Kernkraftwerke im Kleinformat: Was steckt hinter SMR-Konzepten?
Definitionen SMR
Für SMR sind in Fachkreisen zwei Definitionen gebräuchlich. So fasst die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) unter dem Begriff „Small and Medium Sized Reactors“ Reaktoren kleiner und mittlerer Größe zusammen. Als klein werden dabei Reaktoren mit einer Leistung bis zu 300 und als mittel solche mit Leistungen zwischen 300 und 700 Megawatt elektrischer Leistung bezeichnet.
Die zweite, heute gebräuchlichere Definition wurde ursprünglich in Nordamerika geprägt. Hier steht SMR für die Bezeichnung „Small Modular Reactor“. Die zugrunde liegende Definition greift im Vergleich zu jener der IAEO zusätzlich den modularen Charakter der Anlagen auf. Bei Konzepten dieser Art ist vorgesehen, dass die wesentlichen Komponenten eines Primärkreises alle in einem einzigen Modul enthalten sind. Dahinter steckt neben der Transportfähigkeit die Idee, alles zusammen in einer Fabrik herzustellen und die Arbeiten auf der Baustelle zu minimieren. Einzelne Module mit geringer Leistung können dann bei Bedarf zu einem größeren Kraftwerk zusammengeschlossen werden.
Bisherige SMR-Konzepte
Bisherige SMR-Konzepte lassen sich größtenteils unter der Definition der IAEO zusammenfassen. Sie werden vorwiegend zur Stromproduktion auf beengtem Raum eingesetzt, etwa in Eisbrechern, U-Booten oder auf Flugzeugträgern. Aber auch auf dem Land sind teilweise bereits seit Jahrzehnten kleine Reaktoren in Betrieb, so zum Beispiel mehrere schwerwassergekühlte Reaktoren in Indien. Bei den meisten der SMR-Konzepte handelt es sich allerdings um modifizierte Leichtwasserreaktoren.
Ein Beispiel für einen leichtwassergekühlten SMR ist das schwimmende Kernkraftwerk Akademik Lomonossow, das seit Mai 2020 die entlegene Hafenstadt Pewek in Sibirien sowie angrenzende Bergwerke mit Strom und Wärme versorgt. Auch der im Bau befindliche CAREM (Argentinien) ist ein Leichtwasserreaktor im Kleinformat.
Neuartige SMR-Konzepte
Unter dem Label Small Modular Reactors verbirgt sich heutzutage eine Vielzahl von Reaktorkonzepten, die sich technisch teilweise erheblich unterscheiden. Die Bandbreite reicht von den im vorigen Abschnitt skizzierten verkleinerten Versionen bestehender Kernreaktordesigns über die Weiterentwicklung schon älterer, bislang jedoch nicht marktreifer Konzepte bis hin zu völlig neuen Entwürfen der vierten Kernkraftwerks-Generation. Dabei können neben der Stromproduktion und dem modularen Charakter der Bauteile noch weitere Aspekte von Interesse sein. So werden einige der Konzepte aufgrund ihrer hohen Kernaustrittstemperaturen neben der Stromerzeugung auch für die Auskopplung von Prozessdampf oder Prozesswärme für industrielle Anwendungen vorgesehen. Auch die Nutzung von Transmutation zur Reduzierung radioaktiver Abfälle, die Erbrütung von Brennstoff oder die Verbrennung waffenfähigen Spaltmaterials sind Gegenstand aktueller SMR-Entwicklungen.
Zudem erhoffen sich die Hersteller wirtschaftliche Vorteile beim Einsatz von in Fabriken gefertigten SMR und führen hierfür insbesondere niedrigere Investitionskosten, kürzere Produktionszeiten und die Möglichkeit der Serienfertigung einzelner Module an. Dadurch sollen Genehmigungsrisiken und Bauverzögerungen reduziert und letztendlich damit verbundene finanzielle Risiken minimiert werden.
Unterschiedliche SMR-Arten
In ihrem Advanced Reactor Information System katalogisiert die IAEO neue Reaktorkonzepte hinsichtlich des eingesetzten Kühlmittels und Moderators – so auch SMR. Allerdings wird diese Unterteilung nicht allen Besonderheiten von SMR bzw. neuen Reaktorkonzepten insgesamt gerecht – Entwicklungen wie die zu Thorium- oder Hochtemperaturreaktoren gehen dabei unter. Nichtsdestotrotz bietet sich eine solche Unterteilung anhand des Kühlmittels an:
1. Leichtwassermoderierte und -gekühlte SMR-Konzepte
Diese Art von SMR ist sicherlich am längsten und weitesten verbreitet. Man unterscheidet hierbei zwischen Siedewasser- und Druckwasserreaktoren.
2. Schwerwassermoderierte und -gekühlte SMR-Konzepte
Sogenanntes schweres Wasser enthält anstatt normaler Wasserstoffatome das Wasserstoffisotop Deuterium. Deuterium absorbiert weniger Neutronen als leichter Wasserstoff. Statt angereichertem Uran könnte daher in schwerwassermoderierten SMR auch Natururan als Brennstoff eingesetzt werden, was aber aus Gründen der Effizienz nicht gemacht wird.
3. Gasgekühlte SMR-Konzepte
Gasgekühlte SMR-Konzepte setzen auf die Verwendung von Gasen, wie zum Beispiel Helium oder Kohlendioxid, als Kühlmittel. Sie erreichen im Vergleich zu anderen SMR-Typen wesentlich höhere Kühlmitteltemperaturen (bis zu 1.000 °C) und könnten daher zur Erzeugung von Prozesswärme in der chemischen oder petrochemischen Industrie eingesetzt werden. Niedertemperaturprozesse, zum Beispiel zur Fernwärmenutzung, könnten bei diesem Konzept nachgeschaltet werden.
4. Flüssigmetallgekühlte SMR-Konzepte
In SMR-Konzepten mit Flüssigmetallkühlung sollen als Kühlmittel Blei, Blei-Bismut sowie Natrium eingesetzt werden. Die Metalle zeichnen sich durch eine hohe Siedetemperatur und eine hohe Wärmekapazität aus. Als Brennstoff soll Uran in Verbindung mit Plutonium oder anderen Transuranen genutzt werden. Um zu verhindern, dass kontaminiertes Primärkühlmittel mit dem Wasser-Dampfkreislauf reagiert, sehen diese Konzepte meist einen Zwischenkreislauf vor. Die Kernaustrittstemperaturen sollen bei etwa 750 °C liegen. Dampf und Wärme ließen sich dann in einem Temperaturbereich von 500 bis 700 °C für weitere Zwecke auskoppeln.
5. Salzschmelze-SMR-Konzepte
Weitere SMR-Konzepte sehen schließlich Salzschmelzen sowohl als Kühlmittel als auch als Träger des Brennstoffs vor. Man geht davon aus, dass die bisher erprobten Schmelzen bis zu Temperaturen von 1.400 °C stabil sind.
Durch die Wärmetransporteigenschaften der Salzschmelzen sollen die Reaktoren bei gleicher Leistung im Vergleich zu gasgekühlten Reaktoren mit deutlich kleineren Abmessungen gebaut werden können. Die hohen Betriebstemperaturen sollen hohe Wirkungsgrade sowie die Wärmeauskopplung für industrielle Hochtemperaturprozesse ermöglichen.
Neuartige SMR und Sicherheit
Entwickler sehen bei neuartigen SMR-Konzepten sicherheitstechnische Vorteile gegenüber großen Kernkraftwerken. Als maßgeblich dafür werden unter anderem auch passive Sicherheitsfunktionen aufgeführt, wie sie teilweise schon bei herkömmlichen Kernkraftwerken zum Einsatz kommen. Diese Systeme benötigen für ihre Aktivierung und zum Betrieb keine elektrische Energie, sondern werden beispielsweise durch Schwerkraft angetrieben. In bestimmten SMR sollen passive Sicherheitssysteme die automatische Abschaltung ermöglichen, ohne dass eine externe Stromversorgung oder menschliche Eingriffe erforderlich sind. Auch die Kühlung soll passiv durch Schwerkraft, Konvektion und Verdampfung und damit ohne die Verwendung von elektrisch betriebenen Pumpen zum Umwälzen der Kühlflüssigkeit möglich sein. Letzteres würde allerdings wiederum eine bestimmte Bauhöhe erfordern.
Durch die Verwendung alternativer Kühlmittel und die Verwendung passiver Sicherheitssysteme können in einigen SMR-Konzepten bestimmte Störfallszenarien ausgeschlossen werden, die bei herkömmlichen Kernkraftwerken zu berücksichtigen sind. Auch wird das Schadenspotenzial eines unterstellten schweren Unfalls gegenüber großen Kernkraftwerken insofern reduziert, als dass SMR mit deutlich geringeren Mengen an Kernbrennstoff ausgestattet werden sollen – entsprechend geringer ist die Menge an radioaktiven Stoffen, die bei einem Unfall in die Umgebung freigesetzt werden könnte. Diesen potenziellen Vorteilen stehen jedoch – je nach Konzept – neue sicherheitstechnische Herausforderungen gegenüber.
Bei dem Konzept eines natriumgekühlten SMR muss beispielsweise sichergestellt werden, dass das metallische Natrium nicht mit Sauerstoff in Kontakt kommt, da es sich leicht entzündet. Zudem stellt die stark korrosive Wirkung von Salzschmelzen besondere Anforderungen an die Eigenschaften der Materialien, die etwa für den Bau der Kühlmittelleitungen verwendet werden sollen. Bei innovativen Konzepten ist schließlich auch die im Vergleich zu klassischen Leichtwasserreaktoren nur sehr geringe Betriebserfahrung zu berücksichtigen. Viele der sicherheitstechnischen Verbesserungen, die für Leichtwasserreaktoren entwickelt wurden, gehen auf die Auswertung von Ereignissen zurück. Entsprechende Erfahrungswerte liegen für eine Reihe der neuen SMR-Konzepte naturgemäß nicht vor.
Arbeiten der GRS zu SMR
Im Rahmen ihrer Forschungs- und Gutachtertätigkeit hat die GRS sich auf konzeptioneller Ebene mit der Sicherheit von SMR-Konzepten befasst. In einer durch das Bundeswirtschaftsministerium geförderten Studie wurde beispielsweise unter anderem der Forschungsbedarf für die Weiterentwicklung bestehender Simulationsprogramme untersucht, die für die Bewertung der Sicherheit von Kernkraftwerken eingesetzt werden.
Eine Bewertung der Sicherheit von SMR ist aus verschiedenen Gründen nur eingeschränkt möglich. Zwar lassen sich Aussagen darüber treffen, ob ein bestimmtes SMR-Konzept in seiner sicherheitstechnischen Auslegung plausibel ist und anerkannten Prinzipien entspricht. Allein auf der Grundlage von Konzepten lassen sich allerdings keine belastbaren Aussagen darüber treffen, ob eine auf Grundlage des Konzepts errichtete Anlage im Sinne des heutigen Stands von Wissenschaft und Technik beziehungsweise nach dem jeweils anzuwendenden Regelwerk genehmigungsfähig wäre.
Derartige Bewertungen erfordern eine Vielzahl von Informationen, die alleine einem Konzept nicht zu entnehmen sind beziehungsweise noch nicht vorliegen. Dazu gehört in erster Linie die konkrete technische Umsetzung des Konzepts, beispielsweise die genaue technischen Beschaffenheit der sicherheitsrelevanten Komponenten und der verwendeten Werkstoffe. Maßgeblich für die Sicherheit einer kerntechnischen Anlage sind aber beispielsweise auch Eigenschaften des konkreten Standorts, etwa im Hinblick auf seismische Aktivitäten oder mögliche Überflutungen.