Kernenergie in Kanada

• Kanada betreibt an vier Standorten 19 Kernkraftwerksblöcke: Bruce (8), Pickering (6), Darlington (4), Point Lepreau (1). Dabei handelt es sich ausschließlich um schwerwassermoderierte Druckröhrenreaktoren vom Typ CANDU, die Natururan nutzen können.

• Derzeit läuft ein umfassendes Modernisierungsprogramm für die Reaktorflotte, deren Laufzeit verlängert werden soll.

• Kanada plant sowohl den Neubau großer Kernkraftwerke als auch den Einsatz von Small Modular Reactors.

 

Status quo der Stromerzeugung

Kanada hat im Jahr 2022 rund 656 Terawattstunden (TWh) Strom erzeugt. Weit mehr als die Hälfte davon stammte aus Wasserkraft, gefolgt von Kernenergie und Erdgas. Mit einem Anteil von rund 14,1 TWh Import und 65,4 TWh Export ist das Land Nettostromexporteur. 

Anzahl der Anlagen und Durchschnittsalter mit Strommix in Kanada
Anzahl Anlagen Durchschnittsalter Strommix Kanada

[Wir nutzen die Zahlen der International Energy Agency (IAE), die für Kanada den Stand 2022 wiedergibt. Tagesaktuelle Erzeugungsdaten nach Energiequelle finden sich auf der Seite Electricity Maps.]

Politische und rechtliche Rahmenbedingungen

Bis zum Jahr 2050 sollen 100 Prozent des kanadischen Stroms aus erneuerbaren und emissionsfreien Ressourcen erzeugt werden (Canadas Energy Future 2023). Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Regierung im Jahr 2018 den Ausstieg aus der konventionellen Kohleverstromung bis 2030 geregelt. Auch für den Nuklearbereich sind in diesem Zusammenhang Anpassungen vorgesehen. Dabei spielen zwei Ansätze eine maßgebliche Rolle. Zum einen die Laufzeitverlängerungen und entsprechende Modernisierungen von bestehenden Kernkraftwerken. Die Arbeiten sollen bis 2033 erfolgen und umfassen unter anderem den Austausch der Druckröhren und der Dampferzeuger sowie die Anpassung der Hilfssysteme an die aktuellen Standards. Mit den Maßnahmen soll die Betriebsdauer der Reaktoren um 30 bis 35 Jahre verlängert werden – für einzelne Anlagen des Standorts Bruce ist dann etwa vom Jahr 2064 als voraussichtliches Laufzeitende die Rede. Block 6 wurde nach umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen im September 2023 wieder mit dem Landesnetz verbunden. Die Provinz Québec beabsichtigt zudem die Prüfung der Wiederinbetriebnahme des bereits 2012 stillgelegten Kernkraftwerks Gentilly-2. Bei den Blöcken 5 bis 8 des Kraftwerks Pickering sollen die Modernisierungsarbeiten ab 2027 starten und bis Mitte der 2030er Jahre abgeschlossen sein. Am Standort Darlington laufen die Modernisierungsarbeiten an Block 1, die an Block 4 begannen im Juli 2023.

Der zweite Ansatz bezieht sich auf den Aufbau einer internationalen Führungsrolle Kanadas hinsichtlich Small Modular Reactors (SMR). Grundlage hierfür ist die vom Ressourcenministerium (NRCan) 2018 veröffentlichte SMR-Roadmap. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass die ersten Anlagen in Kanada Ende der 2020er Jahre ans Netz gehen sollen. Begleitend dazu werden finanzielle und regulatorische Anreize geschaffen – bundesweit und auch von einzelnen Provinzen initiiert. So hat die kanadische Aufsichtsbehörde Canadian Nuclear Safety Commission (CNSC) ein Verfahren zur Prüfung von KKW-Konzepten noch vor der Lizenzvergabe eingeführt, das auf der Reaktortechnologie des jeweiligen Anbieters basiert. Im Februar 2023 startete die Regierung das Enabling Small Modular Reactors Program, das etwa 22 Millionen Dollar zur Unterstützung der Entwicklung und des Einsatzes von SMR bereitstellt. In einer Art Wettbewerb haben die Canadian Nuclear Laboratories (CNL) interessierte Unternehmen aufgefordert, sich mit ihrem SMR-Konzept für den Bau einer SMR-Demonstrationsanlage an dem von CNL verwalteten Standort Chalk River zu bewerben. Vier Konzepte befinden sich derzeit im Auswahlprozess. Am weitesten vorangeschritten ist der Prozess bei dem 5 MW-Hochtemperaturreaktor von Global First Power. Das Unternehmen hat das Genehmigungsverfahren eingeleitet und eine Umweltverträglichkeitsprüfung für einen Demonstrationsreaktor ist derzeit im Gange.

Karte Kanada
Karte Kanada

Aktuelle Planungen und Projekte

Kanada hat mit den CANDU-Reaktoren in den 1950er Jahren sein eigenes Reaktordesign entwickelt, welches auch nach Südkorea, Indien, China, Rumänien und Argentinien exportiert wurde. Seitdem hat das Konzept mehrere Entwicklungsstufen durchlaufen, in denen unter anderem Sicherheitssysteme angepasst wurden.

So hat beispielsweise AtkinsRéalis das Candu-Monark-Reaktordesign entwickelt, das mit einer Leistung von 1.000 MW der leistungsstärkste Reaktor der Candu-Technologie ist. Der Reaktorentwickler plant, den ersten Reaktor in Kanada zwischen 2034 und 2035 in Betrieb zu nehmen.

Auch Weiterentwicklungen hinsichtlich des Brennstoffs wurden angedacht, beispielsweise mit dem Enhanced Candu 6 oder dem Advanced Candu Reactor.

Große Kernkraftwerke. Anfang Juli 2023 kündigte die Provinzregierung von Ontario an, dass der Betreiber Bruce Power eine Umweltverträglichkeitsprüfung für neue nukleare Erzeugungskapazitäten im Umfang von 4.800 MW am Standort Bruce durchführen wird. Die Provinzregierung unterstützt die Neubaupläne.

Small Modular Reactors. Das Darlington New Nuclear Project (DNNP) sieht den Bau von insgesamt vier SMR am Standort Darlington (DNPP) vor. Dieser Standort wurde ausgewählt, da hier bereits eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorhanden war. Den ersten SMR plant die Betreibergesellschaft Ontario Power Generation (OPG) zusammen mit GE Hitachi Nuclear Energy (GEH) umzusetzen. Dabei handelt es sich um einen BWRX-300, einen wassergekühlten kleinen modularen Siedewasser-Reaktor mit 300 MW und natürlicher Zirkulation. Das SMR-Konzept hat bereits die ersten zwei kombinierten Phasen der Vorlizensierung durchlaufen. Die im Oktober 2022 beantragte Baugenehmigung wird derzeit von der Aufsichtsbehörde geprüft. Es wird davon ausgegangen, dass die Anhörungen zum Projekt 2024 beginnen werden, 2028 soll der SMR in Betrieb gehen. Die vorbereitenden Bauarbeiten wurden im März 2024 abgeschlossen. Die Anlage soll Vorreiter für ähnliche Projekte in Saskatchewan, New Brunswick und Alberta sein.

In Saskatchewan soll ab 2029 der Mikroreaktor eVinci von Westinghouse zum Einsatz kommen.

Im Juni 2023 beantragte NB Power eine Genehmigung zur Vorbereitung des Standorts für den Bau eines ARC-100-Reaktors am Kernkraftwerksstandort Point Lepreau. Die Registrierung für eine Umweltverträglichkeitsprüfung wurde ebenfalls vorgenommen. Beim ARC-100 handelt es sich um einen natriumgekühlten schnellen Reaktor mit einer Leistung von 100 MW. Die Energiestrategie der Provinz sieht vor, die Kapazität des Kernkraftwerks durch den Bau mehrerer ARC-100 bis zum Jahr 2035 um rund 600 MW zu erhöhen.

Im Januar 2024 hat der kanadische Reaktorentwickler X-energy für seinen 80 MW Hochtemperaturreaktor Xe-100 die Vorlizensierung durch die kanadische Aufsichtsbehörde CNSC abgeschlossen und den Reaktorentwurf nun für ein weiteres Prüfverfahren eingereicht. Der Xe-100 kann zu einem Kraftwerk mit einer Leistung von 320 MW (4 x 80 MW) ausgebaut werden und soll mit dem unternehmenseigenen tristrukturierten isotropen Partikelbrennstoff TRISO-X betrieben werden.

Außerdem arbeiten der kanadische Entwickler Prodigy und das US-Unternehmen Westinghouse daran, bis 2030 einen transportablen SMR in Kanada in Betrieb zu nehmen. Ein solches Transportabel Nuclear Power Plant (TNPP) soll einen 5 MW Mikroreaktor von eVinci enthalten, der vorgefertigt zu seinem Einsatzort transportiert werden soll.

Im März 2024 vereinbarten die Aufsichtsbehörden der USA, Kanada und Großbritanniens die Zusammenarbeit bei der technischen Prüfung fortgeschrittener, modularer Reaktortechnologien (AMRs) und bei SMR.

Forschungsreaktoren

Kanada betreibt vier Forschungsreaktoren, drei in der Provinz Ontario und einen in Montreal. Zu den Lizenznehmern, die diese Einrichtungen betreiben, gehören Universitäten, private Unternehmen und staatliche Stellen.

Die britische Aufsichtsbehörde und die kanadische Nuklearforschungseinrichtung CNL arbeiten zukünftig zusammen, wenn es um die Entwicklung von Technologien für den Umgang mit Tritium geht, das als Brennstoff in der Fusionsenergie verwendet werden soll.

Anlagen zur Uranförderung und -verarbeitung

Kanada verfügt über große Uranvorkommen und gehört nach Kasachstan und Namibia zu den Ländern mit der weltweit größten Uranfördermenge. Die Produktion stammt aus den Minen McArthur River und Cigar Lake in der nördlichen Provinz Saskatchewan. Darüber hinaus wird die Erkundung möglicher Lagerstätten vorangetrieben.

Im Oktober 2023 hat die kanadische Aufsichtsbehörde CNSC der Betreiberin der Uranbetriebe Key Lake, McArthur River und Rabbit Lake neue Betriebsgenehmigungen bis zum Jahr 2038 beziehungsweise 2043 ausgestellt. An den Standorten wird Uran abgebaut beziehungsweise zu Uranoxid verarbeitet.

[Stand: 22.03.2024]