Kernenergie in Belgien
• Die neue Regierung plant, die Laufzeiten von insgesamt bis zu fünf Reaktoren bis 2035 bzw. 2045 zu verlängern, in der Koalitionsvereinbarung ist auch vom Bau neuer Anlagen die Rede.
• Mit Myrrha wird derzeit ein Forschungsreaktor gebaut, mit dem unter anderem Fragestellungen zur Transmutation erforscht werden sollen.
Status quo der Stromerzeugung
Abgesehen von dem Prototypreaktor BR-3 (Abschaltung 1987) befinden sich in Belgien zwei Standorte mit Kernreaktoren: die Kernkraftwerke (KKW) Doel und Tihange. Hier erzeugten über Jahrzehnte insgesamt sieben Druckwasserreaktoren mehr als die Hälfte des belgischen Stroms. Nach der Abschaltung der beiden Reaktoren Doel-3 (2022), Tihange-2 (2023) und Doel-1 (Februar 2025) sind derzeit noch vier Blöcke am Netz. Die fünf damals noch laufenden Blöcke trugen 2023 39,9 Prozent zur Nettostromerzeugung des Landes bei.
Fossile Energieträger kommen auf weniger als ein Viertel der gut 82 Terawattstunden (TWh), die im Jahr 2023 in Belgien erzeugt wurden. Das Land ist traditionell auf Stromimporte angewiesen, importierte 2023 allerdings nur 348 Gigawattstunden (GWh) und war die vier Jahre zuvor Nettostromexporteur.
[Wir nutzen die Zahlen der International Energy Agency (IAE), die Zahlen sind gerundet. Tagesaktuelle Erzeugungsdaten nach Energiequelle finden sich auf der Seite Electricity Maps.]
Politische und rechtliche Rahmenbedingungen
Unter den letzten belgischen Regierungen wurden in der Energiepolitik in Bezug auf die Kernenergie einige Wendungen vollzogen. So war lange Zeit geplant, von fünf Reaktoren drei im Jahr 2025 abzuschalten, Doel-1 machte Mitte Februar 2025 den Anfang, der „siamesische Zwilling“ Doel-2 sowie Block 1 des Kernkraftwerks (KKW) Tihange sollen Ende November folgen.
Anfang 2022 gab die damalige belgische Regierung („Vivaldi-Koalition“) bekannt, dass die Laufzeiten der Reaktorblöcke Doel-4 und Tihange-3 um zehn Jahre, also bis 2035, verlängert werden sollen. Anfang 2025 kündigte die neue Regierung („Arizona-Koalition“) an, den Ausstieg aus der Kernenergie zu stoppen. Die Verlängerung der Reaktoren Doel-1 und -2 sowie Tihange-1 solle geprüft, die Laufzeit der Reaktoren Doel-4 und Tihange-3 um weitere zehn Jahre bis 2045 verlängert werden.
Aktuelle Planungen
Laufzeitverlängerungen. Nachdem die belgische Regierung und der Energieversorger Engie (der 100 Prozent der Anteile an dem Betreiber der belgischen KKW Engie Electrabel hält) sich bereits im Juli 2022 im Grundsatz darauf geeinigt hatten, die Anlagen Doel-4 und Tihange-3 im Fall einer Einigung durch ein von beiden Seiten hälftig getragenes Joint Venture weiterzubetreiben, wurde im Januar 2023 eine Vereinbarung über eine Laufzeitverlängerung geschlossen.
Für den geplanten Weiterbetrieb der beiden Blöcke sind allerdings umfangreiche Prüfungen und entsprechende behördliche Entscheidungen erforderlich (mehr dazu in diesem Artikel).
Hinsichtlich weiterer Laufzeitverlängerungen, sprich der beiden genannten Reaktoren bis 2045 respektive der anderen drei bis 2035, zeigte sich der Betreiber Engie Electrabel allerdings skeptisch. So bezeichnete der Geschäftsführer eine mögliche Umsetzung dieser Pläne Ende Januar 2025 als undenkbar.
Große Kernkraftwerke. Die neue Regierung will das Atomausstiegsgesetz ändern, um den Bau neuer Kernkraftwerke zu ermöglichen; in der Koalitionsvereinbarung ist unter anderem von einer angestrebten Kapazität von 4 Gigawatt aus Kernenergie die Rede. Diese könnten mittelfristig aber nur durch eine Laufzeitverlängerung aller fünf Anlagen erreicht werden (die im Februar und November 2025 abgeschalteten/abzuschaltenden Blöcke miteingerechnet). Ob und gegebenenfalls was für KKW die neue belgische Regierung zu bauen plant (beispielsweise konventionelle KKW oder Small Modular Reactors), ist derzeit noch unklar.
Forschungsreaktoren
Im Studienzentrum für Kernenergie in Mol werden Stand heute noch drei Forschungsreaktoren betrieben. Ein weiterer Forschungsreaktor ist derzeit im Bau: Der von einem Teilchenbeschleuniger angetriebene Reaktor Myrrha soll Angaben aus dem Sommer 2024 zufolge bis 2038 betriebsbereit sein und unter anderem zur Transmutationsforschung verwendet werden.
(Stand: Februar 2025)