken gegen chinesischen Einfluss in großen Infrastrukturprojekten wird die Beteiligung von CGN im politischen Raum diskutiert, konkrete Pläne oder Maßnahmen gegen die Beteiligung sind jedoch nicht bekannt geworden.

SMR. Seit Mitte der 2010er-Jahre ist die Nuklearpolitik des UK auf eine Förderung von SMR-Konzepten und deren mittelfristigem Einsatz ausgerichtet. Nach einem entsprechenden Wettbewerb, der in 2016 startete, bewilligte die Regierung in 2020 40 Millionen Pfund zur Förderung entsprechender Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. Im Herbst 2023 hat die britische Regierung die Unternehmen EdF, GE-Hitachi Nuclear Energy, Holtec Britain, NuScale Power, Rolls-Royce SMR und Westinghouse Electric Company UK ausgewählt, in die nächste Phase eines Wettbewerbs für die Entwicklung und den Bau von SMR einzutreten. Nun können sich die Unternehmen um staatliche Aufträge bewerben, wobei im Frühjahr 2024 bekannt gegeben werden soll, wer von der Regierung unterstützt werden wird.

Einer tatsächlichen Errichtung am nächsten dürfte das SMR-Konzept eines Konsortiums um Rolls Royce sein, dessen Konzept mit einer elektrischen Leistung von knapp 500 MW allerdings schon nicht mehr üblichen SMR-Definitionen entspricht (lt. der Internationalen Atomenergie-Organisation: bis zu 300 MW). Die britische Regierung hat das Konsortium bereits im Jahr 2021 mit 210 Mio. Pfund gefördert. Im April 2022 startete das GDA-Verfahren. Nach erfolgreichem Abschluss der ersten Phase wurde im Frühjahr 2023 mit der zweiten Phase begonnen, die eine eingehende technische Prüfung des Konzepts durch die zuständige Behörde beinhaltet.

Inzwischen haben sechs weitere Unternehmen den Beginn des Verfahrens für ihre SMR-Konzepte beantragt oder eine solchen Schritt angekündigt: GE Hitachi Nuclear Energy für den BWRX-300, Holtec Britain für den SMR-160, Cavendish Nuclear/X- Energy für den Xe-100, GMET Nuclear für den NuCell-SMR, Newcleo für einen bleigekühlten SMR und UK Atomics für den Copenhagen Atomics Waste Burner. Der GDA-Prozess für den BWRX-300 startete Ende Januar 2024, kurz nachdem GE Hitachi Nuclear Energy von der Regierung des UK eine Förderzusage i. H. v. rund 45 Mio. Euro für die weitere Entwicklung des Konzepts erhalten hatte. Bereits im Dezember 2023 wurde der Start des GDA-Prozesses für den SMR-300 angekündigt.

Das US-Unternehmen Last Energy hat im Frühjahr 2023 mit vier Industriepartnern in Großbritannien und in Polen Verträge für den Bau von 34 SMR (PWR-20) abgeschlossen. Zehn Anlagen sollen in Polen errichtet werden und 24 in Großbritannien. Last Energy stellte den fertigen Entwurf des PWR-20 im Jahr 2022 vor, wobei es sich um einen Druckwasserreaktor mit einer Leistung von 20 MW handelt. Der US-amerikanische Reaktorentwickler TerraPower hat Mitte 2023 angekündigt, in Großbritannien eine größere Zahl seiner Natrium-SMR errichten zu wollen, wobei die ersten Anlagen in den 2030er-Jahren in Betrieb gehen sollen.

Brennstoffversorgung

Die Fa. Urenco, deren Anteile zu je einem Drittel vom UK, den Niederlanden sowie (als deutscher Anteil) von RWE und PreussenElektra gehalten werden, betreibt am Standort Capenhurst drei Anlagen zur Urananreicherung, in denen Gasultrazentrifugen zum Einsatz kommen.

Im Januar 2023 hat die britische Regierung den Nuclear Fuel Fond mit einem Volumen von knapp 90 Mio. Euro ins Leben gerufen, der Projekte zum Ausbau bzw. zur Errichtung heimischer Kapazitäten für die sog. Konversion von Uran (d. h. die Herstellung von gasförmigem Uranhexaflourid für die nachfolgende Anreicherung) sowie die Fertigung von Brennelementen fördern soll. Darüber hinaus hat die britische Regierung im Rahmen der o. g. „Roadmap“ angekündigt, mit rund 350 Millionen Euro die heimische Produktion von sog. HALEU (high-assay low-enriched uranium) zu fördern. Dabei handelt es sich um Uran mit einem Anreicherungsgrad zwischen 5 und 20 % Uran-235, das in zukünftigen Reaktortypen zum Einsatz kommen soll. Gegenwärtig verfügen lediglich China und Russland über entsprechende Produktionskapazitäten. Eine Produktionsstätte für HALEU im UK soll bis Anfang der 2030er-Jahre betriebsbereit sein.

Im November 2023 kündigte das französische Unternehmen Framatome den Bau einer Anlage zur Herstellung von Brennelementen für große DWR und SMR im UK an.

Forschungsreaktoren

In den vergangenen Jahrzehnten wurde im UK eine Vielzahl unterschiedlicher Forschungs- und Protottypreaktoren betrieben, darunter auch größere Hochtemperaturreaktoren und Schnelle Reaktoren mit Leistungen von über 20 MW. Aktuell betreibt lediglich Rolls Royce zu Testzwecken eine sogenannte Kritische Anordnung (auch als „Nullleistungsreaktor“ bezeichnet).

 

(Stand: 02.02.2024)