© W. Schürmann / TUM
Forschungsreaktor FRM auf dem Forschungscampus Garching bei München
Reaktorsicherheit

Untersuchungen zum sicheren Betrieb von Forschungsreaktoren

Forschungsreaktoren unterscheiden sich in Bauart und Nutzung erheblich von kommerziellen Reaktoren in Kernkraftwerken. Forscherinnen und Forscher der GRS untersuchen, wie sich diese Unterschiede auf die Sicherheit von Forschungsreaktoren auswirken.

Forschungsreaktoren werden für verschiedenste Anwendungen genutzt. Die Bandbreite reicht von der Erforschung grundlegender physikalischer Phänomene über Untersuchungen im Bereich der Materialwissenschaften bis hin zur Herstellung von Radioisotopen für Nuklearmedizin. Im Gegensatz zu kommerziellen Leistungsreaktoren produzieren Forschungsreaktoren dabei allerdings keinen Strom. Aktuell sind in Deutschland sechs Forschungsreaktoren im Einsatz: Die Forschungs-Neutronenquelle FRM II der Technischen Universität München, der Forschungsreaktor TRIGA Mark II der Universität Mainz sowie die vier Unterrichtsreaktoren SUR Stuttgart, SUR Ulm, SUR Furtwangen und AKR-2 Dresden.

Von den Leistungsreaktoren unterscheiden sich Forschungsreaktoren in Auslegung, Konstruktion, den verwendeten Werkstoffen und der Beanspruchung im Betrieb. Sie haben eine um Größenordnungen geringere thermische Leistung und damit ein wesentlich geringeres Gefährdungspotential als Leistungsreaktoren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der GRS untersuchen, wie sich diese Unterschiede auf die Sicherheit der Forschungsreaktoren auswirken. In einem aktuellen Forschungsprojekt legen sie den Fokus auf das Alterungsverhalten und die Einbauten, die für Forschungsreaktoren typisch sind: die sogenannten Experimentiereinrichtungen.

Wissen über Experimentiereinrichtungen systematisch aufarbeiten und bewerten

Experimentiereinrichtungen sind die Einbauten, in denen die Forschung stattfindet. Hierzu zählen beispielsweise Bestrahlungseinrichtungen, in denen die zu untersuchenden Proben der Neutronenstrahlung ausgesetzt werden, oder sogenannte „kalte Quellen“, mit denen die Neutronen aus dem Reaktorkern „abgebremst“ werden.

 „Wir können die Erkenntnisse aus der Forschung zu Leistungsreaktoren nicht einfach auf Forschungsreaktoren übertragen. Dafür sind die Unterschiede zu groß“, sagt Dr. Marcus Trapp, Leiter des Projekts. „Vor allem die Experimentiereinrichtungen im Reaktorkern und seiner Nähe werden durch die lokal hohen Neutronenflüsse und die, im Vergleich zu Leistungsreaktoren, höhere Anzahl von Betriebszyklen beansprucht.“

Die Fachleute der GRS erstellen im Forschungsprojekt in einem ersten Schritt eine Übersicht aller Arten von Experimentiereinrichtungen, die in Forschungsreaktoren genutzt werden. Auch die dokumentierten Betriebserfahrungen werden dabei einbezogen. In einem zweiten Schritt werten die Fachleute der GRS die regulatorischen Bestimmungen und Genehmigungsprozesse der Experimentiereinrichtungen aus. Ein dritter Schritt umfasst die Klassifizierung der Experimentiereinrichtungen hinsichtlich ihrer sicherheitstechnischen Bedeutung. In einem vierten und letzten Schritt wird untersucht, wie sich angenommene fehlerhafte oder fehlerhaft bediente Experimentiereinrichtungen auf die Anlage oder die Umgebung eines Forschungsreaktors auswirken. Dabei greifen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die von der GRS entwickelte Software ATHLET zurück, mit der sich die Abläufe im Reaktor simulieren lassen.

Alterungsverhalten von technischen Einrichtungen in Forschungsreaktoren analysieren

Laut Angaben der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) sind derzeit über 40 % der weltweit 224 betriebenen Forschungsreaktoren älter als 50 Jahre. Vier der sechs deutschen Forschungsreaktoren sind in den 1960er und 1970er Jahren in Betrieb genommen worden. Das Projekt der GRS befasst sich vor diesem Hintergrund auch mit der Alterung von technischen Einrichtungen in Forschungsreaktoren. „Wir betrachten dabei insbesondere sicherheitsrelevante Einrichtungen, die sich hinsichtlich der verwendeten Werkstoffe, Aufbau und Einsatzbedingungen signifikant von Leistungsreaktoren unterscheiden,“ so Trapp.

Beispiele hierfür sind etwa mechanische Komponenten, die aus metallischen Legierungen gefertigt wurden und nicht beim Bau von Leistungsreaktoren zum Einsatz kommen. Gezielt untersucht werden auch Experimentiereinrichtungen, deren Einsatz über längere Zeiträume geplant ist und die Sicherheitseinrichtungen beeinflussen können.

Dabei werden Konstruktion, Beanspruchung und Alterungsphänomene von technischen Einrichtungen in Forschungsreaktoren erfasst. Das Augenmerk liegt hier auf den Unterschieden zu Leistungsreaktoren, wie besonderen Legierungen und den Betriebsbedingungen der Einrichtungen. Darauf aufbauend werden repräsentative Einrichtungen ausgewählt und deren Alterungsverhalten sowie Maßnahmen für die Überwachung und Beherrschung von Alterungsphänomenen tiefgehender untersucht. Die Ergebnisse integriert die GRS in ihre Wissensbasis zum Alterungsverhalten technischer Einrichtungen.

Sicherheit von Forschungsreaktoren als internationales Anliegen

Auch verschiedene internationale Institutionen befassen sich gegenwärtig mit der Sicherheit von Forschungsreaktoren. So überarbeitet die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) aktuell ihre einschlägigen Richtlinien. Die Western European Nuclear Regulators Association (WENRA) – ein Zusammenschluss europäischer Atomaufsichtsbehörden – arbeitet daran, sogenannte Safety Reference Levels für Forschungsreaktoren aufzustellen. Safety Reference Level beschreiben grundlegende und länderübergreifende Anforderungen an die Sicherheit von Reaktoren. Diese Aktivitäten werden von der GRS systematisch verfolgt und für das laufende Vorhaben ausgewertet.

Projekt-Highlights Reaktorsicherheit

Blick in einen Reaktorkern
FENNECS - Neutronenphysikalisches Verhalten komplexer Reaktorkerne simulieren
2024

Weltweit arbeiten Forscherinnen und Forscher an kleinen modularen Reaktoren (Small Modular Reactor, SMR) und Mikroreaktoren (very Small Modular Reactor, vSMR). Viele dieser neuen Reaktorkonzepte werden für spezifische Einsatzzwecke entwickelt und verfügen über besondere Kerngeometrien. Um das neutronenphysikalische Verhalten dieser Kerne simulieren zu können, entwickelt die GRS den Simulationscode FENNECS (Finite ElemeNt NEutroniCS).

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