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Schacht im finnischen Endlager Onkalo

Wie und unter welchen Bedingungen können sich Radionuklide in einem Endlagersystem in Kristallingestein ausbreiten?

Bei der Bewertung von Endlagersystemen in Kristallingestein ist die mögliche Klüftung des Gesteins eine anspruchsvolle Variable. Im Forschungsprojekt CHRISTA-II haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der GRS Modellierungen für ein solches System entwickelt und untersucht, welchen Einfluss verschiedene Parameter auf den unterirdischen Schadstofftransport im Laufe von Jahrtausenden haben können.

Für die sichere Entsorgung hochradioaktiver Abfälle, da ist sich die aktuelle Forschung einig, ist ein tiefengeologisches Endlager die beste Option. In Deutschland wird der Standort für ein solches Endlager zurzeit noch gesucht. Mögliche Wirtsgesteine, die hierzulande in Frage kommen, sind Steinsalz, Tongestein und Kristallingestein. Jedes der Gesteine besitzt unterschiedliche Eigenschaften, deren Vor- und Nachteile im Standortauswahlprozess gegeneinander abgewogen werden müssen.

Die große Besonderheit bei Kristallingestein ist, dass es im Gegensatz zu Tongestein und Steinsalz im tiefen Untergrund auch großräumig durchgehend geklüftet sein kann. Einen zusammenhängenden einschlusswirksamen Gebirgsbereich (ewG) für ein mögliches Endlager in Kristallingestein zu finden, ist daher deutlich komplizierter als in Tongestein oder Steinsalz. Das Standortauswahlgesetz sieht für Kristallingestein dementsprechend als grundsätzliche Alternativen einen überlagernden ewG bzw. einen multiplen ewG vor (mehr zu den verschiedenen ewG-Optionen findet sich in diesem Übersichtsbeitrag). Es besteht zudem die Möglichkeit, den sicheren Einschluss der radioaktiven Abfälle im Wesentlichen durch die technischen und geotechnischen Barrieren zu gewährleisten. 

Klüftung im Fokus der Forschung

Die GRS untersucht von ihrem Endlagerforschungszentrum in Braunschweig aus Fragestellungen zu allen drei Wirtsgesteinen, wobei jeweils unterschiedliche Schwerpunkte relevant sind. So steht bei Kristallingestein vor allem die Klüftung im Fokus der Forschung. Solche Klüfte – bildlich gesprochen: Risse im Gestein – können Wegsamkeiten für eindringendes Wasser bieten, das bis hin zu den Abfallbehältern gelangen kann. Die Abfallbehälter stellen in Endlagerkonzepten für Kristallingestein eine wichtige Barriere dar; sollten die Behälter jedoch korrodieren und z. B. Radionuklide freigesetzt werden, können die zugetretenen Lösungen einen Transportpfad für radioaktive und andere in den Untergrund freigesetzte Stoffe darstellen.

Die Klüfte im Untergrund sind allerdings nur sehr schwer zu erkunden. Eine Möglichkeit, dieser Ungewissheit zu begegnen, sind Modelle, in denen mögliche Transportprozesse simuliert werden. Hierbei kommen im Endlagerforschungszentrum gleichermaßen 1D-, 2D- sowie 3D-Modelle zum Einsatz. Im vor Kurzem abgeschlossenen, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschungsprojekt CHRISTA-II haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der GRS Modellierungen für verschiedene Endlagersysteme in Kristallingestein (z. B. mit einem überlagernden ewG) entwickelt und die Ausbreitung von Radionukliden in diesem System analysiert.

Modellentwicklung für Nahfeld und Fernfeld

Zum einen wurden hierzu Modelle erstellt, die die nähere Umgebung der Abfallbehälter und den ewG betrachten (Nahfeld). Zum anderen wurden Grundwassermodelle entwickelt, bei denen die Grundwasserströmung für ein großes Gebiet um das Endlagersystem herum abgebildet wird (Fernfeld). In den Fernfeld-Berechnungen wurde das Ausbreitungsverhalten der Radionuklide Cäsium-135 und Iod-129 untersucht. Chemische Elemente unterscheiden sich in ihren Eigenschaften, sodass sich auch die Radionuklidkonzentration im Modell abhängig vom betrachteten Element unterscheidet. Ein Beispiel ist der Rückhalt eines Stoffes an der Gesteinsoberfläche der Klüfte, die sogenannte Sorption. Hohe Sorptionskoeffizienten führen zu einer langsameren Ausbreitung mit dem Grundwasser. Bei stark sorbierten Radionukliden kann dieser Effekt so groß werden, dass deren Freisetzung aus dem ewG unterbunden wird. In den Arbeiten wurden verschiedene Parameter variiert, um die Auswirkungen auf das Ausbreitungsverhalten zu analysieren.

Grundwassergebundenen Schadstofftransport über eine Million Jahre hinweg simuliert

Aufsicht (A) und Profil (B) der Konzentration von I-129 nach 2.000 Jahren und 1 Mio. Jahre (C und D); der Bereich der ursprünglich eingelagerten Abfälle ist schwarz markiert; rot/orange = hohe, blau = niedrige I-129-Konzentrationen

So simulierten die Forschenden den grundwassergebundenen Schadstofftransport über eine Million Jahre hinweg und berechneten, unter welchen Bedingungen die Radionuklide die Biosphäre erreichen könnten. 

Die Berechnungen haben gezeigt, dass der überlagernde ewG eine sehr große Ausdehnung haben muss, um eine mögliche Freisetzung der Radionuklide in die Biosphäre sicher auszuschließen.

Das Nachfolgeprojekt CHRISTA-III, das auf den Ergebnissen aus CHRISTA-I und -II aufbaut und bei dem das skandinavische KBS-3-System (Endlagerbehälter als wesentliche Barriere) untersucht werden soll, steht bereits in den Startlöchern. Die Vorgehensweise für dieses Endlagerkonzept unterscheidet sich vor allem dadurch, dass kein ewG festgelegt und dessen Integrität dementsprechend auch nicht geprüft werden muss.