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Mecklenburgische Seenplatte

Wasser: Ein wertvolles Gut – Tool für nachhaltiges Trinkwassermanagement entwickelt

Hitze und Trockenheit haben Westeuropa seit Monaten fest im Griff: So liest man immer wieder von Waldbränden, ausgetrockneten Flüssen und sogar Problemen mit der Trinkwasserversorgung – Phänomene, die durch den Klimawandel zukünftig wohl noch verstärkt werden und auch vor wasserreichen Ländern wie Deutschland keinen Halt machen. So rief beispielsweise der Berliner Senat letzte Woche die Bürgerinnen und Bürger wegen zunehmender Trockenheit zum Wassersparen auf. Im Verbundprojekt go-CAM wurde unter Beteiligung eines Forscherteams der GRS ein Tool entwickelt, mit dem Entscheidungsträger in Behörden und Unternehmen Kriterien für ein nachhaltiges Trinkwassermanagement definieren können.

Nur 3 Prozent des Wassers auf unserem Planeten sind Süßwasser und wiederum nur ein kleiner Teil davon ist als Trinkwasser nutzbar. Die Ressource Wasser wird in Zeiten des Klimawandels nicht nur in trockenen Gebieten knapp. Vor dieser Herausforderung stehen beispielsweise auch Küstenregionen, wo Wasser zwar im Überfluss vorhanden, allerdings zum Verzehr oder auch zur Bewässerung teilweise ungeeignet ist.

An der Küste können Faktoren hinzukommen, die das Problem verschärfen, wie zum Beispiel eine Zunahme des Tourismus, eine vergleichsweise hohe Bevölkerungsdichte oder Landwirtschaft. Problematisch wird es, wenn durch den Klimawandel und den damit steigenden Meeresspiegel Meerwasser in die Grundwasser führenden Schichten eindringt und damit die Trinkwasserressourcen unbrauchbar macht. Dementsprechend ist ein vorausschauendes und nachhaltiges Management der Ressource Trinkwasser gerade auch in Küstenregionen wichtig.

NAWAK 2.0: Wie beeinflussen Klimawandel und demographische Entwicklung die Verfügbarkeit von Trinkwasser?

Mit der Thematik Trinkwasser befasst sich die GRS bereits seit fast zehn Jahren. So untersuchte ein Forschungsteam beispielsweise im Verbundprojekt NAWAK den Einfluss von Klimawandel und demographischer Entwicklung auf die Verfügbarkeit von Trinkwasser – damals konzentrierte man sich auf ein Gebiet im norddeutschen Küstenraum. Daran schloss das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt go-CAM an, das gemeinsam mit der TU Braunschweig, dem Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband (OOWV) und weiteren Verbundpartnern durchgeführt wurde.

Lage eines der Modellgebiete (Sandelermöns)

Der in NAWAK untersuchte Bereich wurde dabei um zwei Gebiete erweitert: Die Forschenden befassten sich diesmal mit einem weiteren nordwestdeutschen Küstenraum sowie einem Gebiet an der Mittelmeerküste östlich von Antalya (Türkei).

Außerdem entwickelten sie die in dem Vorgängerprojekt erarbeiteten Methoden weiter, um den Einfluss verschiedener Szenarien auf die Verfügbarkeit von Trinkwasser prognostizieren zu können.

Trinkwasserverfügbarkeit: Prognose bis zum Jahr 2100

Ziel war es, die Wasserverfügbarkeit bis ins Jahr 2100 zu prognostizieren. Da eine Vielzahl von Faktoren die Verfügbarkeit von Trinkwasser beeinflussen, leiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus diesen Faktoren zunächst verschiedene Szenarien ab. Die Szenarien lassen sich in zwei verschiedene Gruppen einteilen: Klimaszenarien und Bedarfsszenarien.

Zu ersteren gehören naheliegenderweise insbesondere die Auswirkungen des Klimawandels, wie zum Beispiel der Anstieg des Meeresspiegels, und Veränderungen in der Grundwasserneubildung, die die Verfügbarkeit von Trinkwasser reduzieren können. Die Grundwasserneubildung und den Anstieg des Meeresspiegels variierten sie auf Basis der vom Weltklimarat vorgegebenen Klimaszenarien. So berücksichtigten sie für den angenommenen Anstieg des Meeresspiegels Werte zwischen einem halben und einem Meter bis 2100 für die Szenarien.

Klimaszenarien und Bedarfsszenarien

Zu den Bedarfsszenarien zählen unter anderem regionalwirtschaftliche und demographische Entwicklungen, aber auch mögliche Nutzungskonkurrenzen zwischen den verschiedenen öffentlichen Wasserversorgern, der Industrie und der Landwirtschaft. So rechnet der Verbundpartner OOWV beispielsweise damit, in Zukunft benachbarte Gebiete, in denen bereits Versorgungsengpässe auftreten, von einem seiner Wasserwerke aus mit versorgen zu müssen. Dank der verschiedenen Szenarien konnte so eine Bandbreite möglicher Ergebnisse errechnet werden.

Um die Prognosen durchführen zu können, war eine Reihe von Arbeitsschritten nötig: Zuerst mussten hydrologische und hydrogeologische Modelle aufgebaut werden. Besonders komplex werden diese Modelle, wenn man beispielsweise das Eindringen des Meerwassers ins Grundwasser berücksichtigt.

GRS-Simulationscode aus der Endlagersicherheitsforschung kam zum Einsatz

Für die Erstellung dieser Modelle bedienten sich die Forschenden des Simulationscodes d3f++. Die GRS hat diesen Code gemeinsam mit Verbundpartnern ursprünglich dafür entwickelt, die Grundwasserströmung und den Transport von Radionukliden im Deckgebirge eines Endlagers für radioaktive Abfälle zu berechnen. Mit dem Simulationscode konnte dann auch die komplexe Modellierung der Grundwasserdynamik mit Meerwassereinfluss auf größere Gebiete (> 1.000 km2) sowie lange Betrachtungszeiträume von mehreren Jahrzehnten umgesetzt werden.

Nachdem die Forschenden die Grundwassermodelle aufgebaut, kalibriert und getestet hatten, konnten sie die Modelle mit den Werten aus den verschiedenen Klima- und Bedarfsszenarien füttern und die entsprechenden Simulationen durchführen. Aus den dreidimensionalen, zeitabhängigen Ergebnissen leiteten sie schließlich möglichst anschauliche Indikatoren ab. Zu diesen Indikatoren zählen unter anderem der Grundwasserstand, der Salzgehalt und das verfügbare Wasservolumen für verschiedene Prognosezeiträume.

Einsatz in der Praxis: Entscheidungsgrundlagen für ein nachhaltiges Grundwassermanagement

Zum Schluss wurden diese Indikatoren in das sogenannte MCDA-Tool „CAM“ eingespeist. MCDA steht für „multi criteria decision analysis“, CAM für „coastal aquifer management“. Mithilfe dieses Tools können Entscheidungsträger in Behörden oder Unternehmen Kriterien für ein nachhaltiges Grundwassermanagement definieren.

So stehen ihnen einerseits Informationen und Bewertungen zum aktuellen Zustand der Wasserressourcen zur Verfügung. Andererseits können sie anhand selbst festgelegter Zielfunktionen unterschiedliche Szenarien bewerten. Damit können Risiken früher identifiziert und mögliche Maßnahmen im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele entworfen und bewertet werden.

Trinkwassergrenze in den untersuchten Gebieten bis ins Jahr 2100 stabil

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Lage der Trinkwassergrenze (Chloridgehalt 250 mg/l) für das untersuchte norddeutsche und das nordwestdeutsche Gebiet über alle simulierten Szenarien hinweg bis ins Jahr 2100 stabil bleibt. Um den Detaillierungsgrad der Modelle zu steigern und damit ihre Vorhersagegenauigkeit zu erhöhen, empfehlen die Forschenden, weitere Daten in den untersuchten Gebieten zu erheben.

Das Forschungsprojekt wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Der Abschlussbericht ist in der Publikationsdatenbank der GRS öffentlich verfügbar.