© Dirk Mahler/ Fraunhofer IFF
Virtuelles Modell eines Untertagelabors in einer 360-Grad-Darstellung im Fraunhofer IFF

Virtuelles Untertagelabor VIRTUS

Die GRS hat gemeinsam mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), der DBE TECHNOLOGY GmbH und dem Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) ein neues Tool für die Endlagerforschung entwickelt: das virtuelle Untertagelabor VIRTUS.

Ein guter Teil der Forschung findet heute in Untertagelabors statt. Mit VIRTUS können die Forscher Experimente am Computer ablaufen lassen. Vor allem für technisch aufwändige Experimente, die sich über einen sehr langen Zeitraum erstrecken, ist dies interessant. Das virtuelle Labor ermöglicht es, die miteinander gekoppelten Prozesse in einem Endlager besser zu verstehen.

VIRTUS kombiniert dazu verschiedene Simulationscodes (z.B. zur Wärmeausbreitung, Hydraulik und Mechanik) mit einer Software-Plattform, mit der sich die Geologie, der Grubenbau und die Simulationsergebnisse dreidimensional visualisieren lassen. Zusätzlich enthält VIRTUS eine Datenbank mit wichtigen Parametern zu Wirtsgesteinen, Abfallarten und geotechnischen Komponenten.

Einsatz von VIRTUS für unterschiedliche Wirtsgesteine

Der erste Prototyp von VIRTUS war als virtuelles Untertagelabor im Steinsalz entwickelt worden. In einem weiteren Teilprojekt haben die Forscher VIRTUS nun für die Anwendung im Wirtgestein Ton weiterentwickelt.

Dazu mussten zunächst die für Tonstein spezifischen Prozessparameter in die Software eingefügt werden, mit der das Verhalten des Gesteins unter Einflüssen wie etwa Wärmeeinwirkungen oder die Ausbreitung von Porenwasserdrücken berechnet wird. Dabei konnten die Experten unter anderem auch auf Daten zurückgreifen, die die GRS in eigenen Forschungsarbeiten im Schweizer Untertagelabor Mont Terri gewonnen hat. Gemeinsam mit Fachleuten aus der ganzen Welt führt die GRS hier seit Mitte der 1990er-Jahre Experimente in dem dort vorhandenen Opalinus-Ton durch.

Mont Terri wurde auch als prototypisches Anwendungsbeispiel für die Visualisierung von Simulationen von Prozessen im Tonstein gewählt. Dazu wurde nicht nur die Geologie des Standorts – also etwa die Beschaffenheit und räumliche Ausdehnung der dortigen Tonformation –, sondern auch das Streckensystem des Untertagelabors detailgetreu nachgebildet. Als Grundlage für die Modellierung der Strecken konnte auf Daten des Betreibers swisstopo zurückgegriffen werden. Dieser hatte die mit einem 3D-Laserscan-Verfahren die Streckenkonturen mit einer Auflösung von bis zu einigen Zentimetern genau ermittelt. Die Visualisierung in VIRTUS zeigt nun entsprechend fast naturgetreu die Oberflächenstrukturen der einzelnen Strecken.

In dem geologischen Modell des Untertagelabors werden Experimente simuliert, an dem die GRS derzeit mit weiteren Institutionen in Mont Terri arbeitet. In diesen sogenannten großskaligen Erhitzerexperimenten wird untersucht, wie sich die von den radioaktiven Abfällen ausgehende Wärme – im Experiment werden hierfür elektrische Erhitzer genutzt – im umliegenden Gestein ausbreitet. Die Kenntnis der Wärmeausbreitung ist wichtig, weil sich in einem Endlager in Ton das Gestein nur bis zu bestimmten Temperaturlimits aufheizen darf – würden diese überschritten, wäre ein potenzieller Standort nicht geeignet und damit auch nicht genehmigungsfähig.

Die Simulation derartiger Experimente in VIRTUS bietet eine Reihe von Vorteilen. So sind etwa die Ergebnisse realer Experimente durch die dreidimensionale Visualisierung auch für Fachleute leichter zu interpretieren. Beispielsweise lassen sich Inhomogenitäten im Wirtsgestein, die zu einer ungleichförmigen Wärmeausbreitung führen, leichter erkennen. Auf der Grundlage von Experimentaldaten lassen sich außerdem mit geringem Aufwand Variationen des realen Experiments – beispielsweise Änderungen der Wärmeleistung von Erhitzern oder deren Abstand zueinander – berechnen und in VIRTUS visualisieren. Schließlich erlaubt es VIRTUS den Fachleuten, durch die Aufarbeitung bisheriger Ergebnisse bestehende Kenntnislücken leichter und schneller zu identifizieren. Das erleichtert es, möglichst effektiv und damit auch kosteneffizienter die Versuche zu planen, die benötigt werden, um diese Lücken zu schließen.

VIRTUS als Werkzeug der Endlagersuche

VIRTUS bietet aber nicht nur Forschern einen Mehrwert. Es kann auch zum Planen und Optimieren von Endlagern eingesetzt werden. In VIRTUS können auf einfache und schnelle Weise realistische virtuelle Endlager mit ihren Streckensysteme entworfen werden, die in ihrer Größe und ihrem Wirtsgestein variieren. Beispielsweise kann so getestet werden, ob eine geologische Formation genügend Raum für ein Endlagerbergwerk bietet, in dem die geplanten Abfallmengen eingelagert werden können, ohne dass etwa Grenzwerte für die Temperatur des jeweiligen Wirtsgesteins überschritten werden. Damit könnte VIRTUS im Rahmen des Auswahlverfahrens für einen Endlagerstandort beispielsweise dann von Nutzen sein, wenn aus einer Reihe potenzieller Standorte diejenigen ausgewählt werden müssen, die weiter erkundet werden sollen.

Darüber hinaus hilft VIRTUS auch beim Einbeziehen der Öffentlichkeit bei der Suche nach einem  Endlager. Die visuelle Darstellung der Simulationen ermöglicht es auch Laien die komplizierten Prozesse, die in Endlagern ablaufen besser zu verstehen. VIRTUS kann deshalb auch ein wichtiges Hilfsmittel beim Einbinden der Öffentlichkeit in die Suche nach einem Endlagerstandort sein.

Nachbildung des Tunnelsystems im Felslabor Mont Terri: Blick in eine Streckenabzweigung
© GRS
Nachbildung des Tunnelsystems im Felslabor Mont Terri: Blick in eine Streckenabzweigung