Kernenergie in Finnland

• Mit Olkiluoto-3 ging im Frühjahr 2023 der erste Reaktor in Westeuropa seit den 1990er-Jahren ans Netz.

• Finnland betreibt fünf Reaktoren an zwei Standorten. Olkiluoto 3 deckt 14 Prozent des finnischen Strombedarfs.

• Für die Blöcke Olkiluoto 1 und 2 wird eine mögliche Verlängerung der Betriebsgenehmigung und Leistungserhöhung geprüft.

 

Status quo der Stromerzeugung

In Finnland trugen bis zum Start von Olkiluoto-3 (OL3) vier Reaktoren etwa ein Drittel zur Stromerzeugung des Landes bei. Es handelt sich dabei um zwei WWER-440 vom Typ V-213 am Standort Loviisa sowie zwei Siedewasserreaktoren schwedischer Bauart (ABB-SWR) in Olkiluoto. Die beiden WWER-440 werden von der Fortum Corporation betrieben, die beiden ABB-Siedewasserreaktoren von Teollisuuden Voima Oy (TVO).

Anzahl und Durchschnittsalter der finnischen Kernkraftwerke und Strommix Finnlands in 2022
Anzahl und Durchschnittsalter der finnischen Kernkraftwerke und Strommix Finnlands in 2022

2022 wurden in Finnland rund 72 Terrawattstunden (TWh) Strom produziert, der Nettoimport betrug rund 12 TWh. Finnland importiert den ganz überwiegenden Teil der benötigten fossilen Energieträger, den Großteil davon wiederum aus Russland. Allerdings spielt die fossile Stromerzeugung eine geringere Rolle für den Gesamtstrommix: Mehr als 70 Prozent des in Finnland erzeugten Stroms stammten 2022 aus CO2-armer Produktion (Kernenergie, Wasserkraft, Windkraft).

Das infolge der russischen Invasion der Ukraine verhängte Gas-Embargo und der Stopp russischer Stromimporte wurden durch die Inbetriebnahme von OL3 abgefedert: Der 1.600-Megawatt-Reaktor deckt bei voller Leistung allein 14 % des finnischen Strombedarfs.

[Wir nutzen die Zahlen der International Energy Agency (IAE), die für Finnland die Zahlen von 2022 wiedergibt. Tagesaktuelle Erzeugungsdaten nach Energiequelle finden sich auf der Seite Electricity Maps.]

Politische und rechtliche Rahmenbedingungen

Finnland plant, bis 2035 klimaneutral zu werden. Anschließend wird eine negative CO2-Bilanz angestrebt (das bedeutet, es soll mehr Treibhausgas eingespart als emittiert werden). Dazu sollen Emissionen gesenkt und CO2-Speicher errichtet und genutzt werden.

Die finnische Regierung hat in der Vergangenheit sowohl Neubauvorhaben als auch den Langzeitbetrieb der existierenden vier Reaktorblöcke genehmigt. Seit 2002 hat das Parlament in drei Grundsatzentscheidungen den Bau neuer Reaktoren befürwortet (eine blieb ungenutzt).

Auf der Konferenz des Nordic Nuclear Forums in Helsinki (Juni 2022) wurde erwähnt, dass bestehende Reaktoren weiterbetrieben und der Neubau weiterer Reaktoren in Betracht gezogen werden müsse, damit Finnlands Ziel, bis 2035 CO2-neutral zu sein, erreicht werden kann. Die finnische Regierung hat vor dem Hintergrund einer Laufzeitverlängerung der zwei Blöcke des Kernkraftwerks (KKW) Loviisa bis 2050 zugestimmt. Zuvor hatte der Betreiber Fortum im März 2022 eine Laufzeitverlängerung beantragt, da die Stilllegung der beiden WWER-440/W-213 für 2027 bzw. 2030 geplant war.

Das finnische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit kündigte im Dezember 2021 eine Reformierung des Nuclear Energy Acts für 2028 an. Ziel ist es, einerseits einen regulatorischen Rahmen für Innovationen der nuklearen Energieerzeugung – besonders hinsichtlich sogenannter Small Modular Reactors (SMR) zur Wärme und Stromerzeugung – zu schaffen und andererseits die damit einhergehenden Rechte und Verpflichtungen zu spezifizieren.

Aktuelle Planungen und Projekte

Große KKW. Mit großer zeitlicher Verzögerung und einem Vielfachen der ursprünglich kalkulierten Kosten nahm am 15. April 2023 am Standort Olkiluoto der erste Europäische Druckwasserreaktor (EPR) in Europa den kommerziellen Betrieb auf – ursprünglich avisiert für die Inbetriebnahme war das Jahr 2009. Der Betreiber TVO hat für den Standort zudem eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die mögliche Verlängerung der Betriebsgenehmigung der Blöcke 1 und 2 um mindestens 10 Jahre und die Leistungserhöhung um jeweils 80 Megawatt eingeleitet. Beide Blöcke haben eine Betriebsgenehmigung bis 2038.

 

Karte Finnland
Karte Finnland

Pläne des Konsortiums Fennovoima in Hanhikivi in der Gemeinde Pyhäjoki (etwa 500 km nördlich von Helsinki), eine russische WWER-1200(AES-2006)-Anlage zu bauen, wurden 2022 auf Eis gelegt.

SMR. Der finnische Energieversorger Fortum hat im Oktober 2022 eine zweijährige Machbarkeitsstudie gestartet, um die Voraussetzungen für den nuklearen Neubau in Finnland und Schweden zu untersuchen. Die Studie wird sowohl SMRs als auch konventionelle große Reaktoren berücksichtigen. In der Studie wird sowohl der Bau von SMR als auch von konventionellen großen Reaktoren betrachtet.

Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen laut Fortum ist, dass der Bau mehrerer identischer Anlagen der Schlüssel zur Verbesserung der Rentabilität der Kernenergie ist. Dieses Prinzip könne demnach auch bedeuten, dass in Finnland und Schweden die gleichen Arten von Kernkraftwerken gebaut werden.

Als Teil dieser Machbarkeitsstudie hat Fortum Absichtserklärungen mit dem schwedischen Unternehmen Kärnfull Next sowie dem britischen Unternehmen Rolls-Royce SMR unterzeichnet.

Auch das Technische Forschungszentrum VTT befasst sich mit SMRs. So koordiniert es das ELSMOR-Projekt für europäische SMR-Genehmigungsverfahren sowie das Netzwerk EcoSMR Ecosystem und führt Machbarkeitsstudien für SMR-Technologie durch. Das aus VTT hervorgegangene Unternehmen Steady Energy plant bis 2030 seinen SMR „LDR-50“ zur Erzeugung von Fernwärme zu bauen.

Seit Mitte 2022 arbeitet die finnische Aufsichtsbehörde STUK gemeinsam mit Behörden aus Frankreich (ASN) und Tschechien (SUJB) an einer vorläufigen Prüfung der wichtigsten Sicherheitsoptionen des französischen NUWARD SMR.

Weltweit erstes HAW-Endlager

In unmittelbarer Nähe zum KKW Olkiluoto befindet sich ein Endlager für hochradioaktive Abfälle (HAW) kurz vor der Fertigstellung. Ab 2025 soll der reguläre Einlagerungsbetrieb von abgebrannten Brennelementen aus den finnischen KKW beginnen. Die Erteilung einer Genehmigung für den Betrieb des Endlagers wird laut Aufsichtsbehörde STUK allerdings nicht wie ursprünglich geplant bis Ende 2023 abgeschlossen sein, sondern mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Uranförderung

Das finnische staatliche Bergbauunternehmen Terrafame plant, ab Sommer 2024 Uran als Nebenprodukt der Zink- und Nickelproduktion in der Mine Sotkamo zu fördern. Das Unternehmen verfügt bereits über eine entsprechende Anlage, die es derzeit für den Betrieb vorbereitet. Im Jahr 2026 soll die volle Produktionskapazität von 200 Tonnen Uran pro Jahr erreicht werden.

 

Stand: 28.02.2024