
Angriffe auf iranische kerntechnische Anlagen – ein Überblick (Stand: 16.06.)
Kernkraftwerk Buschehr
Das Kernkraftwerk Buschehr ist das einzige kommerzielle Kernkraftwerk im Iran und befindet sich am Persischen Golf. Ursprünglich von Siemens KWU geplant, basiert das Design auf dem deutschen Kernkraftwerk Biblis B. Der Bau des ersten Blocks begann 1975, wurde jedoch aufgrund der Islamischen Revolution und des Iran-Irak-Kriegs unterbrochen. Mit russischer Hilfe wurde das Projekt wieder aufgenommen und als WWER-1000/V-446 fertiggestellt. Der erste Block ging 2011 in Betrieb. Der Bau des zweiten Blocks begann 2019; die Inbetriebnahme ist nach aktuellem Planungsstand für 2028 geplant. Das Kernkraftwerk Buschehr war nicht Ziel der Angriffe.
Urananreicherungsanlagen
Urananreicherung ist der Prozess, bei dem der Anteil des spaltbaren Isotops Uran-235 erhöht wird. Dies geschieht meist mithilfe von Gaszentrifugen, die das leichtere Isotop vom schwereren Isotop Uran-238 trennen. Dieser Prozess ist unter anderem dafür erforderlich, Kernbrennstoff für den Betrieb von Kernkraftwerken bereitzustellen. Hierzu wird in der Regel ein Anteil von Uran-235 von etwa 3 bis 5 % benötigt; Natururan hat einen entsprechenden Anteil von ca. 0,7 %. Je nach Anreicherungsgrad spricht man von niedrig (unter 20 %), hoch (über 20 %) oder waffenfähig (über 90 %) angereichertem Uran.
Natans – Zentrum der Urananreicherung
Die Anlage in Natans ist Irans größte Urananreicherungsanlage. Sie besteht aus einem oberirdischen Bereich (Pilot Fuel Enrichment Plant, PFEP) und einem stark geschützten unterirdischen Komplex (Fuel Enrichment Plant, FEP). Letzterer liegt rund acht Meter unter der Erde und ist durch mehrere Meter Beton und eine ca. 22 Meter dicke Erdschicht geschützt, die nachträglich über das Dach der Anlage aufgebracht wurden.
Laut IAEO wurde der oberirdische Teil der Anlage bei den Angriffen beschädigt, darunter auch verschiedene Anlagen zur Stromversorgung; deren Ausfall könne auch die Zentrifugen im unterirdischen Teil beschädigt haben. Außerdem sei es innerhalb der Anlage zu radioaktiven und chemischen Kontaminationen gekommen, gegen die aber ein Schutz durch geeignete Ausrüstung möglich sei.
Fordow – unterirdische Anreicherungsanlage
Die Anlage Fordow liegt tief unter einem Berg bei Qom und gilt als besonders gut geschützt. Auch hier wurden laut iranischen Angaben Schäden gemeldet, die jedoch als begrenzt beschrieben wurden. Der IAEO liegen bislang keine Informationen zu etwaigen Kontaminationen vor. In Fordow wird Uran bis zu einem Anreicherungsgrad von 60 % verarbeitet.
Isfahan-Komplex
In Isfahan befinden sich mehrere kerntechnische Einrichtungen, darunter:
- Uranium Conversion Facility (UCF): Wandelt Uranerz in Uranhexafluorid (UF₆) um – ein Vorprodukt für die Anreicherung.
- Fuel Plate Fabrication Plant (FPFP): Stellt Brennstoffplatten für Forschungsreaktoren her.
- Fuel Manufacturing Plant (FMP): Produziert Brennelemente für Reaktoren.
Laut israelischen Angaben wurden bei den Angriffen Labore, Konversionsanlagen und Infrastruktur zur Uranmetallherstellung zerstört. Die IAEO bestätigte Schäden an vier Gebäuden, darunter die Konversionsanlage und die Brennelementfabrik. Es wurden nach den der IAEO vorliegenden Informationen jedoch keine erhöhten Strahlungswerte gemessen.
Hintergrund: Risikopotenzial bei Angriffen auf Anreicherungsanlagen
Die Hauptgefahren bei Angriffen auf Urananreicherungsanlagen beruhen weniger auf der Radioaktivität als auf den chemo-toxischen Eigenschaften der dort bearbeiteten Materialien. Besonders kritisch ist das bei der Anreicherung in Zentrifugen verwendete Uranhexafluorid (UF₆), das bei Kontakt mit Wasser oder Luftfeuchtigkeit – etwa durch beschädigte Behälter – Flusssäure bildet und dadurch bei Inhalation die Atemwege stark schädigen kann.
Auch die entstehenden Uranverbindungen sind als Schwermetalle stark giftig und damit gesundheitsschädlich. Die radiologischen Risiken von Uran sind demgegenüber geringer, weil es sich dabei um einen sogenannten Alpha-Strahler mit niedriger spezifischer Aktivität handelt. Alphastrahlung ist äußerlich gut abschirmbar – bereits ein Blatt Papier oder die menschliche Haut reicht aus. Erst wenn solche Stoffe in den Körper gelangen, etwa durch Einatmen oder Verschlucken, kann die Alphastrahlung zu Gesundheitsschäden führen. Doch auch in einem solchen Fall wird das radiologische Risiko durch Uran aufgrund seiner im Vergleich mit anderen Alphastrahlern eher geringen Aktivität durch die chemo-toxischen Effekte überwogen.
Ein weiteres Risiko ist die mögliche Freisetzung von Uranstaub, etwa bei beschädigten Lüftungsanlagen. Auch hier steht die chemo-toxische Wirkung bei Inhalation oder Aufnahme über die Nahrung im Vordergrund.
Ein Kritikalitätsunfall – eine unkontrollierte Kettenreaktion – gilt in solchen Anlagen als äußerst unwahrscheinlich, da meist weder die nötige Materialmenge noch die physikalischen Bedingungen vorliegen. Die eingesetzten Uranverbindungen sind chemisch so beschaffen, dass eine spontane Reaktion ausgeschlossen ist. Zudem verhindert die bauliche Gestaltung eine kritische Anordnung. Selbst in hypothetischen Szenarien wären radiologische Folgen auf das lokaleUmfeld begrenzt.
Letztendlich entstehen bei der Urananreicherung im Gegensatz zur Energieproduktion in Kernkraftwerken keine hochradioaktiven Spaltprodukte, die freigesetzt werden können. Deswegen wären die potenziellen radiologischen Folgen selbst bei einer erheblichen Beschädigung oder Zerstörung einer Urananreicherungsanlage ungleich geringer als bei einem vergleichbaren Schadensszenario für einen Leistungsreaktor.