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Flugabwehrstellung an der Nuklearanlage Natanz

Angriffe auf iranische kerntechnische Anlagen – ein Überblick (Stand: 23.06.)

Seit den frühen Morgenstunden des 13. Juni 2025 ist es zu einer Reihe israelischer Luftangriffe auf kerntechnische Anlagen im Iran gekommen. Ziel dieser Angriffe waren insbesondere Einrichtungen zur Urananreicherung und -verarbeitung. Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) sowie verschiedene Medien berichteten in den Tagen danach über Schäden an mehreren Standorten. Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) trägt die verfügbaren Informationen im Auftrag des Bundesumweltministeriums zusammen und wertet sie aus. Diese Informationen werden hier zusammengefasst dargestellt.

Kernkraftwerk Buschehr

Das Kernkraftwerk Buschehr ist das einzige kommerzielle Kernkraftwerk im Iran und befindet sich am Persischen Golf. Ursprünglich von Siemens KWU geplant, basiert das Design auf dem deutschen Kernkraftwerk Biblis B. Der Bau des ersten Blocks begann 1975, wurde jedoch aufgrund der Islamischen Revolution und des Iran-Irak-Kriegs unterbrochen. Mit russischer Hilfe wurde das Projekt wieder aufgenommen und als WWER-1000/V-446 fertiggestellt. Der erste Block ging 2011 in Betrieb. Der Bau des zweiten Blocks begann 2019; die Inbetriebnahme ist nach aktuellem Planungsstand für 2028 geplant. Das Kernkraftwerk Buschehr war nicht Ziel der Angriffe.

Urananreicherungsanlagen

Urananreicherung ist der Prozess, bei dem der Anteil des spaltbaren Isotops Uran-235 erhöht wird. Dies geschieht meist mithilfe von Gaszentrifugen, die das leichtere Isotop vom schwereren Isotop Uran-238 trennen. Dieser Prozess ist unter anderem dafür erforderlich, Kernbrennstoff für den Betrieb von Kernkraftwerken bereitzustellen. Hierzu wird in der Regel ein Anteil von Uran-235 von etwa 3 bis 5 % benötigt; Natururan hat einen entsprechenden Anteil von ca. 0,7 %. Je nach Anreicherungsgrad spricht man von niedrig (unter 20 %), hoch (über 20 %) oder waffenfähig (über 90 %) angereichertem Uran.

Natans – Zentrum der Urananreicherung

Die Anlage in Natans ist Irans größte Urananreicherungsanlage. Sie besteht aus einem oberirdischen Bereich (Pilot Fuel Enrichment Plant, PFEP) und einem stark geschützten unterirdischen Komplex (Fuel Enrichment Plant, FEP). Letzterer liegt rund acht Meter unter der Erde und ist durch mehrere Meter Beton und eine ca. 22 Meter dicke Erdschicht geschützt, die nachträglich über das Dach der Anlage aufgebracht wurden.

Laut IAEO wurde der oberirdische Teil der Anlage bei den Angriffen beschädigt, darunter auch verschiedene Anlagen zur Stromversorgung; deren Ausfall könne auch die Zentrifugen im unterirdischen Teil beschädigt haben. Außerdem sei es innerhalb der Anlage zu radioaktiven und chemischen Kontaminationen gekommen, gegen die aber ein Schutz durch geeignete Ausrüstung möglich sei.

Fordow – unterirdische Anreicherungsanlage

Die Anlage Fordow liegt tief unter einem Berg bei Qom und gilt als besonders gut geschützt. Auch hier wurden laut iranischen Angaben Schäden gemeldet, die jedoch als begrenzt beschrieben wurden. Der IAEO liegen bislang keine Informationen zu etwaigen Kontaminationen vor. In Fordow wird Uran bis zu einem Anreicherungsgrad von 60 % verarbeitet.

Isfahan-Komplex

In Isfahan befinden sich mehrere kerntechnische Einrichtungen, darunter:

  • Uranium Conversion Facility (UCF): Wandelt Uranerz in Uranhexafluorid (UF₆) um – ein Vorprodukt für die Anreicherung.
  • Fuel Plate Fabrication Plant (FPFP): Stellt Brennstoffplatten für Forschungsreaktoren her.
  • Fuel Manufacturing Plant (FMP): Produziert Brennelemente für Reaktoren.

Laut israelischen Angaben wurden bei den Angriffen Labore, Konversionsanlagen und Infrastruktur zur Uranmetallherstellung zerstört. Die IAEO bestätigte Schäden an vier Gebäuden, darunter die Konversionsanlage und die Brennelementfabrik. Es wurden nach den der IAEO vorliegenden Informationen jedoch keine erhöhten Strahlungswerte gemessen.

Hintergrund: Risikopotenzial bei Angriffen auf Anreicherungsanlagen

Die Hauptgefahren bei Angriffen auf Urananreicherungsanlagen beruhen weniger auf der Radioaktivität als auf den chemo-toxischen Eigenschaften der dort bearbeiteten Materialien. Besonders kritisch ist das bei der Anreicherung in Zentrifugen verwendete Uranhexafluorid (UF₆), das bei Kontakt mit Wasser oder Luftfeuchtigkeit – etwa durch beschädigte Behälter – Flusssäure bildet und dadurch bei Inhalation die Atemwege stark schädigen kann.

Auch die entstehenden Uranverbindungen sind als Schwermetalle stark giftig und damit gesundheitsschädlich. Die radiologischen Risiken von Uran sind demgegenüber geringer, weil es sich dabei um einen sogenannten Alpha-Strahler mit niedriger spezifischer Aktivität handelt. Alphastrahlung ist äußerlich gut abschirmbar – bereits ein Blatt Papier oder die menschliche Haut reicht aus. Erst wenn solche Stoffe in den Körper gelangen, etwa durch Einatmen oder Verschlucken, kann die Alphastrahlung zu Gesundheitsschäden führen. Doch auch in einem solchen Fall wird das radiologische Risiko durch Uran aufgrund seiner im Vergleich mit anderen Alphastrahlern eher geringen Aktivität durch die chemo-toxischen Effekte überwogen.

Ein weiteres Risiko ist die mögliche Freisetzung von Uranstaub, etwa bei beschädigten Lüftungsanlagen. Auch hier steht die chemo-toxische Wirkung bei Inhalation oder Aufnahme über die Nahrung im Vordergrund.

Ein Kritikalitätsunfall – eine unkontrollierte Kettenreaktion – gilt in solchen Anlagen als äußerst unwahrscheinlich, da meist weder die nötige Materialmenge noch die physikalischen Bedingungen vorliegen. Die eingesetzten Uranverbindungen sind chemisch so beschaffen, dass eine spontane Reaktion ausgeschlossen ist. Zudem verhindert die bauliche Gestaltung eine kritische Anordnung. Selbst in hypothetischen Szenarien wären radiologische Folgen auf das lokaleUmfeld begrenzt.

Letztendlich entstehen bei der Urananreicherung im Gegensatz zur Energieproduktion in Kernkraftwerken keine hochradioaktiven Spaltprodukte, die freigesetzt werden können. Deswegen wären die potenziellen radiologischen Folgen selbst bei einer erheblichen Beschädigung oder Zerstörung einer Urananreicherungsanlage ungleich geringer als bei einem vergleichbaren Schadensszenario für einen Leistungsreaktor.

Update 18.06.

Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) berichtet auf X, dass sie auf Basis hochauflösender Satellitenbilder, die nach den Angriffen vom Freitag ausgewertet wurden, zusätzliche Hinweise auf direkte Schäden an den unterirdischen Urananreicherungsanlagen in Natans identifiziert habe. Laut Äußerungen des IAEO-Generaldirektors Rafael Grossi gegenüber der BBC wurden die dort eingesetzten Zentrifugen „vermutlich schwer beschädigt, wenn nicht vollständig zerstört“.

Darüber hinaus liegen der IAEO eigenen Angaben zufolge Informationen vor, dass zwei weitere Einrichtungen zur Zentrifugenproduktion getroffen wurden: die TESA-Werkstatt in Karaj sowie das Tehran Research Centre. Beide Standorte unterlagen zuvor im Rahmen des Wiener Atomabkommens der Überwachung der IAEO.

Update 20.06.

Gestern gab es einen Angriff auf den iranischen Schwerwasserreaktor Arak (IR-40) in Khondab. Die IAEO bestätigte auf X, dass bei diesem Angriff kein Kernmaterial vorhanden war, sodass keine radiologische Freisetzung erfolgte.

Der IR-40 ist ein Schwerwasserreaktor, der ursprünglich für die Produktion von medizinischen und industriellen Isotopen konzipiert wurde; da der Reaktor von seiner Auslegung her auch in der Lage wäre, potenziell waffenfähiges Plutonium zu produzieren, spielte er in den Verhandlungen für das Wiener Atomabkommen eine zentrale Rolle. Daher einigte man sich auf einen Umbau, der die Herstellung von Radionukliden für ausschließlich friedliche Zwecke weiterhin ermöglichen sollte. Nachdem der Zugang der IAEO zu der Anlage sukzessive immer weiter eingeschränkt wurde, besteht seit 2022 keine Möglichkeit mehr, die Anlage zu überwachen. Medienangaben zufolge hatte der Iran die IAEA darüber informiert, den Reaktor 2026 erstmalig in Betrieb zu nehmen.

Update 23.06.

Die IAEO bestätigte gestern in einem Update, dass die iranischen Nuklearanlagen Fordow, Natans und Isfahan bei nächtlichen Luftangriffen durch die USA getroffen wurden.

Demnach wurde die Anlage in Isfahan, die bereits mehrfach durch israelische Angriffe beschädigt worden war, erneut getroffen. Dabei seien weitere Gebäude beschädigt worden, darunter auch Zugänge zu unterirdischen Tunneln. Einige der betroffenen Gebäude könnten nukleares Material enthalten haben. 

Auch die unterirdische Urananreicherungsanlage Fordow seien direkt getroffen worden. Aufgrund der Tiefe der Anlage und der eingesetzten bunkerbrechenden Munition sei das genaue Ausmaß der Schäden derzeit nicht abschätzbar. Die IAEO betont, dass die Urananreicherungshallen betroffen sein könnten, dies aber noch nicht bestätigt werden könne. Die bereits schwer beschädigte Anlage in Natanz wurde erneut mit bunkerbrechenden Waffen angegriffen. Bereits bei den Angriffen zuvor war es zu massiven Schäden an der elektrischen Infrastruktur und möglichen Auswirkungen auf die Zentrifugen gekommen. Die neuerlichen Angriffe könnten die Situation weiter verschärft haben.

Die iranischen Aufsichtsbehörden haben der IAEO mitgeteilt, dass nach den jüngsten Angriffen keine erhöhten Strahlungswerte außerhalb der betroffenen Anlagen gemessen wurden. Diese Angaben konnten bislang nicht unabhängig verifiziert werden.