Kernenergie in Russland

• 36 Reaktorblöcke tragen etwa 19 % zur Stromversorgung des Landes bei.

• Russland ist aktiv mit der Weiterentwicklung der Kernenergie beschäftigt; zwei konventionelle SMR sind bereits in Betrieb, ein weiterer Leichtwasser- und ein bleigekühlter SMR derzeit im Bau.

• Das Land exportiert seine Reaktortechnologie in eine Vielzahl von Ländern; zudem ist es weltweit führend in der Urananreicherung.


Status quo der Stromerzeugung

Die mehr als 1.000 TWh Strom werden in Russland überwiegend aus fossilen Energieträgern gewonnen. Daneben spielen Wasserkraft und Kernenergie eine wichtige Rolle, rund 40 % des Stroms werden so auf CO2-armem Wege generiert; Wind und Solar liegen zusammengenommen gerade einmal im Promillebereich. Im Jahr 2021 wurden netto etwa 21 TWh mehr Strom exportiert als importiert.

KKW und Strommix Russland
KKW und Strommix Russland

Bei den 36 betriebenen Reaktoren handelt es sich überwiegend um wassergekühlte und -moderierte Druckwasserreaktoren, sogenannte WWER, mit einer elektrischen Leistung von 440, 1.000 oder 1.200 MW. Zusätzlich laufen seit den 1970er- und 1980er-Jahren noch elf graphitmoderierte RBMK, zwei natriumgekühlte Schnelle Brüter sowie zwei SMR-Blöcke auf dem „schwimmenden“ KKW Akademik Lomonossow, welches die entlegene Stadt Pewek mit Energie versorgt; hierbei handelt es sich um Standardreaktoren, wie sie bei der Eisbrecherflotte eingesetzt werden.

Politische und rechtliche Rahmenbedingungen

Grundlage der energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Entwicklung in Russland ist die im November 2009 von der Regierung bestätigte Energiestrategie für den Zeitraum bis 2030, die in den Jahren 2015 und 2020 mit Ausblick bis 2035 entsprechend den Veränderungen auf dem Weltmarkt und der Entwicklung der russischen Energiewirtschaft überarbeitet und aktualisiert wurde.

Als Ziele gibt die russische Energiestrategie vor, die natürlichen Energieressourcen effektiv zu nutzen und das Potenzial des Energiesektors zu maximieren. Für das Jahr 2030 wird eine Reduktion der Energieintensität um 56 Prozent (im Vergleich zu 2005) angestrebt. Der Anteil der Kernenergie am Strommix soll in den nächsten Jahrzehnten ungefähr auf gleichem Niveau bleiben. Entsprechend der Strategie bis 2035 sollen die stillzulegenden KKW-Blöcke durch neue Anlagen ersetzt werden und, falls Bedarf besteht, KKW an neuen Standorten errichtet werden.

Sowohl die RBMK- als auch die WWER-440-Reaktoren waren für eine Betriebslaufzeit von 30 Jahren ausgelegt; die Laufzeiten dieser Reaktoren wurden allerdings um 15 Jahre verlängert, sodass sie 45 Jahre lang betrieben werden können. Es gibt Pläne, die Betriebsdauer in einigen Fällen auf 60 Jahre zu verlängern, während für die WWER-1000-Reaktoren eine Betriebslaufzeit von bis zu 50 Jahren vorgesehen ist.

Bau und Betrieb der KKW obliegt der direkt der russischen Regierung unterstellten Atombehörde Rosatom, die auch für den Export russischer Reaktortechnologie ins Ausland sowie den militärischen Bereich der Kernenergie verantwortlich ist. Im März 2021 erklärte Rosatom, dass der Anteil der Kernenergie am Strommix bis 2045 auf 25 % wachsen solle, was die Inbetriebnahme von 24 Blöcken erfordern würde.

Aktuelle Planungen und Projekte

Große KKW. Tatsächlich gebaut werden aktuell allerdings nur zwei Blöcke: In der Oblast Kursk entsteht seit April 2018 das KKW Kursk-II, wo mit den Blöcken 1 und 2 die Prototypanlagen der Baulinie WWER-TOI errichtet werden. Diese sollen die benachbarte Anlage, das KKW Kursk, ersetzen. Die Inbetriebnahme des ersten Blocks war ursprünglich für 2022 geplant, derzeit geht man von 2024/2025 aus.

Konkreter geplant sind derzeit noch zwei neue WWER-Blöcke am KKW Leningrad, das damit auf acht Blöcke anwachsen würde. Erste Aushubarbeiten starteten im Sommer 2023, im März 2024 wurde mit dem Gießen des Fundaments begonnen. Die Aufsichtsbehörde Rostekhnadzor erteilte Anfang Januar 2024 die Baugenehmigung aus, derzeit geht man von einer Inbetriebnahme in 2030 bzw. 2032 aus.

Laut Aussagen von Rosatoms Generaldirektor Alexej Lichatschow von März 2024 plant Russland den Bau von 17 neuen Blöcken bis zum Jahr 2035, unter anderem im Ural, in Sibirien und im Fernen Osten.

KKW in Russland
KKW in Russland

SMR. Eine weitere neue Anlage entsteht in der geschlossenen Stadt Sewersk in der Oblast Tomsk: Der BREST-300 ist ein bleigekühlter Schneller Brüter, der 2026 in Betrieb gehen soll. Zudem laufen in Russland bereits die beiden eingangs erwähnten 32-MW-SMR auf dem KKW Akademik Lomonossow.

Im Jahr 2028 soll am Standort Ust-Kuiga (Jakutien) ein landbasierter SMR, basierend auf dem RITM-200N-Konzept, in Betrieb genommen werden. Eine entsprechende Standortgenehmigung für ein erstes KKW mit einem landbasierten SMR des Typs RITM-200N wurde im April 2023 erteilt. Weitere kleine Reaktoren sind in Jakutien und der Region Krasonjarsk geplant.

Nukleare Eisbrecher und Frachtschiffe. Der Nuklearantrieb hat sich in der russischen Arktis als technisch und wirtschaftlich unverzichtbar erwiesen, da die Einsatzbedingungen die Möglichkeiten konventioneller Eisbrecher übersteigen. Die für das Brechen von meterdickem Eis erforderliche Leistung und die Schwierigkeiten beim Betanken anderer Schiffstypen sind wichtige Faktoren. Die Flotte wird von Atomflot, einer Abteilung von Rosatom, betrieben.

Sieben Eisbrecher sind derzeit in Betrieb, drei weitere sind im Bau. Als Reaktor dient hierbei der RITM-200, mit dem auch die landbasierten SMR gebaut werden. Zusätzlich zu Eisbrechern verfügt Russland auch über Fracht- und Containerschiffe mit Nuklearantrieb.

Ausland. Neben Projekten im Inland ist die expansive Ausrichtung der russischen Atomwirtschaft hervorzuheben. Russland baut bzw. plant KKW derzeit in Ägypten, Bangladesch, Belarus, China, Indien, Türkei und Ungarn; ein geplantes Projekt in Finnland wurde von finnischer Seite wegen des Einmarsches in die Ukraine abgebrochen. Zudem wird in Osteuropa noch eine Vielzahl von Reaktoren russischer bzw. sowjetischer Bauart betrieben.

Forschungsreaktoren

Laut Angaben der IAEA sind derzeit 52 russische Forschungsreaktoren in Russland in Betrieb, drei weitere werden gebaut – nirgendwo sonst werden so viele Forschungsreaktoren betrieben. Zählt man die abgeschalteten und teils schon zurückgebauten Anlagen dazu, kommt man auf weit über 100. Ein Großteil dieser Anlagen dient allerdings auch der militärischen Nutzung der Kernenergie.

Anfang Februar 2024 teilte das zu Rosatom gehörige Bergbau- und Chemiekombinat mit, dass die Forschungs- und Entwicklungs-Arbeiten für das Projekt eines Flüssigsalz-Forschungsreaktors abgeschlossen sind und ein vorläufiges Design entwickelt wurde. Derzeit wird eine Baugenehmigung bis 2027 und eine Inbetriebnahme bis 2031 angestrebt. Für einen natriumgekühlten schnellen Mehrzweck-Forschungsreaktor am Physikalisch-Energetischen Institut A. I. Leipunski wurde Ende Februar 2024 mit der Produktion von Brennelementen begonnen.

Urananreicherung und -förderung

Eine wesentliche Rolle spielt Russland im Bereich der Uranförderung und -verarbeitung: Obwohl Russland nur 6 % der weltweiten Uranmenge (2020) fördert, werden in Russland über 20 % der Konversion und über 40 % der weltweiten Urananreicherung durchgeführt. Seit dem Beginn des Einmarsches in die Ukraine sind die westlichen Länder bemüht, diese Abhängigkeit zu reduzieren.

(Stand: 04.04.2024)

Urananreicherung und -förderung

Eine wesentliche Rolle spielt Russland im Bereich der Uranförderung und -verarbeitung: Obwohl Russland nur 6 % der weltweiten Uranmenge (2020) fördert, werden in Russland über 20 % der Konversion und über 40 % der weltweiten Urananreicherung durchgeführt. Seit dem Beginn des Einmarsches in die Ukraine sind die westlichen Länder bemüht, diese Abhängigkeit zu reduzieren.