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Abriss und Bau von KKW

Kernenergie weltweit 2022

Was hat sich letztes Jahr in der Kernenergie getan? Welche Entwicklungen lassen sich international beobachten? In 2021 sind insgesamt sechs neue Reaktorblöcke ans Netz angeschlossen worden, darunter ein Small Modular Reactor. Demgegenüber stehen zehn stillgelegte Einheiten, darunter drei deutsche. Entsprechend sank die installierte Nettoleistung auf insgesamt 388.600 Megawatt.

Weltweit werden unterschiedliche Wege hinsichtlich der Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung eingeschlagen. Dabei lassen sich grob drei Gruppen unterscheiden: Während die einen den Ausstieg aus der Kernenergie anstreben, lassen andere ihre Kernkraftwerke (KKW) weiterlaufen, wieder andere bauen ihre Kernenergiestrukturen aus oder fördern die Entwicklung neuer Reaktorkonzepte. Dabei werden unter anderem folgende Argumente ins Feld geführt: So berufen sich Befürworter etwa auf die Zuverlässigkeit, mit der die Kernenergie geliefert wird, oder verweisen auf die vergleichsweise niedrige CO2-Bilanz während des Betriebs, die im Kampf gegen den Klimawandel als Pluspunkt angesehen wird – unter den Stromerzeugungsformen, bei denen während des Betriebs kein CO2 freigesetzt wird, liegt die Kernenergie global betrachtet auf dem zweiten Platz. Gegner nennen beispielsweise das bestehende Unfallrisiko, die häufig noch ungelöste Endlagerfrage oder den vergleichsweise hohen finanziellen und zeitlichen Aufwand für die Errichtung der Anlagen.

Die unterschiedlichen Meinungen spiegeln sich zurzeit exemplarisch in der Diskussion über die Taxonomie der Europäischen Union wider. Darin wird festgelegt, welche wirtschaftlichen Aktivitäten in der EU als nachhaltige Investitionen gewertet werden. Dass die Kernenergie voraussichtlich dazugehört, ruft ein geteiltes Echo hervor.

Dieses Dossier bietet einen Überblick über die Kernenergie weltweit. Einmal jährlich wird es aktualisiert und auf der Webseite der GRS veröffentlicht.

Übersicht weltweit (Fossile: Kohle, Erdgas, Öl; Erneuerbare: Wasser, Wind, Solar PV, Solar Thermal, Geothermie, Tide, Biokraftstoff)

Weltweit sind zurzeit 439 Kernreaktoren mit einem Durchschnittsalter von 31 Jahren in Betrieb, 52 Blöcke werden aktuell gebaut, 199 wurden stillgelegt bzw. werden gegenwärtig rückgebaut. Die Zahlen zum Durchschnittsalter in diesem Text ergeben sich ab dem Tag des kommerziellen Leistungsbetriebs und geben den Stand Januar 2022 aus dem „World Nuclear Industry Status Report“ (WNISR) wieder; die Anzahl der Reaktorblöcke ist hier und im Folgenden von der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) übernommen. Der WNISR kommt auf eine etwas geringere Anzahl betriebener Reaktoren. Das liegt daran, dass bei den Zahlen der IAEO die sogenannten Long-term-shutdown-Reaktoren mit einbezogen sind. Dabei handelt es sich um Reaktoren, die langfristig heruntergefahren, aber noch nicht endgültig stillgelegt worden sind. Der Großteil dieser Reaktoren steht in Japan.

Anteil der Kernenergie an der weltweiten Stromproduktion
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Anteil der Kernenergie an der weltweiten Stromproduktion

Der Anteil der Kernenergie an der weltweiten Stromproduktion lag in den letzten Jahren einigermaßen stabil zwischen 10 und 11 %, von seinem Rekordhoch (17,5 % in 1996) ist er damit ein gutes Stück entfernt.

Die Zahlen bezüglich des Strommixes weltweit und für die jeweiligen Kontinente sind von der Internationalen Energieagentur IEA übernommen und geben den Stand 2019 wieder; die Zahlen bezüglich des Strommixes der einzelnen Länder entstammen dem WNISR. Der prozentuale Rückgang ist allerdings nicht darauf zurückzuführen, dass weniger Strom in KKW produziert wird. Vielmehr ist der relative Anteil abgesunken, weil die Erzeugungsanlagen der Erneuerbaren Energien ausgebaut wurden, vor allem aber, weil fossile Kraftwerke absolut gesehen deutlich mehr Strom produzieren als in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten.

Anzahl in Betrieb genommener (blau) und abgeschalteter Reaktoren (braun) weltweit
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Anzahl in Betrieb genommener (blau) und abgeschalteter Reaktoren (braun) weltweit

Beim Blick auf die sich stetig verändernde weltweite Reaktorlandschaft lassen sich folgende Trends erkennen: Die meisten neuen Reaktorblöcke werden in Asien gebaut, wohingegen die meisten im Rückbau befindlichen Reaktoren in Westeuropa und Nordamerika zu finden sind.

Entsprechend ist das Durchschnittsalter der Reaktoren in Asien vergleichsweise niedrig. Neue Reaktorblöcke haben zudem durchschnittlich eine größere Leistung als die der stillgelegten, sodass trotz eines zahlenmäßigen Rückgangs an Reaktorblöcken die installierte Leistung steigen kann. Eine Ausnahme bilden die sogenannten Small Modular Reactors (SMR): Die „KKW im Miniformat“ sollen bei der mittelfristigen Planung einer CO2-armen, dezentralen Stromproduktion in einigen Ländern eine wichtige Rolle spielen.

In der nachfolgenden Übersicht wird die Situation gegliedert nach Kontinenten (Europa, Amerika, Asien und Afrika) dargestellt. Australien/Ozeanien ist nicht berücksichtigt, da dort keine KKW betrieben werden. Nach einer kurzen Zusammenfassung werden für jeden Kontinent einige Staaten vorgestellt, die entweder besonders viele Reaktoren betreiben oder bei denen sich neue Entwicklungen ergeben haben oder abzeichnen. Für eine detailliertere Auflistung aller Staaten sei auf das Power Reactor Information System (PRIS) der IAEO bzw. auf den World Nuclear Industry Status Report verwiesen.

Europa

Übersicht Europa

In Europa lag der Anteil der Kernenergie an der Stromproduktion im Jahr 2019 bei ca. 23 % der Gesamtstromerzeugung. Insgesamt sind in Europa 173 Reaktoren in Betrieb, das Durchschnittsalter beträgt 34,5 Jahre. 16 Reaktoren werden zurzeit gebaut, 120 befinden sich im Rückbau.

Lage in Deutschland

In Deutschland sind seit Beginn 2022 noch 3 Reaktoren am Netz: Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim II; sie werden Ende dieses Jahres stillgelegt. Das Durchschnittsalter der 3 Reaktoren beträgt 33,5 Jahre. Die KKW Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C wurden Ende 2021 abgeschaltet. Zusammen produzierten die 6 KKW im letzten Jahr 13,3 % des Nettostroms zur öffentlichen Stromversorgung.

Doch KKW sind nicht die einzigen Nuklearanlagen in Deutschland. Die 6 zurzeit laufenden Forschungsreaktoren dürfen auch nach 2022 weiter betrieben werden. Gleiches gilt für die sogenannten Anlagen der nuklearen Ver- und Entsorgung. Dazu zählen neben den Zwischen- und Endlagern für radioaktive Abfälle die Brennelement-Fertigungsanlage in Lingen und die Urananreicherungsanlage in Gronau.

Westeuropa

Den größten Anteil am Strommix stellt die Kernenergie in Frankreich; 2020 waren es 67,1 %. Zudem steht Frankreich mit 56 Reaktoren auch in dieser Hinsicht europaweit an der Spitze. Allerdings ging der letzte Reaktor 1999 ans Netz, das Durchschnittsalter beträgt 35,1 Jahre. Im KKW Flamanville wird zurzeit ein neuer Block gebaut. Das Bauvorhaben begann 2007, ursprünglich war eine Fertigstellung bis 2012 geplant. Der Zeitplan wurde jedoch mehrfach verlängert, die Kosten haben sich seitdem vervielfacht: So wurde Anfang dieses Jahres die geplante Inbetriebnahme von Ende 2022 auf das 2. Quartal 2023 verschoben; die Kosten stiegen von 12,4 auf 12,7 Milliarden Euro (ursprünglich waren 3,3 Milliarden Euro prognostiziert worden).

Kernenergie soll auch bei den Klimaschutzplänen Frankreichs eine wichtige Rolle einnehmen. So bezeichnete Emanuel Macron bei der Vorstellung des Investitionsplans „France 2030“ die Förderung der Kernenergie als primäres Ziel. Für die Entwicklung und Inbetriebnahme eines SMRs sollen bis 2030 eine Milliarde Euro bereitgestellt werden. Gleichzeitig sollen 6 EPRs bzw. EPR-2 gebaut werden, für 8 weitere Standorte und Reaktoren sollen ebenfalls Pläne vorgelegt werden. Macron kündigte außerdem an, dass die Laufzeit der Reaktoren auf 50 Jahre oder mehr verlängert werden soll – die Gewährleistung eines sicheren Betriebs vorausgesetzt. Zudem versucht Frankreich weiterhin, seine EPR-Technologie zu exportieren.

Auch das Vereinigte Königreich setzt nach wie vor auf Kernenergie – rund 14,5 % des dort produzierten Stroms kommen derzeit aus KKW. Aktuell werden 11 Reaktorblöcke betrieben, 2 weitere sind im Bau (Hinkley Point C), 33 Reaktorblöcke befinden sich im Rückbau. Am Standort Sizewell sollen 2 weitere Blöcke errichtet werden. Die britische Regierung hat daher beschlossen, 100 Millionen Pfund in die Vorbereitung des Standortes Sizewell C zu investieren. Nach dem „Ten Point Plan for a Green Industrial Revolution“ der Johnson-Regierung sollen SMRs und Advanced Modular Reactors zukünftig eine wichtige Rolle im Energiemix spielen. So hat beispielsweise der Konzern Rolls-Royce angekündigt, SMRs zu produzieren. Die Reaktoren im kleineren Maßstab sollen ab den frühen 2030er-Jahren sowohl im Königreich als auch im Ausland Abnehmer finden.

Daneben ist vor allem Belgien hervorzuheben, wo 7 Reaktoren ca. 40 % des Strombedarfs decken. Die Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 sollen 2022/2023 abgeschaltet werden. Die weiteren, im Schnitt 47,6 Jahre alten Reaktoren sollen spätestens 2025 folgen. Die Regierung hat das allerdings unter den Vorbehalt gestellt, dass die Stromversorgung in Belgien damit nicht gefährdet wird. Aus Sicht der belgischen Aufsichtsbehörde spricht nichts gegen einen Weiterbetrieb der Reaktorblöcke Doel 4 und Tihange 3, insofern sie sicherheitstechnisch auf den neuesten Stand gebracht werden. Ungeachtet der Abschaltpläne ist ein Wiedereinstieg in die Kernenergie nicht ausgeschlossen: So sollen 100 Millionen Euro in Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für SMRs investiert werden. In den benachbarten Niederlanden sollen laut neuem Koalitionsvertrag zusätzlich zu dem einen Reaktorblock in Borssele 2 neue gebaut werden; die Regierung stellt dazu 5 Milliarden Euro bereit. Die Laufzeit des zurzeit einzigen KKWs soll über den bereits verlängerten Zeitraum von 60 Jahren hinaus verlängert werden.

Große Ausbauaktivitäten lassen sich in Westeuropa insgesamt nicht ausmachen; neben Frankreich und Großbritannien wird lediglich Finnland zu den laufenden 4 Blöcken einen weiteren (Olkiluoto 3) ans Netz anschließen, wodurch das aktuelle Durchschnittsalter von 41,8 Jahren gesenkt werden wird. Der Reaktorblock erreichte Ende letzten Jahres erstmals Kritikalität, der kommerzielle Betrieb steht kurz bevor. Für den Bau eines weiteren Reaktorblocks am Standort Hanhikivi wurde die Baustelle eingerichtet und der Antrag auf Baugenehmigung eingereicht.

Alle laufenden Neubauprojekte in Westeuropa haben gemeinsam, dass sich die ursprünglich kalkulierten Kosten und Bauzeiten massiv erhöht haben.

Mittel- und Osteuropa

Mehr als 50 % des Gesamtstroms produzieren die 15 Reaktoren in der Ukraine. Die Energiestrategie der Regierung sieht vor, dieses Level bis 2035 zu halten. Um das zu realisieren, sollen die Reaktorblöcke Chmelnyzkyj-3 und -4 als AP-1000 errichtet werden. Deren Bau hatte 1986 bzw. 1987 begonnen, wegen eines Moratoriums ist er seit 1990 aber unterbrochen. Das Durchschnittsalter der Reaktoren von zurzeit 31,9 Jahre wird dann sinken. Darüber hinaus wurden Vereinbarungen mit dem US-amerikanischen Unternehmen Westinghouse für weitere Neubauten unterzeichnet. Für die laufenden Reaktoren wurden teilweise Laufzeitverlängerungen genehmigt.

In der Slowakei sollen zusätzlich zu den 4 laufenden Reaktoren, die einen Anteil von 53,1 % des Gesamtstroms produzieren, 2 weitere WWER-440 zeitnah in Betrieb genommen werden. Letzte Klagen dagegen wurden vor Kurzem abgewiesen. Ähnliches gilt für Ungarn, das zurzeit knapp die Hälfte seines Stroms aus 4 Reaktorblöcken bezieht. Hier wird der Neubau von 2 Reaktorblöcken vorbereitet.

In Belarus ist der erste Reaktorblock seit einem Jahr in Betrieb, der zweite wird noch dieses Jahr den kommerziellen Betrieb aufnehmen; in der Türkei werden zurzeit 2 Reaktoren gebaut, die Baugenehmigung für einen dritten Reaktor wurde vor Kurzem erteilt.

In Tschechien und Slowenien sind Neubauten angedacht, Polen plant mit sechs Reaktoren neu in die Kernenergie einzusteigen.

In Russland werden 20,6 % des Strommixes von 38 Reaktoren produziert, deren Durchschnittsalter bei 28,4 Jahren liegt. Im letzten Jahrzehnt sind 9 neue Reaktoren in Betrieb genommen worden, darunter das schwimmende KKW Akademik Lomonossow. Der Bau von zwei landgestützten SMRs in Sibirien wurde begonnen. Weitere Blöcke verschiedenen Typs sind geplant bzw. im Bau (bspw. WWER-TOI oder BREST-300). Zudem ist Russland sehr stark im Ausland aktiv: Neben Ungarn und Belarus plant bzw. realisiert Russland Neubauten beispielsweise in Finnland, Iran, Türkei, Ägypten, Indien, China oder Bangladesch.

 

Amerika

Überblick Amerika

Im Jahr 2018 lag der Anteil der Kernenergie am Gesamtstrommix auf dem amerikanischen Kontinent bei ca. 15 %. Zur Produktion sind 119 Reaktoren mit einem Durchschnittsalter von 40,2 Jahren in Betrieb. Hier ist allerdings ein deutliches Nord-Süd-Gefälle gegeben: Während in den USA und Kanada 112 Reaktoren laufen, sind es südlich davon gerade einmal 7. Gebaut werden auf dem amerikanischen Kontinent zurzeit 4 Blöcke, im Rückbau befinden sich 46.

In den Vereinigten Staaten sind mit 93 Reaktoren mehr am Netz als in jedem anderen Land der Welt; sie stellen 19,7 % des Stroms zur Verfügung. Das durchschnittliche Alter beträgt 41,2 Jahre. Dieser Wert wird in den nächsten Jahren wohl noch steigen: Laufzeitverlängerungen eines Großteils der Reaktoren von 40 auf 60 Jahre sind bereits beschlossen, eine weitere Verlängerung auf 80 Jahre ist für 6 Reaktorblöcke bereits genehmigt, über 100 Jahre Laufzeit wird zumindest laut nachgedacht. Da allerdings in einigen Fällen die Nachrüstungen, die für solche Laufzeitverlängerungen Voraussetzung sind, zu teuer gewesen wären, wurden etliche Anlagen abgeschaltet, zuletzt der dritte und letzte Block in Indian Point im Bundesstaat New York. In der Energieplanung der Biden-Administration soll Kernenergie eine größere Rolle spielen. So soll die Entwicklung neuer Reaktorkonzepte gefördert werden, vor allem von SMRs. Zudem sind amerikanische Firmen wieder zunehmend an Reaktorprojekten im Ausland interessiert, wie z. B. in Bulgarien, Polen, Rumänien und der Ukraine.

Fast 15 % des Strommixes produzieren die 19 Reaktoren (Durchschnittsalter 38,5 Jahre) in Kanada. Hier sind zwar noch keine neuen Reaktorblöcke im Bau, der Standort für einen ersten kommerziellen SMR steht allerdings schon fest; die Fertigstellung ist Ende dieses Jahrzehnts geplant.

Südlich der USA werden in lediglich drei Staaten Reaktoren betrieben: 3 in Argentinien und jeweils 2 in Mexiko und Brasilien. Der Anteil am Strommix liegt in diesen Ländern zwischen 2,1 und 7,5 %. In Argentinien wird zurzeit ein SMR gebaut, der Vertrag zum Bau eines Hualong-1 am Standort Atucha wurde mit China Anfang Februar 2022 unterzeichnet; in Brasilien wurden die Arbeiten an einem dritten Block nach sechs Jahren Unterbrechung wieder aufgenommen.

 

Asien

Übersicht Asien

In Asien kommt der Anteil der Kernenergie an der gesamten Stromproduktion auf gerade einmal 4 %; in sieben Länder stehen 145 Reaktoren, von denen jedoch zurzeit nur 120 betrieben werden. Die Differenz ergibt sich vor allem aus den 23 japanischen Reaktoren, die seit dem Reaktorunfall von Fukushima heruntergefahren sind. Das durchschnittliche Alter der betriebenen Reaktoren beläuft sich auf 16,6 Jahre. Zudem werden hier 32 Blöcke neu gebaut. Dem gegenüber stehen 33 Reaktoren, die sich im Rückbau befinden. Auf keinem anderen Kontinent werden auch nur annähernd so viele neue KKW gebaut. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Anteil Asiens an der Weltbevölkerung bei über 50 % liegt und sich der Energiebedarf in den letzten Jahrzehnten auf keinem Kontinent so vervielfacht hat wie hier. Entsprechend viele sonstige (insbesondere fossil befeuerte) Kraftwerke wurden errichtet, was auch den relativ geringen Anteil der Kernenergie am Strommix erklärt.

Fernost

4,9 % beträgt der Anteil der Kernenergie am Gesamtstrommix in China. Dafür sind 54 Reaktoren mit einem Durchschnittsalter von gerade einmal 8,7 Jahren verantwortlich. 3 neue Reaktoren wurden letztes Jahr in Betrieb genommen, darunter ein SMR mit kugelförmigen Brennelementen; 14 neue Reaktorblöcke verschiedener Typen werden zurzeit gebaut – für Chinas Bemühungen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, spielt die Kernenergie eine wichtige Rolle. Das wird auch im aktuellen 5-Jahres-Plan noch einmal bekräftigt, demzufolge weitere Reaktorneubauten vorgesehen sind. China drängt zudem in neue Märkte vor, um seine Technologie und Kompetenzen zu verkaufen; insbesondere in Zentral- und Osteuropa, Afrika und Südostasien, aber auch in anderen Regionen ist China aktiv. So hat man beispielsweise in Großbritannien für den Reaktortyp Hualong-One eine generische Sicherheitsüberprüfung positiv abgeschlossen, in Pakistan ist einer von 2 chinesischen Hualong-One-Reaktorblöcken letztes Jahr ans Netz gegangen.

In Südkorea ist der Anteil der Kernenergie an der gesamten Stromproduktion ein ganzes Stück höher: 29,6 % produzieren die aktuell 24 laufenden Reaktoren. Obwohl die Regierung den Ausstieg aus der Kernenergie plant, werden die 4 in Bau befindlichen Reaktorblöcke fertiggestellt. Bis 2043 sollen 12 Reaktoren stillgelegt werden. Südkorea bemüht sich zudem in verschiedenen Ländern darum, in Bauprojekte mit einzusteigen; in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist man schon aktiv, Gespräche mit beispielsweise Tschechien oder der Ukraine laufen.

Zu den Ländern, deren Kernindustrie durch Fukushima stark beeinflusst wurde, gehört natürlich auch Japan. Vor dem Unglückstag liefen dort 54 Reaktoren, die fast 30 % des Strombedarfs deckten. Diese wurden nach der Katastrophe zunächst alle heruntergefahren, 10 davon sind mittlerweile wieder am Netz. Dem gegenüber stehen 27 Reaktoren, die sich zurzeit im Rückbau befinden; der aktuelle Anteil am Strommix beläuft sich auf rund 5 %. Die restlichen Reaktoren sind nach wie vor bis auf Weiteres abgeschaltet. 2 Reaktorblöcke werden derzeit neu gebaut.

Taiwan hat nach den Eindrücken der Ereignisse aus Fukushima den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Die verbleibenden 4 Reaktoren sollen noch bis 2025 Strom erzeugen, bevor sie stillgelegt werden; aktuell produzieren sie 12,7 % des Stroms im Land.

Anders sieht es in Indien aus, wo zusätzlich zu 23 laufenden Reaktoren 8 weitere Blöcke gebaut werden. Der Anteil von 3,3 % am Gesamtstrommix wird also voraussichtlich steigen. Dabei handelt es sich um indische Eigenentwicklungen auf Basis des CANDU sowie Reaktorblöcke russischen Typs. Geplant ist außerdem der Neubau von 6 Reaktorblöcken westlicher Bauart.

Naher und Mittlerer Osten

Auch in Pakistan wird die Kernenergie zur Stromerzeugung genutzt: 5 Reaktorblöcke decken hier 7,1 % des Strombedarfs. Im letzten Jahr wurde am Standort Karachi ein Hualong-1 in Betrieb genommen, 1 weiterer ist im Bau. Im Iran läuft seit gut zehn Jahren der erste Reaktorblock, auch hier wird ein 1 weiterer gebaut.

In Asien gibt es auch eine Reihe von Ländern, die aktuell in die Kernenergie einsteigen. Dazu zählen zum einen Bangladesch, wo zurzeit 2 Reaktorblöcke russischer Bauart gebaut werden, zum anderen die Vereinigten Arabischen Emirate: der zweite Reaktor nahm dort letztes Jahr den kommerziellen Betrieb auf, 2 weitere werden in Kürze folgen.

 

Afrika

Übersicht Afrika

In Afrika werden lediglich zwei Reaktoren betrieben, die einen Anteil am Gesamtstrommix von etwa 2 % produzieren. Sie stehen beide in Südafrika, wo Kernenergie auf einen Anteil von 6,7 % am Strommix kommt. Beide Anlagen wurden zeitgleich gebaut und gingen 1984 bzw. 1985 ans Netz, woraus sich ein Durchschnittsalter von 37,1 Jahren ergibt. Weitere Bauprojekte sind in Südafrika zurzeit nicht geplant.

Da die Stromnetze auf dem Kontinent in den nächsten Jahren jedoch ausgebaut werden müssen, könnte die Kernenergie hier zukünftig eine größere Rolle spielen. Der Kontinent ist dadurch auch für ausländische Investoren interessant. So ist der Bau von insgesamt 4 russischen Reaktorblöcken in Ägypten beschlossene Sache, die Bauarbeiten sollen im Juli beginnen.