Blick in einen unterirdischen Tunnel im Schweizer Felslabor Mont Terri
Endlagerung

Vertikales hydraulisches Dichtsystem nach dem Sandwich-Prinzip

Für eine sichere Entsorgung radioaktiver Abfälle müssen diese isoliert von der Biosphäre aufbewahrt werden. International besteht Einigkeit darüber, dass ein Endlager in tiefen geologischen Gesteinsformationen hierfür die besten Voraussetzungen bietet. Die radioaktiven Abfälle sollen dabei in geeigneten Endlagerbehältern in speziell dafür angelegte Bergwerke tief unter der Erde verbracht werden. Der sichere Einschluss der Abfälle in einem solchen tiefengeologischen Endlager soll durch ein diversitäres und redundantes Barrieresystem gewährleistet werden. Das bedeutet, die Barrieren müssen in ihrer Funktionsweise unterschiedlich sowie unabhängig voneinander sein. 

In der Endlagerforschung unterscheidet man zwischen geologischen, technischen und geotechnischen Barrieren. Die Funktion der geologischen Barriere übernimmt vereinfacht gesagt das Wirtsgestein – in Deutschland stehen Steinsalz, Tonstein und Kristallingestein zur Auswahl. Die technische Barriere stellen der Abfallbehälter und gegebenenfalls ihn umgebende Versatzmaterialien dar. Diese Behälter werden in Schächte im Wirtsgestein tief unter der Erdoberfläche verbracht. Anschließend müssen die verbleibenden Hohlräume verfüllt und verschlossen werden, wobei eine sichere Abdichtung über sehr lange Zeiträume von bis zu einer Million Jahre erreicht werden muss. Diese Verfüllungen und Verschlüsse werden als geotechnische Barrieren bezeichnet. 

Verschlusssystem aus abwechselnder Segmentfolge

In der Forschung werden derzeit verschiedene Konzepte für geotechnische Barrieren entwickelt und erprobt. Ein solches Konzept ist das sogenannte „Sandwich“-Verschlusssystem. Hierbei wird der Schacht des Endlagerbergwerks, nachdem die radioaktiven Abfälle eingelagert und die Hohlräume in den Einlagerungsbereichen verfüllt wurden, durch ein vertikales hydraulisches Dichtsystem verschlossen. Dieses Dichtsystem besteht aus einer wechselnden Folge von sogenannten Dichtsegmenten und Äquipotenzialsegmenten. 

Die Dichtsegmente bestehen aus Bentonit, das über eine starke Wasseraufnahme- und Quellfähigkeit verfügt. Das liegt daran, dass Bentonit zu 60 bis 80 % aus dem Mineral Montmorillonit besteht, das sich bei Zugabe von Wasser um ein Vielfaches der Ursprungsgröße ausdehnt, dabei aber eine sehr geringe Durchlässigkeit bewahrt. Die 30 cm breiten Äquipotenzialsegmente sorgen dafür, dass die Dichtsegmente gleichmäßig befeuchtet werden. 

Grundriss des Felslabors Mont Terri mit Geologie; die Sandwich-Nische (SW) ist durch den Kreis hervorgehoben
Grundriss des Felslabors Mont Terri mit Geologie; die Sandwich-Nische (SW) ist durch den Kreis hervorgehoben

Grundriss des Felslabors Mont Terri mit Geologie; die Sandwich-Nische (SW) ist durch den Kreis hervorgehoben
Das Sandwich-System wurde bereits im Labor- und Technikumsmaßstab erprobt, die Ergebnisse waren vielversprechend. Daher startete 2019 das Sandwich-Hauptprojekt als Kooperation von Forschungseinrichtungen aus Deutschland, der Schweiz, Spanien, Großbritannien und Kanada.

Die GRS hat in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum für Materialfeuchte des KIT, dem Entwickler des Sandwich-Dichtsystems, die fachliche Leitung des Projekts inne. Um es in einem realitätsnahen Maßstab zu erproben, baut ein Forscherteam das Sandwich-Verschlusssystem im internationalen Felslabor Mont Terri ein , das sich in einem Bergmassiv im Schweizer Juragebirge befindet. Der Opalinuston in Mont Terri ist dabei für Deutschland von besonderem Interesse: Er ähnelt dem süddeutschen Opalinuston oder den norddeutschen Unterkreidetonen, die unter anderem als Einlagerungsformationen in Deutschland in Frage kommen, und eignet sich daher gut als Vergleichsobjekt.

Bei einem solchen großmaßstäblichen in situ Projekt wirken sich sowohl das Wirtsgestein als auch die jeweiligen Bedingungen vor Ort auf die Konzeption des Verschlusssystems aus. So bieten sich beispielsweise für das Material der Äquipotenzialsegmente je nach Wirtsgestein und Bedingungen vor Ort unterschiedliche Materialmischungen an. Die Zielsetzung beschreibt Klaus Wieczorek, fachlicher Leiter des Projekts, daher so: „Einerseits wollen wir die im Labormaßstab ermittelten und im Technikumsmaßstab erprobten Materialien in einem realitätsnahen Versuch überprüfen; andererseits erwarten wir, die physikalisch-chemischen Prozessabläufe durch den Versuch besser nachvollziehen und das Langzeitverhalten besser vorhersagen zu können.“

System wird in zwei eigens abgeteuften Schächten erprobt 

Zu diesem Zweck musste das Forscherteam zuerst zwei Schächte in den Opalinuston des Felslabors abteufen lassen. Dazu wurde ihm eine eigene Nische im Felslabor  bereitgestellt. Mithilfe einer eigens dafür entwickelten Bohranlage wurden ein 12 (Schacht 1) und ein 10 Meter tiefer Schacht (Schacht 2) mit jeweils 1,2 Metern Durchmesser erbohrt. Schacht 1 bauten die Forschenden mit einem Stahlkäfigsystem und Leitern aus, um den finalen Versuchsaufbau installieren zu können. 

Vor dem Beginn des eigentlichen Experiments mussten noch eine Reihe weiterer Installationen vorgenommen werden, wie Klaus Wieczorek erläutert: „Da die Funktion des Verschlusses durch eine Flutung des Schachts geprüft werden soll, haben wir zum einen ein Hydratationssystem eingebaut. Um auswertbare Ergebnisse zu erhalten, installierten wir zum anderen noch verschiedene Messinstrumente. Diese Instrumentierung umfasst einerseits das Verschlusssystem selbst, also etwa Sensoren für die Messung von Wassergehalt, Druck und Spannung. Andererseits werden externe Faktoren gemessen, beispielsweise Porendruckveränderungen im Gestein oder Gebirgsspannungen.“ Anschließend konnte der Schacht mit dem Sandwich-System verschlossen werden. 

Schacht 2 blieb zunächst offen. Im nächsten Jahr soll er ebenfalls mit einer Sandwich-Dichtung versehen werden, sodass man ein weiteres Experiment unter leicht veränderten Bedingungen noch einmal durchführen kann, um Vergleichswerte zu erhalten.

Visualisierung der Schächte inklusive der verschiedenen Segmente und Schrägbohrungen (© GRS)
Visualisierung der Schächte inklusive der verschiedenen Segmente und Schrägbohrungen (© GRS)

Flutung von Schacht 1 als Meilenstein des Projekts

Nachdem der Versuchsaufbau abgeschlossen war, konnte vor wenigen Wochen mit der Flutung des Schachts der eigentliche Beginn des Experiments eingeläutet werden. Dieser Schritt, an dem corona-bedingt nur eine kleine Anzahl Forschender teilnehmen konnte, kann als wichtiger Meilenstein im Projektverlauf angesehen werden. Das Wasser für die Flutung wird vom Betreiber des Felslabors bereitgestellt und über Druckkammern von unten an das Verschlusssystem herangeführt.

Projekt-Highlights Endlagerung

Bodenschichten
RESUS - Wissenschaftliche Methodik für einen Standortvergleich bei der Endlagersuche
2018 - 2020

Im Projekt RESUS haben die Forschenden den Fokus auf die zentralen Elemente der vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen gelegt. Dabei geht es um die Frage, ob und gegebenenfalls welche Mengen an radioaktiven Stoffen über einen Zeitraum von bis zu einer Million Jahren aus dem Endlager austreten könnten.

Endlagerung