Kernenergie in Polen

• Polen plant den Bau von Kernkraftwerken, der erste von sechs Blöcken soll 2033 in Betrieb gehen.
• Die Regierung plant den Einsatz von Hochtemperaturreaktoren für die industrielle Wärmeerzeugung, eine Pilotanlage soll errichtet werden.
• Polnische Industrieunternehmen wirken mit ausländischen Partnern auf den Einsatz von SMR hin; erste Anträge auf Vorprüfung wurden bereits eingereicht.

Status quo der Stromerzeugung

Kernkraftwerke und Strommix Polen
Strommix Polen

In Polen werden derzeit keine Kernkraftwerke (KKW) betrieben. Im Jahr 2020 erzeugte das Land rund 158 Terawattstunden (TWh) Strom. Der Anteil der Kohleverstromung liegt dabei bei knapp 70 Prozent; die Erzeugung aus Erneuerbaren Energien (EE) lag bei circa 13 Prozent. Traditionell ist Polen ein Nettoexporteur von Strom.

Die Exporte gehen allerdings aufgrund des ständig steigenden Bedarfs im Inland seit einigen Jahren zurück (zwischen 2000 und 2022 ist der Pro-Kopf-Verbrauch um rund 36 Prozent angestiegen). Im Jahr 2020 betrug der Gesamtverbrauch 134 TWh. Seit Anfang der 2010er-Jahre werden Übertragungsverbindungen mit den baltischen Staaten ausgebaut, um deren Einbindung in das europäische Verbundnetz zu verbessern. Im Jahr 2015 schlossen der polnische und der ukrainische Netzbetreiber eine Vereinbarung über den Import von Strom aus der Ukraine; hierzu ist die Instandsetzung einer 750-Kilovolt-Leitung zum ukrainischen Kernkraftwerk Chmelnyzkyj geplant.

Politische und rechtliche Rahmenbedingungen

Mit Blick auf die klimapolitischen Vorgaben der Europäischen Union ist Polen bestrebt, den Anteil der Kohleverstromung am heimischen Strommix erheblich zu reduzieren. Im Februar 2021 hat das polnische Kabinett einen Plan für die polnische Energiepolitik bis 2040 (EPP2040) verabschiedet. Neben einem Ausbau der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien (insbesondere von Windkraftfarmen in der Ostsee) auf 23 Prozent und einer Reduktion des Kohleanteils auf 60 Prozent bis zum Jahr 2030 sieht das Programm auch den Bau von insgesamt sechs KKW-Blöcken bis zum Jahr 2043 mit 6.000 bis 9.000 Megawatt elektrischer Leistung (MWe) vor. Der erste Block mit circa 1.000 bis 1.600 MWe soll 2033 in Betrieb genommen werden; anschließend soll alle zwei Jahre ein weiterer Block folgen. Bereits im Jahr 2011 verabschiedete das polnische Parlament Änderungen des Kernenergiegesetzes und weiterer Gesetze, um einen Rechtsrahmen für die nachfolgenden Planungen im Hinblick auf den Bau und den Betrieb von Kernkraftwerken sowie die Entsorgung radioaktiver Abfälle zu schaffen.

Aktuelle Planungen und Projekte

Landkarte Polen
© GRS

Große Kernkraftwerke. Im Oktober 2022 gab die polnische Regierung bekannt, dass das US-Unternehmen Westinghouse den Zuschlag für den Bau des ersten Kernkraftwerks des Landes erhalten hat. Gemeinsam mit der US-Baufirma Bechtel soll Westinghouse drei Reaktoren der Baulinie AP1000 errichten.

Im September 2023 unterzeichneten die beiden US-amerikanischen Unternehmen eine formelle Vereinbarung über die Zusammenarbeit. Das Projekt soll in weitem Umfang staatlich finanziert werden; auf polnischer Seite wurde dazu das staatliche Unternehmen Polskie Elektrownie Jadrowe (PEJ) gegründet, das 51 Prozent des Projekts halten soll.

Das polnische Ministerium für Klima und Umwelt genehmigte im Juli 2023 die Pläne mit einer Grundsatzentscheidung. Diese Grundsatzentscheidung ist der erste Schritt im polnischen administrativen Genehmigungsverfahren für Investitionen in Kernkraftwerke. Als Standort wurde nach einem mehrjährigen Auswahlprozess im Dezember 2021 ein Bereich in der Nähe der Ortschaften Kopalino und Krokowa an der Ostseeküste des Landes bekannt gegeben. PEJ reichte im August 2023 bei der Regierung der Woiwodschaft Pommern einen Antrag auf eine Standort-Entscheidung ein, um ein Kernkraftwerk in der Gemeinde Choczewo am Standort Lubiatowo-Kopalino zu errichten; über den Antrag wurde im Oktober positiv entschieden. Im September 2023 stellte die polnische Behörde für Umweltschutz (GDOŚ) PEJ einen Beschluss über die Umweltbedingungen (entspricht einer Umweltgenehmigung) aus.

Ebenfalls im Oktober 2022 gab das halbstaatliche polnische Energieunternehmen ZE Pak die Unterzeichnung einer gemeinsamen Absichtserklärung mit dem staatlichen polnischen Energieversorger PGE und dem südkoreanischen Versorger Korea Hydro & Nuclear Power (KHNP) über den Bau mehrerer KKW-Blöcke des Typs APR-1400 bekannt. Das Projekt soll im Wesentlichen privatwirtschaftlich finanziert werden (KHNP will 49 Prozent der Gesamtkosten tragen; insgesamt ist eine Finanzierung zu 20 Prozent über Kapital und 80 Prozent über Kredite vorgesehen). Das Projekt kann noch von der EU-Kommission angefochten werden. Außerdem hatte Westinghouse im Vorfeld vor einem US-Gericht Klage gegen KHNP erhoben, weil diese mit dem Angebot geistiges Eigentumsrecht von Westinghouse verletzt habe. Dennoch hat KHNP im November 2022 mit der Untersuchung eines potenziellen Kraftwerksstandorts nahe Pątnów in Zentralpolen begonnen. Die polnischen Unternehmen ZE PAK und Polska Grupa Energetyczna (PGE) haben Mitte April 2023 offiziell eine gemeinsame Zweckgesellschaft mit dem Namen PGE PAK Energia Jądrowa SA gegründet, um das Projekt zum Bau eines Kernkraftwerks umzusetzen. Diese Zweckgesellschaft reichte im August 2023 beim polnischen Ministerium für Klima und Umwelt einen Antrag auf eine Grundsatzentscheidung über den Bau eines Kernkraftwerks mit mindestens zwei südkoreanischen APR-1400 in der Region Patnów-Konin ein. Diesem Antrag wurde im November 2023 stattgegeben.

SMR. Gegenwärtig verfolgen verschiedene polnische Industrieunternehmen gemeinsam mit ausländischen Partnern den Einsatz von kleinen, modularen Reaktoren (SMR), mit denen Kohlekraftwerke ersetzt werden sollen. Unter dem Namen „Project Phönix“ laufen dazu unter Federführung der USA aktuell Machbarkeitsstudien (neben Polen auch in Tschechien und der Slowakei).

Das Joint Venture Orlen Synthos Green Energy (OSGE) beabsichtigt, bis Ende des Jahrzehnts den ersten von mehreren SMR des Typs BWRX-300 von GE-Hitachi zu errichten und in Betrieb zu nehmen. Die polnische Generaldirektion für Umweltschutz hat ein Umweltverträglichkeitsprüfungs(UVP)-Verfahren für die geplante Errichtung eines SMR bei Stawy Monowskie im Südwesten Polens eingeleitet, teilte OSGE Mitte Juni 2023 mit. Auf den Umfang dieser obligatorischen UVP für „ein kleines modulares KKW mit einer elektrischen Gesamtleistung von bis zu 1.300 MWe unter Verwendung der BWRX-300-Technologie“ hat sich die Behörde Ende August 2023 festgelegt. Mit ersten Umwelt- und Standortuntersuchungen wurde bereits begonnen.

Das polnische Bergbau- und Energieunternehmen KGHM Polska Miedz SA hat Anfang 2022 mit NuScale Power eine Vereinbarung über Vorarbeiten für den Bau eines SMR vom Typ NuScale VOYGR in Polen unterzeichnet. Die Anlage soll im Jahr 2029 in Betrieb gehen, das Ministerium für Klima und Umwelt hat im Juli 2023 den Grundsatzentscheid für den Bau erteilt.

Das Unternehmen Respect Energy hat Anfang 2023 eine Vereinbarung mit der französischen EdF zur Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Kernkraftprojekten in Polen unterzeichnet, die auf der französischen Nuward-Technologie basieren. Die Technologie befindet sich noch in der Design-Phase, ein grundlegender Entwurf soll bis 2025 vorgestellt werden. Der Bau eines Nuward-SMR-Demonstrationskraftwerks ist für 2030 geplant.

Das britische Unternehmen Rolls-Royce SMR hat im Februar 2023 eine Absichtserklärung mit dem polnischen Industriekonzern Industria unterzeichnet, um Kooperationsgespräche zum Einsatz von SMR in Mittel- und Südpolen zuführen. Der grobe Zeitplan sieht den Einsatz in den 2030er-Jahren vor.

Hochtemperaturreaktoren (HTR). Die polnische Regierung verfolgt bereits seit einigen Jahren Pläne zum Einsatz von HTR, um den CO2-Ausstoß bei der Bereitstellung von Prozesswärme insbesondere für die chemische Industrie des Landes zu reduzieren. Dazu soll zunächst am Nationalen Zentrum für Kernforschung ein experimenteller HTR mit 10 MW thermischer Leistung (MWt) errichtet werden; hierzu hat Polen im November 2022 ein Kooperationsabkommen mit Japan geschlossen. Außerdem soll ein Kraft-Wärme-Kopplungs-HTR mit 200 bis 350 MWt gebaut werden. Die Zusammenarbeit mit Japan umfasst auch gemeinsame Forschung und Entwicklung beim Einsatz von HTR zur Wasserstoffproduktion.

Forschungsreaktor

Am Nationalen Zentrum für Kernforschung in Swierk wird seit 1974 ein Mehrzweckforschungsreaktor mit 30 MWt betrieben (MARIA). Nach einem Umbau dient er als einer von mehreren Reaktoren in Europa unter anderem der Herstellung von Molybdän-99. Nach zuletzt abgeschlossener Modernisierung soll der Betrieb des Reaktors bis mindestens 2050 sichergestellt sein.

 

(Stand: 26.03.2024)