Wiederaufarbeitungsanlage La Hague: Ausbau und Weiterbetrieb bis mindestens 2100
Eigentlich war es nur eine Randnotiz: Der 2023 gegründete Conseil de Politique Nucléaire (Rat für Nuklearpolitik), der letzten Montag im Elysée-Palast tagte, bestätigte die Aussicht auf größere Investitionen in La Hague, um die Lebensdauer der Anlagen bis mindestens 2100 zu verlängern. Übereinstimmende Pressemeldungen wurden am Dienstag aus dem Elysée-Palast bestätigt: Der Rat habe „die großen Leitlinien der französischen Politik im Bereich des Kernbrennstoffkreislaufs, der die Wiederaufarbeitung, die Wiederverwendung abgebrannter Brennstoffe und die Schließung des Kreislaufs kombiniert, bestätigt“, der Standort La Hague werde „Gegenstand umfangreicher Investitionen sein“. Konkrete Zeitpläne oder Beträge wurden in dem Zusammenhang nicht genannt.
Die Wiederaufarbeitungsanlage La Hague
Bei der Wiederaufarbeitung werden die wiederverwertbaren Anteile Uran und Plutonium von den Spaltprodukten getrennt. Die wiederverwertbaren Materialien werden zur Herstellung neuer Brennelemente (Uran- oder MOX-Brennelemente) an andere Standorte transportiert oder vor Ort eingelagert.
Im Rahmen der Wiederaufarbeitung werden die aus Kernkraftwerken zur Anlage verbrachten Brennelemente zunächst in sogenannte Abklingbecken gestellt, wo sie ihre Nachzerfallswärme weiter abgeben. Anschließend werden die Brennelemente in einem Schredder so zerlegt, dass man den Brennstoff von den Strukturteilen trennen kann.
Mehrstufige Wiederaufarbeitung
Der Brennstoff wird dann mit Salpetersäure aufgelöst, sodass die wiederverwertbaren Anteile extrahiert werden können. Der Brennstoff eines ausgedienten Brennelements besteht nur zu rund vier Prozent aus radioaktivem Abfall. Die übrigen 96 Prozent sind grundsätzlich weiterhin als Kernbrennstoff nutzbar. Die bei der Wiederaufarbeitung zurückbleibenden hochradioaktiven Spaltprodukte werden verglast und in sogenannte Kokillen verpackt. Auch die Strukturteile der Brennelemente, die während des Einsatzes in einem Kernreaktor durch die dort herrschende Neutronenstrahlung aktiviert worden sind, werden verpresst und in Kokillen verpackt. Sie müssen als mittelradioaktive Abfälle entsorgt werden.
Länder wie Frankreich und Großbritannien, die USA oder Russland führen als Vorteile der Wiederaufarbeitung an, dass hierbei Ressourcen geschont würden, weniger Importe notwendig seien und das Abfallvolumen der endzulagernden hochradioaktiven Abfälle geringer ausfalle. Kritiker führen ins Feld, dass die Wiederaufarbeitung auch der Plutoniumgewinnung für Kernwaffen diene – weswegen Wiederaufarbeitungsanlagen auch Safeguards-Maßnahmen unterliegen –, eigentlich nicht wirtschaftlich sei und umweltschädliche Auswirkungen möglich seien.
Was über die aktuellen Ausbaupläne bekannt ist
Frankreich hat nun bekräftigt, die Wiederaufarbeitung bis ins nächste Jahrhundert fortzuführen. Bereits seit 2020 plant die staatliche Elektrizitätsgesellschaft EdF, ein Abklingbecken neben dem bisherigen Anlagengelände zu errichten. Hintergrund ist, dass die Lagerkapazitäten für abgebrannte Brennelemente in Frankreich an ihre Kapazitätsgrenzen kommen. EdF hat dafür bereits ein Gelände erworben, erste Arbeiten laufen, die Fertigstellung wird bis 2034 angestrebt.
Auf dem Gelände der Orano-Anlage sollen zudem eine weitere Wiederaufarbeitungsanlage sowie eine neue Fabrik für MOX-Brennelemente errichtet werden. Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire kündigte am 7. März bei einem Besuch des Standorts La Hague an, dass dazu Studien in Auftrag gegeben werden sollen. Le Maire zufolge soll die neue Wiederaufarbeitungsanlage zwischen 2045 und 2050 betriebsbereit sein, zur Inbetriebnahme der MOX-Brennelementfertigungsanlage machte er ebenso wie zu den Gesamtinvestitionen keine Angaben. Der Geschäftsführer von Orano Nicolas Maes schätzte bei einer Anhörung vor dem französischen Senat Mitte Februar die Kosten für eine neue Wiederaufarbeitungsanlage auf 20 bis 30, die für eine neue MOX-Brennelementfertigungsanlage auf 5 bis 7 Milliarden Euro.
MOX-Brennelemente werden derzeit in 22 französischen Reaktoren verwendet und decken schätzungsweise 10 Prozent des Brennstoffbedarfs des Unternehmens. Die Verwendung von MOX-Brennstoff ist auch für die geplanten EPR2-Reaktoren vorgesehen.
Deutsche Abfälle in La Hague
In Deutschland bestand bis 2005 eine gesetzliche Pflicht zur Wiederaufarbeitung. Da es in Deutschland allerdings keine Wiederaufarbeitungsanlagen gab, wurden die abgebrannten Brennelemente nach Sellafield (Großbritannien) und La Hague gebracht. Ein großer Teil der dabei angefallenen radioaktiven Abfälle ist mittlerweile zurück in Deutschland – aber noch nicht alle. Daher besteht noch eine Verpflichtung, radioaktive Abfälle aus La Hague zurückzunehmen. Die deutsche und die französische Regierung haben diese Rückholung im Juni 2021 vertraglich neu geregelt. Demnach müssen noch drei bis fünf Castor-Behälter mit verglasten hochradioaktiven Abfällen in das Zwischenlager am Standort Philippsburg gebracht werden. Die Rückführung könnte dieses Jahr abgeschlossen werden.
Thema Wiederaufarbeitung in der GRS
Die Wiederaufarbeitung hochradioaktiver Abfälle ist auch Thema verschiedener wissenschaftlicher Arbeiten innerhalb der GRS. So werden beispielsweise im Rahmen der Störfallanalyse auch Szenarien aus nuklearen Ver- und Entsorgungseinrichtungen untersucht. Auch ein 2022 veröffentlichter Forschungsbericht beschäftigt sich mit Fragestellungen rund um Anlagen der nuklearen Ver- und Entsorgung. Auch wenn es bislang keine schwerwiegenden Unfälle im Zusammenhang mit Wiederaufarbeitungsanlagen von hochradioaktiven Abfällen in Westeuropa gegeben hat, so ist es für Deutschland doch sinnvoll, sich hiermit zu beschäftigen; mögliche Umweltauswirkungen eines Ereignisses in La Hague könnten sich über die Nordsee bis hin zur deutschen Bucht erstrecken.