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Zerstörte Reaktorblöcke am Kernkraftwerk Fukushima Daiichi
Reaktorsicherheit

Analytische Untersuchungen zu den Unfallabläufen in Fukushima Daiichi im Rahmen des OECD/NEA Projektes FACE

Am 11. März 2011 kam es im japanischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi nach einem Erdbeben und dem dadurch ausgelösten Tsunami zu einem schweren Reaktorunfall. In zahlreichen internationale Forschungsprojekte wurde seitdem daran gearbeitet, den Unfall im Detail nachzuvollziehen und Verbesserungsvorschläge für die Sicherheit von Kernkraftwerken abzuleiten. Das GRS-Projekt ANEMONE unterstützt ein entsprechendes Vorhaben der Kernenergieagentur der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD-NEA).

FACE-Projekt: Wissen über den Unfallablauf, Analysetools und Rückbau

Zur Analyse des Unfallsablaufs und zur Vorbereitung des Rückbaus der zerstörten Reaktorblöcke am Kernkraftwerk Fukushima Daiichi hat die OECD-NEA in der Vergangenheit bereits verschiedene Projekte durchgeführt, an denen die GRS teilweise bereits mitgewirkt hat (z.B. BSAF, PreADES and ARC-F). Das aktuelle Projekt Fukushima Daiichi Nuclear Power Station Accident Information Collection and Evaluation Project (FACE) schließt an die bereits abgeschlossenen Arbeiten an und verfolgt eine Reihe unterschiedlicher wissenschaftlicher Zielsetzungen. 

So soll das Projekt einen Beitrag dazu leisten, die beteiligten japanischen Organisationen beim Rückbau des Kraftwerks zu unterstützen. Hierfür sollen unter anderem Befunde aus der bisherigen Erkundung des Inneren der Reaktorblöcke (bspw. Bildaufnahmen) und Analyseergebnisse der vor Ort in den Reaktoren gesammelten uranhaltigen Partikel interpretiert werden. Auch Verfahren und Techniken für die Untersuchung entsprechender Proben in sogenannten „Heißen Zellen“ sollen diskutiert und für zukünftige Analysen von Brennelementtrümmern optimiert werden.

Unabhängig von der Unterstützung des Rückbaus soll in dem Projekt aber auch der Unfallhergang weiter untersucht werden. Auch über ein Jahrzehnt nach dem Unfall sind hier immer noch eine ganze Reihe von Einzelfragen ungelöst. Dies betrifft auch die Klärung von Befunden aus der bisherigen Erkundung der havarierten Anlagen, die auf der Grundlage der bislang gewonnenen Erkenntnisse über den Unfallablauf noch nicht ohne Weiteres erklärt werden konnten.  

Die Forschungsarbeiten zum Unfallhergang im Rahmen von FACE bieten den Forschenden auch die Möglichkeit, die hierbei eingesetzten Simulationsprogramme und Methoden zu validieren und Erkenntnisse zu deren weiteren Verbesserung zu gewinnen. Inhaltliche Schwerpunkte liegen dabei auf den Analysen zum Spaltproduktverhalten und der Verbrennung von Wasserstoff sowie auf der Quantifizierung von Unsicherheiten bei der Modellierung von typischen Phänomenen von Kernschmelzunfällen wie der räumlichen Ausbreitung des sogenannten Coriums (d. h. der Mischung aus geschmolzenem Kernbrennstoff und weiteren Materialien wie dem Hüllrohrmaterial der Brennstäbe oder Strukturteilen von Brennelementen). 

Über die rein wissenschaftlichen Zielsetzungen hinaus zielt FACE schließlich auch darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen japanischen Organisationen und internationalen Partnern aufrechtzuerhalten und weiter zu vertiefen. Konkret geht es dabei vor allem um den Austausch von Daten und methodischem Know-how, das für die Reaktorsicherheitsforschung eingesetzt werden kann.

GRS-Begleitprojekt ANEMONE

Mit dem Forschungsprojekt Analytische Untersuchungen zu den Unfallabläufen in Fukushima Daiichi im Rahmen des OECD/NEA Projektes FACE (ANEMONE) begleitet die GRS das FACE-Projekt der OECD-NEA. 

Konkrete Aufgabe der GRS ist es, mit ihrem Simulationsprogrammpaket AC2 neue Erkenntnisse zu der Verteilung der Spaltprodukte und des sogenannten Quellterms (d. h. der Menge und Art freigesetzter Radionuklide und des zeitlichen Verlaufs der Freisetzungen) für die Reaktorblöcke 2 und 3 zu erlangen. Entsprechend der generellen Zielsetzungen von FACE sollen die draus gewonnen Erkenntnisse sowohl das Verständnis des Unfallablaufs verbessern als auch der Weiterentwicklung der eingesetzten Programme dienen.  Die GRS verbindet mit AC2 ihre drei wichtigsten Codes zur Simulation schwerer Unfälle - COCOSYS, ATHLET und ATHLET-CD - miteinander und ermöglicht so eine systemübergreifende Prüfung kerntechnischer Schutzziele.

In mehreren Arbeitspaketen wird die GRS zunächst den Unfall mit der aktuellen Version von AC2 analysieren. Weiterhin sollen die Spaltprodukte im Containment und deren Mobilisierung aus dem Containment in das Reaktorgebäude hinein untersucht werden. In diesem Zusammenhang interessiert sie Fachleute beispielsweise, welchen Einfluss das Venting hatte – also das kontrollierte Ablassen von Druck aus den Sicherheitsbehälter über Ventile –, das TEPCO durchführte, kurz nachdem der Druck in den Blöcken 1 bis 3 wegen der fehlenden Nachkühlung der Reaktoren angestiegen war. 

Ein wichtiger Baustein für die Untersuchung des Quellterms ist die durch die Oxidation der Hüllrohre während der Kernschmelze und die Reaktion des Coriums mit Beton verursachte Entstehung von Wasserstoff. Dieser Wasserstoff war ursächlich für die Explosionen in den Reaktorblöcken 1 und 3, durch die neben dem Venting zusätzliche Pfade für die Freisetzung von Spaltprodukten geschaffen wurden. Im Projekt ANEMONE sollen deshalb die Wasserstoffverteilung in Block 3 berechnet werden. 

Unsicherheitsstudien sind ein weiteres Themengebiet, dem sich die Forscherinnen und Forscher der GRS in ANEMONE widmen. Unsicherheiten in nuklearen Daten bewirken zwangsläufig auch Unsicherheiten in den Ergebnissen von Berechnungen. Ziel ist es, Unsicherheiten in den Daten zu den Unfallszenarien zu analysieren und zu reduzieren.
Die Ergebnisse der laufenden Untersuchungen wird die GRS über ihre Beteiligung an der Programme Review Group der OECD-NEA einbringen.

Projekt-Highlights Reaktorsicherheit

Zerstörtes Kernkraftwerk in Fukushima
Analysis of Information from Reactor Buildings and Containment Vessels of Fukushima Daiichi NPS“ (ARC-F)
2019 - 2021

Koordiniert von der Kernenergieagentur der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD/NEA) wurde ein neues internationales Forschungsvorhaben zur weiteren Untersuchung der Unfallabläufe in Fukushima Daiichi ins Leben gerufen. Gemeinsam mit 21 Institutionen aus 11 Ländern wird auch Deutschland, vertreten durch die GRS, am Projekt "Analysis of Information from Reactor Buildings and Containment Vessels of Fukushima Daiichi NPS“ (ARC-F) beteiligt sein. Geleitet wird das auf drei Jahre angelegte Vorhaben von der japanischen Atomenergieagentur (Japan Atomic Energy Agency - JAEA).

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