Kernenergie in Frankreich

• Frankreich betreibt 56 Kernkraftwerke (KKW) an 18 Standorten.
• In Flamanville bauen Siemens und Framatome seit 2007 einen Europäischen Druckwasserreaktor (EPR).
• Der Energieplan Frankreichs sieht neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien auch eine Verlängerung der Laufzeiten bestehender KKW und den Neubau von sechs EPR-2-Reaktoren an bereits existierenden Standorten vor.
• Die Umsetzung acht zusätzlicher Neubauten vom Typ EPR-2 wird seit 2024 geprüft.
• Mit NUWARD soll 2030 der Bau eines Small-Modular-Reactor-(SMR)-Prototyps starten.

 

Status quo der Stromerzeugung

Prozentual gesehen trugen die nuklearen Erzeugungskapazitäten der 56 französischen Kernkraftwerke im Jahr 2022 mehr als 60 Prozent zum französischen Strommix bei (erzeugte Terawattstunden, TWh). Damit hat Frankreich weltweit gesehen den größten Anteil an nuklearer Stromerzeugung am Strommix. 2022 war Frankreich Nettostromimporteur mit rund 15 TWh.

[Wir nutzen die Zahlen der International Energy Agency (IAE), die für Frankreich den Stand 2022 wiedergibt. Tagesaktuelle Erzeugungsdaten nach Energiequelle finden sich auf der Seite Electricity Maps.]

Kernkraftwerke und Strommix in Frankreich
Kernkraftwerke und Strommix in Frankreich

Politische und rechtliche Rahmenbedingungen

Frankreich setzt für die nächsten Jahrzehnte auf die weitere Dekarbonisierung seines Strommixes (siehe Programm „France 2030“). In diesem Zusammenhang wurden die ursprünglichen Planungen, den Anteil der Kernenergie am Strommix auf unter 50 Prozent zu senken, im Jahr 2023 wieder verworfen. Am 16. Mai 2023 wurde ein Gesetzesentwurf zur Beschleunigung des Baus neuer Reaktoren von der französischen Nationalversammlung verabschiedet. Das vorläufige Gesetz soll 2024 dem Ministerrat und anschließend dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden. Ziel des Gesetzes ist es, den Bau neuer Reaktoren durch die Vereinfachung von Verwaltungsverfahren und Planungsunterlagen zu beschleunigen. Das Ministerium für Energiewende rechnet so mit einer Verkürzung der Bauzeit neuer Anlagen um mindestens zwei Jahre.

KKW-Standorte in Frankreich
Karte Frankreich 2024

Zusätzlich zu den sechs bereits 2022 angekündigten neuen EPR2-Anlagen, werden im Zuge der konkreten Ausgestaltung des „Energiegesetzes“ acht weitere KKW dieses Typs angedacht.

Anfang Juni 2023 hat der französische Staat zudem seinen Anteil am Betreiberkonzern Électricité de France (EdF) von 85 auf 100 Prozent erhöht.

Aktuelle Planungen und Projekte

Der Block 1 des südfranzösischen Kernkraftwerks Tricastin hat im Sommer 2023 von der Aufsichtsbehörde eine Betriebsgenehmigung für weitere zehn Jahre erhalten und ist damit der erste französische Leistungsreaktor, dessen Laufzeit auf insgesamt über 40 Jahre genehmigt wurde.

Große Kernkraftwerke. EdF hat im Juli 2023 die Genehmigungen für den Bau von zwei EPR2-Reaktoren am Standort des bestehenden KKW Penly beantragt. Mit dem Bau in Penly wurde das französische Unternehmen Eiffage beauftragt. Der Bau soll noch vor 2027 beginnen. Das zweite Reaktorpaar soll in Gravelines errichtet werden, ein weiteres am Standort Bugey. Der EPR2 wird als eine optimierte Version des EPR1600, wie er in Flamanville 3, Taishan und Hinkley Point C umgesetzt wird, beworben. Mit einer Leistung von 1.650 MW und einer auf mindestens 60 Jahre ausgelegten Betriebsdauer gleichen sich die Anlagen in wesentlichen Punkten.

Flamanville Reaktoren 1, 2 und 3 (von rechts nach links)
© wikimedia commons/JKremona
Flamanville Reaktoren 1, 2 und 3 (von rechts nach links)

Am Standort Flamanville baut EdF seit 2007 einen dritten Kraftwerksblock, den Europäischen Druckwasserreaktor (EPR).

Diverse Probleme beim Bau (u. a. mit der Qualität des verwendeten Stahls, Schweißnähten, etc.) ließen sowohl Kosten- als auch Zeitplanung ausufern, so dass die geplante Inbetriebnahme von ursprünglich 2012 mehrfach verschoben werden musste.

Ein Termin für die Inbetriebnahme ist derzeit nicht bekannt. EdF spricht auf seiner Webseite allgemein von weiteren Restarbeiten (u. a. Nachbesserung der Schweißnähte des Sekundärkreislaufs) und darauffolgend letzten Tests, bevor schließlich der Brennstoff in den Reaktorbehälter geladen werden kann.

Small Modular Reactors. Frankreichs nationale Strategie, den Kohlendioxidausstoß zu verringern, soll zukünftig auch den Einsatz von Small Modular Reactors (SMR) umfassen.

Mit NUWARD entwickelt EdF zusammen mit Partnern (Framatome, Naval, TechnicAtome) einen 340 Megawatt (MW) starken SMR, der aus zwei unabhängigen Druckwasserreaktoren zu je 170 MW besteht. EdF hat bei der französischen Aufsichtsbehörde ASN mit dem „Dossier der Sicherheitsoptionen“ den Prozess der Vorlizensierung angestoßen. Im Dossier sind Sicherheitsziele, allgemeine Auslegungsmerkmale und die wichtigsten Grundsätze für den Betrieb und das Risikomanagement aufgeführt. Es ermöglicht eine frühzeitige Rückmeldung der ASN, bevor der Bauantrag gestellt wird. 2030 soll mit dem Bau eines Prototyps begonnen werden. Ein Standort hierfür ist noch nicht festgelegt. Mitte 2022 starteten die Behörden aus Frankreich (ASN), Finnland (STUK) und Tschechien (SUJB) mit ihrer jeweiligen technischen Unterstützung für die vorläufige Prüfung (Joint Early Review) der wichtigsten Sicherheitsoptionen des NUWARD SMR. Mittlerweile haben sich die Aufsichtsbehörden Schwedens (SSM), Polens (PAA) und der Niederlande (ANVS) dem Review angeschlossen.

Zudem haben das französische Ingenieurunternehmen Assystem und der Mikroreaktor-Entwickler Naarea (Nuclear Abundant Affordable Resourceful Energy for All) einen Kooperationsvertrag geschlossen. Gemeinsam arbeiten sie an der Entwicklung des Salzschmelzereaktors eXtra Small Modular Reactor (XSMR), einem Flüssigsalzreaktor mit einer Leistung zwischen 1 und 40 MW, der mit recyceltem Material aus abgebranntem Kernbrennstoff betrieben werden soll. Eine Pilotanlage ist für 2027 und die Serienreife ab 2030 vorgesehen.

Schneller Brüter. Mit Japan besteht eine Vereinbarung hinsichtlich der Weiterentwicklung der Technologie des Schnellen Brüters. Frankreich kann in diesem Feld auf eigene Erfahrung aus dem Betrieb zweier Schneller Brüter zurückgreifen. Eine Anlage betrieb EdF bis ins Jahr 2009 zusammen mit CEA in der Nähe von Marcoule: den 233-MW-Reaktor Phénix. Zuletzt wurde er allerdings nur im Testbetrieb für Forschungsprogramme zur Abfallentsorgung eingesetzt. Eine weitere Anlage (Superphénix, 1.200 MW) ging 1996 in Betrieb, wurde jedoch Ende 1998 aus politischen Gründen abgeschaltet und wird derzeit stillgelegt.

Forschungsreaktoren

In Frankreich wurden in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten fast 40 verschiedene nukleare Forschungsanlagen betrieben. Aktuell sind nach Angaben der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) noch zwei Forschungsreaktoren in Betrieb: der ILL High Flux Reactor (schwerwassermoderiert, rund 58 MW) in Grenoble sowie der Cabri Poolreaktor mit 25 MW. In Saint-Paul-les-Durance wird mit dem „Jules Horowitz“ gegenwärtig ein Poolreaktor mit 100 MW thermischer Leistung errichtet.

In Cadarache baut ein internationales Forschungskonsortium den Fusionsreaktor ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor). Der Reaktor beruht auf dem Tokamak-Prinzip und ist seit 2007 in Bau. Es wird erwartet, dass Ende 2025 mit den Experimenten begonnen werden kann.

Anlagen zur Brennstoffherstellung/-bearbeitung

Frankreich verfügt über Anlagen zur Konversion (zwei Comurhex-Anlagen an den Standorten Malvési und Tricastin, betrieben von Orano), Anreicherung (Tricastin, betrieben von Orano), Brennelementfertigung (Uran und MOX an mehreren Standorten in Frankreich und Belgien, betrieben von Framatome) sowie zur Wiederaufbereitung (La Hague, betrieben von Areva).

Vor dem Hintergrund der Pläne westlicher Länder, ihre Abhängigkeit von russischem Brennstoff zu verringern, plant Orano 1,7 Mrd. Euro in den Ausbau seiner Urananreicherungsanlage in Tricastin zu investieren, um deren Kapazität um mehr als 30 Prozent zu erhöhen. Im März 2024 bestätigte der Élysée-Palast zudem, dass die Wiederaufarbeitungsanlage La Hague ausgebaut werden soll. Außerdem sind am Standort größere Investitionen vorgesehen, um die Lebensdauer der Anlagen bis mindestens ins Jahr 2100 zu verlängern.

 

 (Stand: 20.03.2024)