Kernenergie in Russland

• 36 Reaktorblöcke tragen etwa 19,4 Prozent zur Stromerzeugung des Landes bei.

• Russland ist aktiv mit der Weiterentwicklung der Kernenergie beschäftigt: Zwei konventionelle SMR sind bereits in Betrieb, ein weiterer Leichtwasser- und ein bleigekühlter SMR derzeit im Bau.

• Das Land exportiert seine Reaktortechnologie in eine Vielzahl von Ländern; zudem ist es weltweit führend in der Urananreicherung.

Status quo der Stromerzeugung

Die mehr als 1.150 TWh Strom werden in Russland überwiegend aus fossilen Energieträgern gewonnen. Daneben spielen Wasserkraft und Kernenergie eine wichtige Rolle, gut 37 % des Stroms werden so auf CO2-armem Wege generiert; Wind und Solar liegen zusammengenommen gerade einmal im Promillebereich. Russland war in den letzten Jahrzehnten immer ein Nettostromexporteur. Im Jahr 2022 wurden netto etwa 16 TWh mehr Strom exportiert als importiert.

[Wir nutzen die Zahlen der International Energy Agency (IAE), die Zahlen sind gerundet. Tagesaktuelle Erzeugungsdaten nach Energiequelle für einen Großteil des Staatsgebietes der Russischen Föderation finden sich auf der Seite Electricity Maps.]

Durchschnittsalter und Anzahl der russischen Reaktoren sowie Strommix Russland

Bei den 36 betriebenen Reaktoren handelt es sich überwiegend um wassergekühlte und -moderierte Druckwasserreaktoren, sogenannte WWER, mit einer elektrischen Leistung von 440, 1.000 oder 1.200 MW. Zusätzlich laufen seit den 1970er- und 1980er-Jahren noch elf graphitmoderierte RBMK, seit 1980 bzw. 2015 zwei natriumgekühlte schnelle Brüter sowie seit 2019 zwei SMR-Blöcke auf dem „schwimmenden“ KKW Akademik Lomonossow, welches die entlegene Stadt Pewek mit Energie versorgt; hierbei handelt es sich um Standardreaktoren, wie sie bei der Eisbrecherflotte eingesetzt werden.

Politische und rechtliche Rahmenbedingungen

Grundlage der energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Entwicklung in Russland ist die im November 2009 von der Regierung bestätigte Energiestrategie für den Zeitraum bis 2030, die in den Jahren 2015 und 2020 mit Ausblick bis 2035 entsprechend den Veränderungen auf dem Weltmarkt und der Entwicklung der russischen Energiewirtschaft überarbeitet und aktualisiert wurde.

Als Ziele gibt die russische Energiestrategie vor, die natürlichen Energieressourcen effektiv zu nutzen und das Potenzial des Energiesektors zu maximieren. Für das Jahr 2030 wird eine Reduktion der Energieintensität um 56 Prozent (im Vergleich zu 2005) angestrebt. Der Anteil der Kernenergie am Strommix soll in den nächsten Jahrzehnten ungefähr auf gleichem Niveau bleiben. Entsprechend der Strategie bis 2035 sollen die stillzulegenden KKW-Blöcke durch neue Anlagen ersetzt werden und, falls Bedarf besteht, KKW an neuen Standorten errichtet werden.

Bau und Betrieb der KKW obliegt der direkt der russischen Regierung unterstellten Atombehörde Rosatom, die auch für den Export russischer Reaktortechnologie ins Ausland sowie den militärischen Bereich der Kernenergie verantwortlich ist. Im März 2021 erklärte Rosatom, dass der Anteil der Kernenergie am Strommix (entgegen den Planungen in der Energiestrategie) bis 2045 auf 25 % wachsen solle, was die Inbetriebnahme von 24 Blöcken erfordern würde.

Aktuelle Planungen und Projekte

Laufzeitverlängerungen. Sowohl die RBMK- als auch die WWER-440-Reaktoren waren für eine Betriebslaufzeit von 30 Jahren ausgelegt; die Laufzeiten dieser Reaktoren wurden allerdings um 15 Jahre verlängert, sodass sie 45 Jahre lang betrieben werden können. Die Laufzeiten einzelner Anlagen wurden mittlerweile auf 50 bzw. 60 Jahre verlängert.

KKW in Russland
KKW-Standorte Russland

Große KKW. Gebaut werden aktuell vier Blöcke, davon zwei konventionelle Reaktorblöcke und zwei SMR (siehe unten): In der Oblast Kursk entsteht seit April 2018 das KKW Kursk-II, wo mit den Blöcken 1 und 2 die Prototypanlagen der Baulinie WWER-TOI errichtet werden. Diese sollen die benachbarte Anlage, das KKW Kursk, ersetzen. Die Inbetriebnahme des ersten Blocks war ursprünglich für 2022 geplant, nach Angaben von Ende Februar 2025 soll die Inbetriebnahme am 28.04.2025 beginnen. Zwei weitere WWER-TOI sollen hier 2031 bzw. 2034 in Betrieb gehen. Erster Beton für das Fundament des dritten Blocks soll Ende dieses Jahres fließen.

Konkreter geplant sind zwei neue WWER-Blöcke am KKW Leningrad, das damit auf acht Blöcke anwachsen würde. Erste Aushubarbeiten starteten im Sommer 2023, im Dezember 2024 wurde die Betonierung des Fundaments abgeschlossen. Die russische Aufsichtsbehörde Rostekhnadzor erteilte Anfang Januar 2024 die Baugenehmigung, derzeit geht man von einer Inbetriebnahme in 2030 bzw. 2032 aus.

Im August 2024 wurde am Standort des KKW Smolensk-II, wo das Unternehmen Titan-2 bis 2032 bzw. 2034 zwei WWER-TOI-Anlagen zu errichten plant, mit ersten vorbereitenden Arbeiten begonnen. Die Anlage soll die veralteten RBMK-Blöcke des nahe gelegenen KKW Smolensk ersetzen.

Die Baugenehmigung für einen BN-1200 (natriumgekühlter schneller Brüter) am Standort Beloyarsk steht noch aus; Ende Mai 2024 bestand die geplante Anlage jedoch die Umweltverträglichkeitsprüfung. Vorbereitende Arbeiten sollen 2025 beginnen, die eigentlichen Bauarbeiten sollen 2027 starten. Am Standort Beloyarsk werden derzeit ein BN-600 und ein BN-800 betrieben. 

Anfang 2025 genehmigte die russische Regierung den Bau eines KKW mit zwei natriumgekühlten schnellen Brütern in der Region Tscheljabinsk. Die Inbetriebnahme des ersten Blocks mit einer Leistung von 1.255 MW ist für 2038 geplant. 2040 soll der zweite Block mit den gleichen Parametern in Betrieb genommen werden.

Laut Aussagen von Rosatoms Generaldirektor Alexej Lichatschow von März 2024 plant Russland den Bau von 17 neuen Blöcken bis zum Jahr 2035, unter anderem im Ural, in Sibirien und im Fernen Osten.

SMR. Eine weitere neue Anlage entsteht in der geschlossenen Stadt Sewersk in der Oblast Tomsk: Der BREST-300 ist ein bleigekühlter schneller Brüter, der 2026 in Betrieb gehen soll. Im November 2024 begannen die Montagearbeiten für den Kondensator in der Turbinenhalle. Zudem laufen in Russland bereits die beiden eingangs erwähnten 32-MW-SMR auf dem KKW Akademik Lomonossow.

Im Jahr 2028 soll am Standort Ust-Kuiga (Jakutien) ein landbasierter SMR, basierend auf dem RITM-200N-Konzept, in Betrieb genommen werden. Eine entsprechende Standortgenehmigung wurde im April 2023 erteilt.

Im Autonomen Gebiet Tschukotka sollen zwei von vier „schwimmenden“ Reaktoren im Jahr 2028 in Betrieb genommen werden. Die Reaktoren sollen Strom für Projekte zur Erschließung von Erzgebieten liefern.

Weitere kleine Reaktoren sind in Jakutien und der Region Krasonjarsk geplant.

Ausland. Neben Projekten im Inland ist die expansive Ausrichtung der russischen Atomwirtschaft hervorzuheben. Russland baut bzw. plant KKW derzeit in Ägypten, Bangladesch, China, Indien, Türkei, Ungarn und Usbekistan; ein geplantes Projekt in Finnland wurde von finnischer Seite wegen des Einmarsches in die Ukraine abgebrochen. Zudem wird in Osteuropa noch eine Vielzahl von Reaktoren russischer bzw. sowjetischer Bauart betrieben.

Forschungsreaktoren

Laut Angaben der IAEA sind derzeit 54 Forschungsreaktoren in Russland in Betrieb, drei weitere werden gebaut – nirgendwo sonst werden so viele Forschungsreaktoren betrieben. Zählt man die abgeschalteten und teils schon zurückgebauten Anlagen dazu, kommt man auf weit über 100. Ein Großteil dieser Anlagen dient allerdings auch der militärischen Nutzung der Kernenergie.

Anfang Februar 2024 teilte das zu Rosatom gehörige Bergbau- und Chemiekombinat mit, dass die Forschungs- und Entwicklungs-Arbeiten für das Projekt eines Flüssigsalz-Forschungsreaktors abgeschlossen sind und ein vorläufiges Design entwickelt wurde. Derzeit wird eine Baugenehmigung bis 2027 und eine Inbetriebnahme bis 2031 angestrebt. Für einen natriumgekühlten schnellen Mehrzweck-Forschungsreaktor am Physikalisch-Energetischen Institut A. I. Leipunski wurde Ende Februar 2024 mit der Produktion von Brennelementen begonnen.

Urananreicherung und -förderung

Eine wesentliche Rolle spielt Russland im Bereich der Uranförderung und -verarbeitung: Obwohl Russland nur 6 % der weltweiten Uranmenge (2023) fördert, werden in Russland über 20 % der Konversion und über 40 % der weltweiten Urananreicherung durchgeführt. Seit dem Beginn des Einmarsches in die Ukraine sind die westlichen Länder bemüht, diese Abhängigkeit zu reduzieren.

(Stand: März 2025)