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Stilllegung und Rückbau

Zwischen Leistungsbetrieb und Stilllegung

Wird ein Kernkraftwerk endgültig abgeschaltet und speist keinen Strom mehr in das Versorgungsnetz ein, beginnt die sogenannte Nachbetriebsphase. Diese kann mehrere Jahre dauern und endet, wenn der Betreiber von der zuständigen Aufsichtsbehörde eine Genehmigung zu Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerkes erhält. Während der Nachbetriebsphase kann der Betreiber in Abstimmung mit der zuständigen Aufsichtsbehörde bereits Vorbereitungen für den Rückbau der Anlage treffen.

Veränderungen in der Nachbetriebsphase

Auch wenn der Reaktor nicht mehr im Leistungsbetrieb ist, müssen die Schutzziele Unterkritikalität, Wärmeabfuhr und Rückhaltung der Aktivität nach wie vor gewährleistet sein. Deshalb sind beispielsweise die Systeme zur Störfallbeherrschung funktionsbereit zu halten. Ein Beispiel hierfür sind die Notstromdiesel der Anlage. Sie stellen sicher, dass bei einem Ausfall des externen Stromnetzes die für den Betrieb sicherheitstechnisch relevanter Komponenten erforderliche elektrische Energie zur Verfügung steht.

Im Verlauf des Nachbetriebs werden jedoch zahlreiche Komponenten, Systeme und Bauwerke in Kernkraftwerken nicht mehr benötigt oder müssen angepasst werden. So entfällt beispielsweise die  Notwendigkeit der Kühlung der Brennelemente, sobald diese aus dem Reaktor bzw. aus dem Lagerbecken entfernt wurden. Dementsprechend verändern sich im Verlauf des Nachbetriebs auch die Anforderungen an Überwachung, Prüfung und Instandhaltung der Anlage. Hinzu kommen organisatorische und personelle Veränderungen, die nun umgesetzt werden müssen. Turbinenfahrer werden beispielsweise auf der Anlage nicht mehr gebraucht, dafür aber mehr Fachpersonal im Strahlenschutz, um die Rückbaumaßnahmen zu begleiten. Daneben können in der Nachbetriebsphase bereits vorbereitende Maßnahmen zur Stilllegung getroffen werden, zum Beispiel die Dekontamination von Anlagenteilen.

Vielfach gehen Veränderungen in der Betriebsführung oder auf Ebene des Personals darauf zurück, dass der Betreiber bestrebt ist, in der Nachbetriebsphase Abläufe zu vereinfachen und laufende Kosten zu reduzieren. Dies kann etwa dadurch erreicht werden, dass Sicherheitssysteme des Reaktors nach der Entladung der Brennelemente außer Betrieb genommen werden, um auf die ansonsten vorgeschriebenen sogenannten Wiederkehrenden Prüfungen und Wartungen dieser Systeme verzichten zu können. Auch kann eine Absenkung der Anforderungen an die Qualifikationen des Schichtpersonals abgestrebt werden, um Kosten zu senken.

Änderungen an Sicherheitssystemen und andere, im Sinne des Atomgesetzes „wesentliche Veränderungen“ dürfen allerdings nur nach einer Genehmigung der Aufsichtsbehörde durchgeführt werden. Die Erteilung einer solchen Genehmigung setzt voraus, dass im Rahmen einer sicherheitstechnischen Bewertung geprüft und bestätigt wurde, dass die einschlägigen Sicherheitsanforderungen auch nach der geplanten Veränderung eingehalten werden. Eine Herausforderung für die Aufsichtsbehörden und ihre Gutachter besteht dabei darin, dass sich das kerntechnische Regelwerk in weiten Teilen nicht explizit auf die Nachbetriebsphase bezieht und deshalb bestimmte Vorgaben für den Betrieb oder den Stillstand von Kernkraftwerken mit Blick auf die spezifischen Gegebenheiten dieser Phase auszulegen sind. Mit ihren Untersuchungen trägt die GRS dazu bei, die Grundlagen für derartige Prüfungen zu verbessern.

Untersuchungen der GRS zur Nachbetriebsphase

In einem  Vorhaben, das 2017 abgeschlossen wurde, hat sich die GRS mit möglichen Fehlermechanismen in der Phase des Nachbetriebs von kerntechnischen Anlagen beschäftigt. Dazu haben die Fachleute die Systemtechnik analysiert und zahlreiche Ereignisse ausgewertet, die in Kernkraftwerken im In- und Ausland aufgetreten sind. Es wurden sowohl Ereignisse aus dem Nachbetrieb betrachtet als auch solche, die bereits während des Leistungsbetriebs eingetreten sind und für den Nachbetrieb erhöhte Bedeutung haben können. Dabei wurden relevante Mechanismen, wie beispielsweise Korrosion durch veränderte Strömungsgeschwindigkeiten in Rohrleitungen, der Absturz von Behältern oder Fehler bei der Planung von Anlagenmodifikationen, identifiziert und beschrieben. Der hierzu veröffentlichte GRS-Bericht „Sicherheitstechnische Fehlermechanismen in der Nachbetriebsphase“ ist hier abrufbar.

Projekt-Highlights Stilllegung und Rückbau

GRS-Projektleiter Matthias Dewald am Detektor der AMS-Anlage der Kölner Universität. Hier werden die gesuchten Radionuklide gezählt, nachdem sie durch zwei Massenspektrometer und einen Beschleuniger von den übrigen Ionen aus der Probe getrennt wurden (Quelle: GRS)
Radioaktive Abfälle mit Beschleuniger-Massenspektrometrie bestimmen
2019 - 2022

Das Mineral Graphit wird in manchen Reaktortypen verwendet und kann durch Neutronenstrahlung aktiviert, also in radioaktive Isotope umgewandelt werden. Um eine geeignete Entsorgungsoption auszuwählen, muss der Graphit radiologisch gründlich untersucht werden. Viele Messmethoden sind jedoch verhältnismäßig aufwändig und produzieren wiederum selbst neue radioaktive Abfälle. Ein Forscherteam der GRS und der Uni Köln entwickelt daher eine Methode, mit der Reaktorgraphit schnell und zuverlässig charakterisiert werden kann.

Stilllegung und Rückbau