Kritikalität

Unter Kritikalität versteht man in der Kerntechnik zweierlei:

Zum einen bezeichnet man den Zustand eines Kernreaktors oder einer Anordnung spaltbarer Stoffe, in dem eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion abläuft, als „kritisch“. Um diese Kritikalität beizubehalten, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein: So muss zwischen den Neutronen, die bei Kernspaltungen entstehen und jenen, die beispielsweise durch Neutroneneinfang verloren gehen, ein Gleichgewicht bestehen. Eine gleichbleibende Zahl von Spaltungen gewährleistet dabei eine konstante Freisetzung von Energie. Diese kritische Anordnung, auch als Kritikalität bezeichnet, ist der Normalzustand in Leistungsreaktoren.

Unter Kritikalität versteht man aber auch ganz allgemein die Neutronenbilanz einer kerntechnischen Anlage. Die Neutronenbilanz wird durch den Multiplikationsfaktor k bezeichnet. Dabei entspricht k dem Verhältnis der Anzahl von Neutronen zweier aufeinander folgender Generationen. Ist k = 1, so spricht man von der im vorigen Absatz beschriebenen kritischen Anordnung – zwischen entstehenden und absorbierten Neutronen besteht ein Gleichgewicht. Ist die Neutronenanzahl der nächsten Generation kleiner als die der aktuellen, spricht man von einer unterkritischen Anordnung (k < 1). Die Kettenreaktion kann unter diesen Bedingungen nicht weiterlaufen. Das ist zum Beispiel im abgeschalteten Zustand eines Kernreaktors der Fall, wenn die Steuerstäbe in den Reaktorkern eingefahren sind und die Neutronen absorbieren. Ist die Anzahl der Neutronen der nächsten Generation größer als die der aktuellen (k > 1), handelt es sich um eine überkritische Anordnung. Dabei unterscheidet man zwischen verzögerter (langsamer) und prompter Überkritikalität. Bei Letzterer besteht die Gefahr, dass sich die Wärmeleistung exponentiell erhöht und es zu einem Stör- oder gar Unfall kommt.