Kernenergie in den Vereinigten Staaten (USA)

• Im Juli 2023 und im April 2024 haben mit Vogtle-3 und Vogtle-4 im Bundesstaat Georgia zwei neu erbaute Druckwasserreaktoren vom Typ AP1000 ihren kommerziellen Betrieb aufgenommen.

• Die USA verfügt weltweit über die größten Erzeugungskapazitäten aus Kernenergie.

• Mit NuScale, GE Hitachi Nuclear Energy und TerraPower – um nur eine Auswahl zu nennen – entwickeln in den USA zahlreiche Unternehmen Konzepte für Small Modular Reactors (SMR) entwickelt, Kooperationen mit (europäischen) Staaten laufen.

 

Status quo der Stromerzeugung

Im Jahr 2022 erzeugten die USA rund 4.502 Terawattstunden (TWh) Strom. Mehr als die Hälfte ihrer Stromerzeugung decken die USA aus fossilen Brennstoffen, hier insbesondere Erdgas und Kohle.

Durchschnittsalter, Anzahl der Reaktoren und Strommix
Anzahl, Durchschnittsalter und Strommix der USA

[Wir nutzen die Zahlen der International Energy Agency (IAE), die für die USA den Stand 2022 wiedergibt. Tagesaktuelle Erzeugungsdaten nach Energiequelle finden sich auf der Seite Electricity Maps.]

Auf Platz drei der Stromerzeugung liegt mit rund 18 Prozent die Kernenergie mit 804 TWh. Die USA ist weltweit gesehen der Staat mit der größten Anzahl an Reaktoren in Betrieb (93). 2022 war das Land Nettostromimporteur mit 41,2 TWh Importsaldo.

Politische und rechtliche Rahmenbedingungen

Die Biden-Regierung hat das Ziel ausgerufen, bis 2050 den Emissionsausstoß auf null zu reduzieren. Da damit zu rechnen ist, dass der Energiebedarf in den US-Staaten weiter steigen wird, werden neue Erzeugungskapazitäten im Umfang von etwa 22 Gigawatt allein bis 2030 nötig sein. Die USA setzen dabei neben Erneuerbaren Energien insbesondere auf die Entwicklung von SMR als „Clean Technology“ und haben mehrere Initiativen zur Förderung dieser Technologien eingerichtet beziehungsweise unterstützen diese (u. a. FIRST - Foundational Infrastructure for Responsible Use of Small Modular Reactor Technology,  - GAIN - Gateway for Accelerated Innovation in Nuclear oder ARDP - Advanced Reactor Demonstration Program).

Darüber hinaus wurden im sogenannten Inflation Reduction Act im September 2022 neue Anreize für die Nuklearindustrie geschaffen, unter anderem durch Steuererleichterungen und Vereinfachungen bei der Kreditvergabe. Im Rahmen der Weltklimakonferenz 2023 haben sich die USA zudem mit rund 20 weiteren Staaten (darunter auch Frankreich und Großbritannien) der Net-Zero Nuclear Initiative angeschlossen, deren Ziel es ist, die nukleare Erzeugungskapazität bis 2050 zu verdreifachen.   

Das US-Repräsentantenhaus verabschiedete am 28. Februar 2024 den Atomic Energy Advancement Act. Darin wird unter anderem festgelegt, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, um den Einsatz von Kernenergietechnologien (u. a. fortschrittliche Reaktoren) zu beschleunigen. So soll die Aufsichtsbehörde Nuclear Regulatory Commission (NRC) beispielsweise eine effiziente Lizenzierung und Regulierung von Kernenergieaktivitäten ermöglichen. Der Gesetzentwurf geht in einem nächsten Schritt nun in den Senat. Außerdem fördert das Energieministerium acht Unternehmen und deren Bemühungen, eine Pilotanlage für Kernfusion zu entwickeln. Ende September 2023 gab der Stahlhersteller Nucor die Zusammenarbeit mit dem Nuklearunternehmen Helion zur Entwicklung eines 500-Megawatt (MW)-Fusionskraftwerks bekannt.

Im Zuge der Energiepläne der USA wurden auch für fast alle Reaktoren die Laufzeiten von 40 auf 60 Jahre erweitert. Die Aufsichtsbehörde NRC ermöglicht unter gewissen Voraussetzungen zudem nach 60 Jahren die weitere Verlängerung auf bis zu 80 Jahre. Sechs Reaktoren haben diese Genehmigung bereits erhalten, bei mindestens elf weiteren sind entsprechende Anträge gestellt worden beziehungsweise laufen die Überprüfungen derzeit. Darunter zum Beispiel das KKW Monticello, dessen Betriebsgenehmigung aktuell bis 2030 läuft und bis 2050 ausgedehnt werden soll oder das Kernkraftwerk Vigil C. Summer. In Kalifornien wurde ein Antrag auf Laufzeitverlängerung der beiden Blöcke Diablo Canyon 1 und 2 gestellt, obwohl der Abschalttermin für 2024/25 bereits festgelegt war. Studien (u. a. des Massachusetts Institute of Technology) hatten konstatiert, dass das Kernkraftwerk unter den derzeitigen gesetzlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Gegebenheiten die Netzstabilität verbessere. Per Gesetz wurde daraufhin der Weiterbeitrieb der beiden Blöcke gefordert, ein Antrag zur Erneuerung der Betriebsgenehmigung wurde im November 2023 bei der Aufsichtsbehörde eingereicht. Auch für das im Mai 2022 abgeschaltete 800 MW Kernkraftwerk Palisades in Michigan wurde ein Antrag auf Wiedererteilung der Betriebsgenehmigung mit einem Zieltermin im Jahr 2025 eingereicht. Sollte diese erfolgreich sein, könnte es das erste wieder in Betrieb genommene Kernkraftwerk in den USA sein.

Im Rahmen ihrer Bemühungen, Stromerzeugungskapazität in den USA auszubauen, haben Regierung und Industrie eine Bauartzulassung für Reaktoren der Generation III erarbeitet. Damit ließe sich ein standardisierter Reaktortyp (z. B. ein Westinghouse AP1000) nach einer gründlichen Prüfung der Sicherheitsanforderungen überall in den USA bauen. Lediglich standortspezifische Genehmigungsverfahren müssten absolviert und eine kombinierte Bau- und Betriebsgenehmigung eingeholt werden. Die Genehmigung müsste nach 15 Jahren erneuert werden. Für einige in den USA lizensierte Anlagen sind bereits Bauartzulassungen erteilt worden. Der seit einigen Jahren auf niedrigem Niveau stagnierende Gaspreis lässt große nukleare Neubauvorhaben, wie das am Standort Vogtle, aus Rentabilitätsgründen nicht zu.

Aktuelle Planungen und Projekte

Große Kernkraftwerke. Am Standort Vogtle in Wyoming wurden zwei AP1000-Reaktoren von Westinghouse und dem Konsortium The Shaw Group (jetzt CB&I) mit einer Leistung von je 1.200 MWe umgesetzt. Am 31. Juli 2023 nahm Block 3 seinen kommerziellen Betrieb auf, Block 4 folgte am 29. April 2024. 

Übersichtskarte Kernkraftwerke und Forschungsreaktoren (in Betrieb) in den USA
Karte USA

Small Modular Reactors. In den USA sind zahlreiche Konzepte für sogenannte Small Modular Reactors (SMR) in unterschiedlichen Planungs- beziehungsweise Entwicklungsstadien. Darunter ist auch der VOYGR-SMR der Firma NuScale. Vier, sechs oder zwölf der Druckwasserreaktormodule lassen sich zu einem KKW mit maximal 924 MWe kombinieren. Einer 50 MWe-Version des NuScale SMR hatte die Aufsichtsbehörde NRC im Jahr 2020 eine Bauartgenehmigung erteilt und Anfang 2023 die offizielle Zertifizierung der Auslegung bekanntgegeben. Planungen zum Bau einer Anlage mit sechs 77 MWe-Modulen im Rahmen des Carbon Free Power Project (CFPP) in Idaho Falls auf dem Gelände des Idaho National Laboratory wurden im November jedoch 2023 aus Kostengründen gestoppt. NuScale vermarktet seinen SMR dennoch in Europa und hat Kooperationen unter anderem mit Bulgarien, Polen, Rumänien, Tschechien und der Ukraine abgeschlossen.

Der SMR-Entwickler TerraPower plant einen Natriumreaktor als Demonstrationsobjekt in Wyoming, welcher ab 2030 ein stillgelegtes Kohlekraftwerk ersetzen soll. Ende März hat der Betreiber den Antrag auf Baugenehmigung bei der Aufsichtsbehörde eingereicht. Pläne für bis zu sechs weitere SMR sollen bis 2025 konkretisiert werden. Gemeinsam mit dem Energieversorger Southern Company und dem marinen Entwicklungsunternehmen Core Power hat TerraPower die Testanlage Integrated Effects Test (IET) in Betrieb genommen. In der Anlage soll Salzschmelze zirkuliert werden, um so Betriebsdaten für die Entwicklung des Schnellen Chloridschmelze-Reaktoren (Molten Chloride Fast Reactor, MCFR) von TerraPower zu erhalten.

Mit dem BWRX-300, einem Siedewasserreaktor der Generation III+ von GE Hitachi Nuclear Energy (GEH), wird ein weiteres US-amerikanisches SMR-Konzept vorangetrieben. Neben den USA wird beziehungsweise wurde es auch in Kanada und Großbritannien einer sogenannten Vorprüfung zur Lizensierung unterzogen. So bereitet etwa die Tennessee Valley Authority aktuell den Entwurf eines Baugenehmigungs-Antrags für die Errichtung eines SMR am Standort Clinch River (Tennessee) vor. Das Unternehmen will den Antrag Ende 2024 einreichen.

Und auch die Firma Westinghouse geht mit einem Druckwasser-SMR ins Rennen. Der AP300 basiert auf dem AP1000 und soll dessen Systeme und Lieferketten nutzen, sodass die Bauzeit auf etwa drei Jahre verkürzt werden kann. Ein Plan für den Vorantrag zur Bauartgenehmigung des AP-300 ist bei der amerikanischen Aufsichtsbehörde NRC eingereicht. Das Unternehmen rechnet damit, dass das neue Design 2027 die Genehmigung der NRC erhält und die erste Anlage 2033 in Betrieb gehen kann.

Weitere Entwicklungen werden unter anderem von Kairos Power vorangetrieben. Das Unternehmen plant einen Flüssigsalzreaktor (Hermes 2) mit einer Leistung von 35 MWth in Oak Ridge, Tennessee. Der Bau wurde im Dezember 2023 genehmigt und die Anlage könnte 2026 in Betrieb genommen werden.

Holtec hat die Entwicklung eines neuen Kraftwerkskonzepts angekündigt, das Kernenergie (SMR-300) und Solarenergie kombiniert. Auf diese Weise soll bestehende Infrastruktur von Kohlekraftwerken weitergenutzt werden können. Der Reaktorentwickler plant außerdem zwei SMR-300 am Standort des KKW Palisades in Michigan, die er bis 2030 in Betrieb nehmen möchte.

Weitere Stakeholder sind Dow zusammen mit X-energy (Xe-100 Hochtemperaturreaktor) oder der Reaktorentwickler Ultra Safe Nuclear Corporation (USNC), der in Gadsden, Alabama, den Bau der ersten Montageanlage für seinen Micro Modular Reactor (MMR, 3,5 bis 15 MW) plant.

Auch im militärischen Bereich sind SMR auf dem Vormarsch. So hat das US-Verteidigungsministerium neben BWX Technologies (BWXT) das Unternehmen X-energy mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für einen transportablen nuklearen Mikroreaktor beauftragt („Projekt Pele“). Der von BWXT konzipierte Entwurf sieht eine gasgekühlte Hochtemperaturanlage vor, die wie zahlreiche andere neue Reaktorkonzepte mit tristructural-isotropic (kurz: triso) High-Assay-Low-Enriched-Uranium (kurz: HALEU) betrieben werden soll. „Triso“ bedeutet an dieser Stelle, dass der Kernbrennstoff aus dreifach ummantelten Kugeln besteht. Bei HALEU handelt es sich um Uran, das so angereichert wurde, dass die Konzentration des spaltbaren Isotops U-235 zwischen 5 und 20 Prozent der Masse des Brennstoffs beträgt. Der SMR von BWTX soll mit einer Leistung von 1 bis 5 MW konzipiert werden. Im August 2023 wurde der Reaktorentwickler Oklo ausgewählt, mit seinem Aurora-Reaktor den ersten Mikroreaktor der US-Luftwaffe zu liefern, der im Rahmen eines Pilotprogramms für Mikroreaktoren auf einer Air Force Base in Alaska geplant ist.

Im März 2024 vereinbarten die Aufsichtsbehörden der USA, Kanada und Großbritanniens die Zusammenarbeit bei der technischen Prüfung fortgeschrittener, modularer Reaktortechnologien (AMRs) und bei SMR.

Forschungsreaktoren

In den USA sind 30 Forschungs- und Testreaktoren in Betrieb, weitere befinden sich in der Stilllegung oder warten auf eine entsprechende Genehmigung dazu. Die Reaktoren sind an Großforschungseinrichtungen, Unis und Hochschulen angegliedert. In dem vom Energieministerium initiierten Programm NEUP (Nuclear Energy University Program) werden die Aktivitäten in diesem Bereich gebündelt und koordiniert. Zudem verfügt das Energieministerium über eigene Forschungs- und Testreaktoren.

Anlagen zur Brennstoffherstellung und -verarbeitung

Die US-Produktion von Urankonzentrat (U3O8) belief sich im vierten Quartal 2023 auf 12.653 Pound (etwa 5,7 Tonnen) im Vergleich zu 174.712 Pound im 4. Quartal des Vorjahres. Das Land bezieht einen Großteil des Urans für den Einsatz in seinen kommerziellen Reaktoren aus dem Ausland. Um die Abhängigkeit von Kernbrennstoffen aus Ländern wie beispielsweise der Russischen Föderation zu verringern, wird seit 2022 der heimischen Uranverarbeitung (Konversion und Anreicherung) und der Produktion von Brennelementen Vorrang eingeräumt. Ein entsprechendes Gesetz hat der US-Senat im Juli 2023 verabschiedet. Außerdem soll der Aufbau der HALEU-Kapazität, welche auch für einige fortschrittliche Reaktorkonzepte benötigt wird, beschleunigt werden.

So genehmigte die NRC ein Demonstrationsprojekt zur Herstellung von HALEU in der Zentrifugenanlage von Centrus Energy in Piketon. Im Oktober 2023 wurde mit dem Anreicherungsbetrieb begonnen. Im Februar 2024 erhielt die Anlage in Wilmington (North Carolina) die Genehmigung, Uranoxid mit einer Anreicherung von bis zu 8 Prozent herzustellen.

Im August 2023 hat Westinghouse in seiner Brennelementefabrik Columbia (CFFF) in South Carolina ein „Kompetenzzentrum“ für die Herstellung von niederangereichertem Brennstoff (LEU+) eingerichtet. Das Zentrum soll die erwartete Nachfrage nach LEU+-Brennstoff (5 bis 10 Prozent Anreicherung) decken. Im Oktober 2023 genehmigte die NRC den Einsatz von sogenanntem accident tolerant fuel (ATF) mit einer Anreicherung von bis zu 6 Prozent im KKW Vogtle-2. Erstmals wurde damit ein Anreicherungsgrad von mehr als 5 Prozent bei Brennstoff für einen kommerziellen Reaktor genehmigt. Die erste Beladung ist für 2025 geplant.

[Stand: 02.05.2024]